Zuversicht ist nicht gerade das, was deutsche Medien und Regierungen seit Jahren verbreiten. Eher übertönt das Lamento über die miese Lage der Wirtschaft, Energiekosten und Einbrüche im Außenhandel alles andere. Und das hat natürlich auch Auswirkungen auf die ganz gewöhnlichen Bewohner einer Stadt wie Leipzig. Denn so etwas schiebt sich bis ins Unterbewusstsein. Und wenn dann die Statistiker der Stadt in der Bürgerumfrage nach diesen Lebensgefühlen fragen, gibt es keine Überraschung.
Sondern nur die Bestätigung des flauen Gefühls, das sich einstellt, wenn nun seit fünf Jahren über Stillstand und Niedergang debattiert wird. Das Amt für Statistik und Wahlen hat jetzt endlich die Auswertung der Bürgerumfrage 2024 vorgelegt. Und schon das Einstiegskapitel zeigt, wie sensibel auch die Leipzigerinnen und Leipziger auf das permanente Lamento reagieren.
„Die Lebenszufriedenheit und Zukunftssicht der Leipzigerinnen und Leipziger haben sich nach den Rückgängen der vergangenen Jahre stabilisiert und bleiben jetzt bereits das dritte Jahr in Folge auf einem nahezu unveränderten Niveau. Ein vergleichbares Bild zeigt sich bei der Einschätzung der wirtschaftlichen Lage – sowohl persönlich als auch für die Stadt Leipzig insgesamt: Auch hier sind im Vergleich zu 2022 und 2023 kaum Veränderungen zu beobachten“, fasst der Bericht zur Bürgerumfrage dieses Stimmungsbild zusammen.
Corona ist nicht an allem schuld
Natürlich ist das alles Psychologie. Menschen bleiben nicht unbeeinflusst, wenn Politiker aus Kalkül und diverse Wirtschaftsexperten aus lauter Langeweile immer wieder Mahner und Propheten spielen und über den jämmerlichen Zustand der deutschen Wirtschaft lamentieren, aber nicht erzählen, wie sie das ändern wollen.

Das wirkt sich bis in die Lebenszufriedenheit der befragten Leipziger hinein aus: „Die Lebenszufriedenheit der Leipzigerinnen und Leipziger ist im Vorjahresvergleich nahezu unverändert. Bei der Befragung 2024 geben 71 Prozent der Befragten an, mit ihrem Leben (sehr) zufrieden zu sein. Aktuell stabilisiert sich der Anteil der mit ihrem Leben zufriedenen Personen in der Stadt damit wieder und bewegt sich auf einem Niveau wie zur Phase des starken städtischen Wachstums zu Beginn der 2010er-Jahre.
Während damals allerdings ein Aufwärtstrend folgte, stagniert die Lebenszufriedenheit aktuell nach einem vorerst zum Stillstand gekommenen Abwärtstrend. Deutlich höhere Werte wurden ab etwa Mitte der 2010er-Jahre bis zu Beginn der Corona-Pandemie gemessen.“
In der Corona-Zeit gab es ja tatsächlich den harten wirtschaftlichen Dämpfer. Aber nun ausgerechnet Corona als Auslöser der konjunkturellen Flaute zu behaupten, greift im Jahr 2024 nicht mehr. Denn es sind vor allem exportorientierte Wirtschaftszweige wie der Automobilbau, die in der Krise stecken, weil ihnen dankbare Absatzmärkte in China und anderswo verloren gehen.
Während eine desolate Steuerpolitik auf Bundesebene dafür sorgt, dass vor den Augen ihrer Bewohner Städte wie Leipzig in die Schulden getrieben werden und damit als Motor für die regionale Wirtschaft ausfallen.
Wenn eine Stadt handlungsunfähig (gemacht) wird
Wenn also die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage jedes Einzelnen und dann die der Stadt selbst immer weiter auseinander driften (siehe ganz oben), hat das genau damit zu tun. Auch wenn das nur ein Gefühl ist. Aber es trügt eben nicht.
„Die Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Lage folgt ähnlichen Mustern wie die Lebenszufriedenheit und Zukunftssicht. Aktuell beurteilen 52 Prozent der Leipzigerinnen und Leipziger ihre wirtschaftliche Lage mit sehr gut oder gut. Im Vergleich zu den beiden Vorjahren stabilisiert sich die Einschätzung damit und ist ebenfalls vergleichbar mit den Einschätzungen zu Beginn der 2010er-Jahre“, heißt es im Bericht.
Und: „Die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage in der Stadt Leipzig durch die Leipzigerinnen und Leipziger erreicht ähnliche Werte wie in den beiden Vorjahren: 32 Prozent der Befragten beurteilen diese als sehr gut oder gut. Im Vergleich zu 2019 halbiert sich damit der Anteil der Personen mit einer positiven Einschätzung nahezu.
In Abbildung 1-4 wird zudem deutlich, dass der Abstand zwischen der positiven Beurteilung der eigenen und der positiven Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Stadt aktuell 30 Prozentpunkte beträgt. In der Phase des starken städtischen Wachstums der 2010er-Jahre war die Differenz hingegen deutlich kleiner und ist erst mit der Corona-Pandemie wieder größer geworden. Die Grafik zeigt auch, dass die Arbeitslosenquote für die Erklärung der Einschätzung der wirtschaftlichen Lage durch die Bewohnerschaft nur bedingt herangezogen werden kann.“
Aber die Sonderauswertungen im gleichen Kapitel zeigen auch, dass die Werte bei der Zukunftssicht extrem vom erreichten Bildungsabschluss und vom persönlichen Nettoeinkommen abhängen. Menschen, die sich mit den prekären, schlecht bezahlten Jobs in der Stadt zufriedengeben müssen, sehen viel skeptischer und ängstlicher in die Zukunft. Und sie haben sogar recht damit.
Denn auch wenn Arbeitslosigkeit keinen Haupteinfluss auf diese Gefühlslagen zu haben scheint, wirkt sie bei den prekär Beschäftigten eben doch als Angstauslöser. Und seit den jüngsten Attacken der regierenden CDU noch viel stärker. Da würde es nicht verblüffen, wenn die Zukunftssicht bei vielen Leipzigern noch weiter in den Keller geht.
Aber diese Bürgerumfrage für 2025 läuft ja gerade. Die ersten Ergebnisse sind erst im Sommer 2026 zu erwarten.
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