Es ist immer wieder dasselbe Spiel, egal, ob in Leipzig, im Leipziger Umland oder in Oberwiesenthal: Wenn es um Investitionen selbst in sensibelsten Naturräumen geht, ist ein klares „Nein“ aus diesen Institutionen fast nie zu hören. Eher regt sich, wenn ein Investor sein Anliegen vorträgt, ein emsiges Bemühen, das Vorhaben unbedingt beschlussfähig zu machen und für Naturschutzbelange lauter Ausweichmöglichkeiten zu finden. Doch auch in Oberwiesenthal stimmte der Stadtrat im Dezember einem solchen Bebauungsplan zu.

Auf einer artenreichen Gebirgswiese im Kurort Oberwiesenthal soll durch private Investoren eine Ferienhaussiedlung entstehen. Einen entsprechenden Beschluss zum Bebauungsplan hatte der Stadtrat in seiner Dezembersitzung 2022 gefasst.

Und entsprechend fassungslos sind Sachsens Umweltverbände NABU, GRÜNE LIGA und Naturschutzverband Sachsen, welche das Vorhaben kategorisch abgelehnt haben.

Behörde verweist auf Ausnahmegenehmigung

Doch die ablehnenden Stellungnahmen der Naturschutzverbände wischte die Stadt Oberwiesenthal mit Verweis auf das zuständige Landratsamt vom Tisch: „Seitens der Genehmigungsbehörde LRA Erzgebirgskreis, Untere Naturschutzbehörde, wurde eine Ausnahmegenehmigung gemäß §30 Abs. 4 BNatSchG von den Verboten des § 30 Abs. 2 BNatSchG bezüglich des Biotopschutzes per 21.10.2022 zugunsten der im Geltungsbereich befindlichen Flurstücke 401/6, 401/7, 401/8, 401/9, 401/10 und 401/11 erteilt (AZ 91068-2022-923).

Als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen dienen die im Eigentum der Vorhabensträger befindlichen Flurstücke 403/1, 404e und 404/5. Ein gemäß dem o.g. Bescheid öffentlich-rechtlicher Vertrag der Vorhabensträger mit der Stadt Kurort Oberwiesenthal ist geschlossen. Mit der Stellungnahme zur Beteiligung zum B-Plan nach § 4 Abs. 2 BauGB des LRA-Erzgebirgskreis (AZ 614.522-22 (159) – 30010(vl)) sind die Belange des Artenschutzes mit Ausnahmebescheid vom 21.10.2022 impliziert (gleichzeitig enthalten). Der Biotop- und Artenschutz wird gemäß der Ausnahmegenehmigung nach § 30 Abs. 4 BNatschG für das Verbot nach § 30 Abs. 2 BNatschG vom 25.10.2022 dauerhaft gesichert.“

Das Abwägungsprotokoll zum Bebauungsplan der Ferienhaussiedlung Emil-Riedel-Straße/An den Teichen in Oberwiesenthal.

Der erwähnte Satz aus dem Bundesnaturschutzgesetz ist nicht mal ein Hintertürchen, sondern ein sperrangelweit geöffnetes Tor, mit dem Naturschutzbehörden den eigentlich strengen Schutz für wertvolle Biotope einfach aufheben können, ohne das weiter begründen zu müssen.

Nur ja nicht ablehnen

Oberwiesenthal selbst hat das seinerseits erleichtert, indem es einfach anbot, die streng geschützten Tierarten könnten ja auf andere Flurstücke umgesetzt werden. Als ob man dem Standort angepasste Tiere einfach verpflanzen kann. Dax Biotop wird dabei trotzdem zerstört.

Und auch das vom NABU vorgebrachte Argument zum Hochwasserschutz wurde mehr oder weniger ignoriert – man ertüchtige ja die Teiche und habe den Grad der Versiegelung etwas verringert.

Der NABU hatte festgestellt: „Die Fläche liegt im Hochwasserentstehungsgebiet Zschopau – Teilgebiet 1 § 76 SächsWG 1. Hochwasserentstehungsgebiete sind Gebiete, insbesondere in den Mittelgebirgs- und Hügellandschaften, in denen bei Starkniederschlägen oder bei Schneeschmelze in kurzer Zeit starke oberirdische Abflüsse eintreten können, die zu einer Hochwassergefahr in den Fließgewässern und damit zu einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen können.“

Eigentlich sind das allein schon zwei schwerwiegende Argumente, jegliche Bautätigkeit auf dieser artenreichen Bergwiese zu unterlassen.

„Wir werden gemeinsam die Abwägung fachlich und rechtlich sehr genau prüfen. In einem ersten Schritt haben wir bereits Akteneinsicht bei den zuständigen Behörden beantragt“, sagt dazu Tobias Mehnert, Vorsitzender der GRÜNEN LIGA.

Nun droht der Klageweg

„Die Wiesenfläche im Vorhabensgebiet wird im Rahmen des Wiesenbrütermanagements des Freistaates Sachsen unterhalten“, ergänzt Bernd Heinitz, Landesvorsitzender des NABU Sachsen. „Es handelt sich hierbei um ein landkreisübergreifendes Projekt zum Schutz von Wiesenbrüterarten, vor allem von Braunkehlchen, Bekassine und Wachtelkönig – finanziert mit Steuermitteln. Flächen, wohin die Tiere ausweichen können, gibt es nicht. Das Vorhaben stellt also einen klaren Verstoß gegen den Artenschutz dar. Deshalb ist auch geplant, externen Rechtsbeistand hinzuzuziehen. Alle Welt diskutiert Maßnahmen, das Artensterben aufzuhalten und in Oberwiesenthal ist nunmehr das glatte Gegenteil geplant.“

Es sind also wieder die ehrenamtlich arbeitenden Naturschutzverbände, die hier wohl den Klageweg beschreiten müssen, um die geltende deutsche Naturschutzgesetzgebung wenigstens gerichtlich prüfen zu lassen. Denn auf die Behörden, die sich in Sachsen Naturschutzbehörden nennen, darf man nicht wirklich zählen.

Die reichen lieber Ausnahmegenehmigungen gemäß §30 Abs. 4 BNatSchG aus und schaffen damit die Illusion, ein neues Ferienhausprojekt direkt am Berghang wäre am Ende kein Schaden für die Natur und kein weiterer Verlust eines wertvollen Biotops, das eigentlich nicht grundlos unter Naturschutz steht.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Tja…so geht Naturschutz in Sachsen. Am Störmthaler See wird es mit dem Campingplatz des SEB der Stadt Leipzig wohl auch so kommen. Recherchen ver Zivilgesellschaft haben ergeben, dass die sog. “Aisgleichsmaßnahmen” für die Baumaßnahmen der letzten 10 Jahre auf der MAgdeborner Halbinsel auch schon nicht nachgehalten und umgesetzt wurden. Die Untere NAtuschutzbehörde ist nicht in der LAge die Auflagen nachzuhalten und für die Umsetzung zu sorgen. Die Gemeindeverwaötung hat kein Interesse daran. So werden wir das bischen NAtur schon noch klein kriegen…..

Schreiben Sie einen Kommentar