Es ist ein Thema, das Kerstin Köditz, Sprecherin der Linksfraktion für Antifaschistische Politik im Sächsischen Landtag, seit Jahren umtreibt: Warum Rechtsextreme und sogenannte Reichsbürger in Sachsen ganz rechtmäßig Schusswaffen besitzen dürfen, obwohl sie ganz eindeutig den Staat und die Demokratie infrage stellen. Sie fragt deshalb immer wieder nach – und ist von den Antworten immer wieder enttäuscht.

So auch jetzt wieder. Denn in Sachsen darf nach wie vor eine dreistellige Zahl von Neonazis und Reichsbürgern legal über Schusswaffen verfügen. Das ist das Ergebnis der neuesten Anfrage von Kerstin Köditz zu diesem Thema (Drucksache 7/11939) an die Sächsische Staatsregierung. Demnach waren Mitte 2022 mindestens 105 Personen, die der „rechtsextremistischen Szene“ (93) oder dem Spektrum der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ (12) zugerechnet werden, im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis.

Dass der Staat sich selbst die Latte hoch gelegt hat, zeigt schon die einführende Erläuterung in der Antwort von Innenminister Armin Schuster: „Nach dem Waffengesetz (WaffG) begründet (nur) der Nachweis, dass der/die Betroffene einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung einschlägig Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt hat, die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit.“

77 Überprüfungen im Jahr 2022

Das Zurechnen zur rechtsextremen Szene bzw. der Szene der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ genügt also nicht. Was dann dazu führt, dass etliche Überprüfungsanträge abschlägig beschieden werden.

Oder mit den Worten aus der Antwort des Innenministeriums: „Die Waffenbehörden haben im Jahr 2022 insgesamt 77 Personen auf ihre waffenrechtliche Zuverlässigkeit überprüft, bei denen Hinweise über Bezüge zum Rechtsextremismus und/oder zu ‚Reichsbürgern und Selbstverwaltern‘ vorlagen.

In 36 Fällen führten die Überprüfungen zum Widerruf bzw. zur Rücknahme der waffenrechtlichen Erlaubnisse, welche die Abgabe der erlaubnispflichtigen Waffen zur Folge hatte. Darüber hinaus verzichteten fünfzehn Personen infolge einer Anhörung freiwillig auf ihre Erlaubnisse und Waffen. Weiterhin wurden acht Anträge infolge einer Anhörung zurückgezogen und drei Anträge abgelehnt.“

Aber die Zahlen zeigen immerhin auch, dass der Kontrolldruck zugenommen hat. Die kommunalen Waffenbehörden sind aufmerksamer geworden, was den extremistischen Hintergrund von Antragstellern betrifft.

Kontrolldruck angestiegen

„Neuere Daten, die ich angefordert hatte, befinden sich noch in Prüfung“, teilt dazu der zuständige Innenminister Armin Schuster (CDU) mit. „Der Grund sind nicht näher bezeichnete ‚behördliche Abstimmungen‘. Aber auch nach vorläufiger Sicht bewegt sich der Freistaat weiter auf dem hohen Niveau der Vorjahre. Zum Vergleich: 2021 war von 118 und 2020 von 106 einschlägigen Personen die Rede“, zieht Kerstin Köditz ihr Fazit.

„Gut ist, dass der Kontrolldruck angezogen wird. So wurden im Verlauf des vergangenen Jahres insgesamt 77 Personen, zu denen Hinweise auf Neonazi- oder Reichsbürger-Bezüge vorlagen, auf ihre waffenrechtliche Zuverlässigkeit überprüft. In 36 Fällen führte das zum Entzug bereits erteilter Erlaubnisse und der Abgabe von Waffen. Weitere 15 Personen waren dazu nach einer Anhörung freiwillig bereit. Zudem wurden einige Anträge zur Erteilung neuer Erlaubnisse erfolgreich abgeblockt. Zuletzt betrieben die Waffenbehörden zu 29 Personen eine ‚weitere Sachverhaltsaufklärung‘, wie es bei der Beantwortung einer zusätzlichen Anfrage heißt (Drucksache 7/11940).“

Keine effektive Entwaffnung

Doch eine effektive Entwaffnung der extremen Rechten gelinge unterm Strich trotzdem – und seit Jahren – nicht, betont Köditz: „Der Grund ist das Landesamt für Verfassungsschutz: Dort vorliegende Erkenntnisse werden an die kommunalen Waffenbehörden ‚nur teilweise‘ weitergeleitet, wie es heißt. Der banale, aber gefährliche Grund: ,Geheime‘ Erkenntnisse hält man zurück.“

Nach aktuellen Daten aus dem Nationalen Waffenregister sind sachsenweit 88.817 waffenrechtliche Erlaubnisse ausgegeben, bei rund einem Viertel davon handelt es sich um den sogenannten Kleinen Waffenschein. Ende 2022 gab es im Freistaat 31.865 private Schusswaffenbesitzer (siehe Drucksache 7/11934).

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