Eigentlich ist das alles schon gesagt, geschrieben, in Bergen von Büchern dargelegt. Jede Nachrichtensendung erzählt davon, wie der Klimawandel heute schon zu immer neuen Extremen weltweit führt. In ihrer Arbeit als Wettermoderatorin beim MDR gehört das alles seit Jahren zu dem Stoff, mit dem Michaela Koschak den Zuschauern nahezubringen versucht, wie dramatisch sich unser Klima jetzt schon verändert. Aber es gibt da ein psychologisches Problem.

Denn viele Menschen fühlen sich von all den schlechten Nachrichten überfordert. Und erst recht von der Frage, wie die Menschheit diese dramatische Entwicklung eigentlich überleben soll. Wer kann denn da eigentlich adäquat handeln? Was hat das mit unserem Lebensstil zu tun? Überfordert uns das nicht vollkommen?

Viele versuchen deshalb auch, das Problem irgendwie zu verdrängen. Von den sogenannten „Klimaleugnern“ und „Klimaskeptikern“ ganz zu schweigen, die selbst im Angesicht brennender Wälder, anhaltender Dürre, abschmelzender Gletscher und Eisschilde so tun, als wäre das egal, man könne einfach so weitermachen wie bisher. Aber um die geht es nicht. Denn Michaela Koschak weiß auch, dass viele Menschen trotzdem einfach Angst haben vor dem, was da mit unserer Umwelt passiert. Und viele sind schlichtweg überfordert – ihnen gehen selbst die Gesetze der Bundesregierung zu weit, obwohl die hinten und vorne nicht reichen, Deutschland tatsächlich zu einem klimaneutralen Land zu machen.

Gute Vorsätze …

Aber was kann ich selbst tun?

Das ist die Frage, die Michaela Koschak sich und ihren Lesern stellt. Und deswegen ist ihr Buch ein klein wenig anders als so viele andere wichtige Bücher zum Klimawandel. Die Autorin erzählt darin nicht nur, wie der Klimawandel funktioniert und welche Folgen er weltweit hat. Sie erklärt auch, was getan werden kann, wenn man selbst seinen Beitrag zur Klimaerwärmung senken will.

Wobei es ja den bekannten Neujahrseffekt gibt, den alle kennen. Man nimmt sich Großartiges vor, was man im neuen Jahr unbedingt schaffen will. Und dann hält man es nicht durch, schafft nur ein bisschen, verliert irgendwann die Geduld mit sich und gibt auf.

Michaela Koschak hat dabei den Vorteil: Sie hat in ihrer Arbeit als Moderatorin nicht nur mit allen möglichen Leuten gesprochen, die sich schon intensiv mit der Forschung zum Klimawandel beschäftigen, und solchen, die an Lösungen im Großen und im Kleinen arbeiten. Denn wir stehen ja nicht beim Stand Null. Auch das ist vielen Menschen gar nicht bewusst. Wir müssen gar keine neuen Technologien erfinden, die am Ende nicht das bringen, was sie sollen. Auch wenn einige Leute immer wieder behaupten, die Lösung läge in der Kernfusion, in den eFuels oder in der CCS-Technologie.

Die Michaela Koschak auch erwähnt. Aber zur Wahrheit gehört: Diese Technologien werden nichts bringen, sind nur marginal oder kommen erst in vielen Jahrzehnten. Sie sind Augenwischerei und lenken davon ab, dass es längst hunderte anderer Möglichkeiten gibt, unsere Welt klimafreundlich zu machen, die Klimaerhitzung zu bremsen und damit der Menschheit den Hintern zu retten.

Denn darum geht es.

Wie Veränderung beginnt

Und das ist das Andere, was Michaela Koschak eben auch schon ausprobiert hat: In ihrer eigenen Familie damit zu beginnen, alte, fossile Gewohnheiten zu ändern. Immer ein bisschen. Denn so beginnt tatsächlich Veränderung.

Und das genau rät sie ihren Leserinnen und Lesern nach jedem einzelnen Kapitel, in dem sie den Stand der Dinge zusammenfasst. Die dramatischen Fehlentwicklungen benennt. Und dann auf die Möglichkeiten kommt, wie man selbst aus der lähmenden Haltung des „Ich kann ja doch nichts tun“ herauskommt.

Da ist sie auch nicht allein. Im Buch interviewt sie zwei Akteure, die ihre Medienpräsenz schon lange nutzen, um die Menschen zum Umdenken zu bewegen – Sven Plöger und Eckart von Hirschhausen. Da wird dann auch noch deutlicher, dass es tatsächlich ums eigene Leben geht. Denn die steigenden Temperaturen belasten auch unsere Gesundheit – sie verändern aber auch die Pflanzen- und Tierwelt. Und sie öffnen einwandernden Schädlingen Tür und Tor. Wie eben der Tigermücke, mit der dann auch tropische Krankheiten nach Deutschland kommen, die man bislang eher nur von Kontinenten wie Afrika kannte.

Das kann schon Angst machen. Denn es ist eine doppelte Belastung – einerseits die Notwendigkeit, sich jetzt an zunehmende Hitze und Dürre mit all ihren Folgen anzupassen. Und gleichzeitig zu wissen, dass der verschwenderische Lebensstil der Konsumgesellschaft der Haupttreiber für die Erderhitzung ist. Und da sind wir mittendrin. Was tun?

Die Rückgewinnung eines selbstbestimmten Lebens

Michaela Koschak hat den Vorteil, dass sie keine Politikerin ist, dass sie ihre Leserinnen nicht zu einem Alles oder Nichts auffordern muss. Oder gar zum schleunigsten Verwandeln in vorbildliche Klimaschützer. Das klappt sowieso nicht, wie eigentlich jeder von seinen Silvestervorsätzen weiß.

Aber mit dem Buch kann jeder sein Bewusstsein für die großen klimatischen Vorgänge wachhalten. Wenn ihn wieder einzelne Stichworte wie „Hitzefalle Stadt“, Lebensmittelverschwendung, ausgetrocknete Flüsse, Waldbrände oder der Streit um die Windkraft aus den Nachrichten piesacken, kann er das entsprechende Kapitel aufblättern, sich kundig machen – und dann mit den nachfolgenden kleinen Ratschlägen von Michaela Koschak überlegen, was er selbst im eigenen Leben und Handeln ändern kann. Denn wenn man so darüber nachzudenken beginnt, fängt man auch an, das eigene Leben wieder als selbstgestaltet und selbstbestimmt zu empfinden.

Denn das ist das wohl größte Handicap in unserer Wohlstandsgesellschaft mit ihren vielen konservativen Politikern, die es geradezu für unmöglich erklären, dass daran irgendetwas geändert werden kann – wegen der Wirtschaft, der Arbeitsplätze, der Wettbewerbsfähigkeit … Alles hohle Floskeln, die verbergen, dass es DIE Wirtschaft gar nicht gibt, dass fossile Großkonzerne völlig andere Ziele haben als die vielen mittelständischen Unternehmen, die längst Umwelttechnologien produzieren – oder regionale Nahrungsmittel und andere fair und nachhaltig hergestellte Produkte.

Was wollen wir wirklich vom Leben?

Da lohnt es sich schon, sich ein bisschen näher mit der Herkunft all der Konsumprodukte zu beschäftigen, die uns die Werbung täglich aufschwatzen will. Und mit so elementaren Fragen wie: Was wollen wir wirklich? Was macht unser Leben wirklich reich und erfüllend? Und was frisst eigentlich unsere Zeit, unsere Kraft, unsere Aufmerksamkeit? Macht uns also zu Hamstern in einem Laufrad, die vor lauter Raserei schon gar nicht mehr merken, wie sehr ihr Leben durch andere fremdbestimmt ist? Und dass die Momente des Geerdetseins, des wirklich intensiven Daseins kaum noch Platz haben in diesem permanenten Rasen?

Ja, was tun? Und wie viel? Und mit welcher Kraft eigentlich noch?

„Nicht immer konsequent bleiben und Rückfälle haben, nicht doch irgendwann den Kopf in den Sand stecken oder ganz schleichend wieder in alte Gewohnheiten fallen, ist ganz normal und menschlich“, schreibt Michaela Koschak. „Ich glaube, wir sollten Nachsicht mit uns selbst haben und uns nicht zu viel vornehmen, dann sind wir nicht enttäuscht, wenn wir es nicht schaffen.“

Gern nennt sie das Thema Fleischverzehr. Und die Wahrheit ist natürlich, dass ein Verzicht auf Fleisch sofort gewaltige Wirkungen hat auf eine Landwirtschaft, die heute zu den größten Produzenten klimaschädlicher Gase gehört, die Böden überdüngt und riesige Flächen allein dafür nutzt, um eine Massentierhaltung in Gang zu halten, die einen enormen Fleischbedarf abdeckt. Wenn man das Thema nur erwähnt, kommen in der Regel alle Grillmeister aus der Ecke und heulen, man wolle ihnen den verdienten Fleischverzehr verbieten.

Stichwort: Verbieten

Das ist das Stichwort. Es taucht immer auf, wenn sich jemand Gedanken darüber macht, was man ändern könnte. Dann kommen die ganzen Denkunwilligen und behaupten, man wolle ihnen alles verbieten.

Dabei ist das eine ganz persönliche Entscheidung. Und jeder kann für sich selbst entscheiden, ob er oder sie einfach mal anfängt mit einem fleischlosen Tag, vielleicht auch erst mal die Reichtümer der vegetarischen Küche ausprobiert. Mit kleinen Änderungen fängt es an. Wenn man sie zur Gewohnheit macht, hat man schon den ersten Schritt getan und merkt, dass die Welt davon ganz bestimmt nicht untergeht.

Dasselbe kann man beim Kauf seiner Kleidung machen, einfach anders einkaufen, haltbarer oder gleich ganz second hand. Was bei Kindern sowieso eine klügere Lösung ist, so schnell, wie die Knirpse aus ihren Klamotten wachsen. Teilen und Tauschen sind in einer Stadt wie Leipzig längst etabliert. Man lernt auch noch Leute kennen, die sich ganz ähnliche Gedanken machen über die Welt.

Beim Fischverzehr geht es weiter, beim Energieverbrauch sowieso. Mittlerweile rückt auch der Wasserverbrauch ins Zentrum der Diskussion. Und bei der Mobilität stellt sich endgültig die Frage, ob man sich nicht einfach die Freiheit nimmt, von der Vernarrtheit in das eigene Automobil Abschied zu nehmen. Es gibt längst überall Carsharing und Leihfirmen. Wer weniger Überflüssiges kauft, hat auch weniger Müll. Und es gibt immer mehr Menschen, die sich Gedanken darüber machen, was eigentlich mit unseren riesigen Müllmengen passiert.

Die sich aber auch beginnen, für Moore zu interessieren, revitalisierte Flüsse und Wälder, die mit dem Hitzestress der kommenden Jahrzehnte zurecht kommen.

Zu klein zum handeln?

Natürlich ist das Thema groß. Wer sich wirklich für die Rolle des Klimas und die Folgen der Erderhitzung interessiert, merkt ziemlich schnell, dass das Problem erdumspannend ist und eigentlich die ganze Menschheit daran arbeiten müsste, die Folgen zu mindern und das Überlebe der Menschheit zu sichern. Denn wenn immer mehr Regionen überhitzen und dort Leben nicht mehr möglich ist, destabilisiert das auch die Länder und immer mehr Menschen werden auf die Flucht gehen in Regionen, in denen noch nicht alles Wüste ist.

Das kann man immer mitdenken. Auch wenn die eigenen Handlungsmöglichkeiten begrenzt sind. Aber im eigenen Lebensumfeld kann man immer etwas tun. Man kann es sich schön portionieren. Hier ein wenig ändern , da ein wenig. Manchmal sind es ja auch die Kinder, die ihre Eltern nerven. Und damit Dynamik in Familien bringt. Aber wenn alle überlegen, was gemeinsam möglich ist, kommt man schneller auf Lösungen, als wenn man die Reaktion auf die Klimaveränderung als politisches Schlachtfeld betrachtet.

Ich schreibe jetzt nicht hierhin, was ich von Politikern halte, die mit ihrem Verstocktsein erst Fronten aufmachen und suggerieren, das Klima wäre ein politisches Schlachtfeld und es gäbe nur Schwarz und Weiß.

Das ist eben so nicht. Es ist schlicht der umgebende Raum, in dem wir alle uns verorten und wo wir mithelfen können, dass wir tatsächlich einmal eine Welt bekommen, in der wir uns wieder versöhnen mit der geschundenen Natur um uns. Denn es sind ja nicht nur Flüsse, die austrocknen, und Gletscher, die verschwinden und in absehbarer Zeit Wintersport unmöglich machen. Auch die Artenvielfalt geht gerade kaputt. Immer mehr wichtige Tiere, Pflanzen und Insekten verschwinden in aller Stille, weil wir eine rabiate Übernutzung der Umwelt betreiben.

Der wirkliche Reichtum in unserem Leben

Aber unser Blick verändert sich, wenn wir Michaela Koschaks Empfehlungen berücksichtigen, lieber mit kleinen Veränderungen in unserem eigenen Leben zu beginnen. So ernten wir kleine Erfolgserlebnisse und merken, dass es klappt und dass wir dabei sogar eine Bereicherung erleben. Auch weil wir merken, dass wir gar nicht starr an alten Gewohnheiten festhalten müssen. Da kann uns das Gerede anderer Leute völlig egal sein. Wir selbst müssen uns wohlfühlen mit dem, was wir tun. Und dabei auch den Blick wiedergewinnen für all die Reichtümer des Lebens, die man sich nicht im Supermarkt kaufen kann und muss.

Je mehr Menschen nur ein bisschen in ihrem Verhalten ändern, umso größer sind die Auswirkungen in der Summe. Und umso schneller ändern sich auch die Vorstellungen vom Normalen. Immer mehr Menschen denken über CO2-neutrale Reisen nach, verzichten auf Flüge, fahren lieber mit 49-Euro-Ticket in die heimischen Urlaubsgebiete. Immer mehr greifen lieber zu Regionalprodukten, flicken ihre Lieblingshose oder kaufen sich – wie Michaela Koschak – ihre Bücher in gebrauchtem Zustand.

Jedenfalls hat Michaela Koschak ihr Buch mit vielen Tipps gespickt, die fast alle auf eigener Erfahrung beruhen und davon erzählen, wie man einfach selbst wieder das Heft des Handelns in die Hand nehmen kann und – statt sich verzweifelt die Haare über den Klimawandel zu raufen – selbst etwas tut, um das eigene Leben klimafreundlicher zu gestalten. Und das Buch zeigt auch, dass es sehr viele Lebensbereiche gibt, in denen man handlungsfähig ist.

Wenn Politiker Ohnmacht verbreiten

Man muss auf keine trantütigen Minister warten und auch nicht darauf, dass ein fossiler Konzern endlich seine Arbeitsgrundlage ändert. Und ganz am Schluss benennt Koschak auch noch einmal das Gefühl, das so viele daran hindert, den Anfang zu machen: das Gefühl, versagt zu haben. Denn Menschen lassen sich ungern immer wieder sagen, dass sie schuld daran sind, dass unsere Welt verbrennt. Denn zur Wahrheit gehört eben auch, dass wir jahrzehntelang Regierungen gewählt haben, die sich darauf ausgeruht haben, von Klimaschutz und Klimaneutralität zu reden, ohne tatsächlich etwas an den Rahmenbedingungen zu ändern.

Dabei müssen sie gar nicht mit Verboten arbeiten. Aber sie sollten ihren Wählerinnen und Wählern das Gefühl geben, dass Veränderungen nichts Schlechtes sind, sondern das Lebenselixier jeder Gesellschaft. Doch genau das tun die wenigsten. Die Mehrzahl schürt lieber Empörung und spielt das Spiel der Skandalisierung.

Da kann man natürlich abschalten – und sollte man wohl auch. Und sich auf den eigenen Lebenskreis konzentrieren, wo man immer etwas ändern kann. Und vieles, was man ändern kann, erhöht sogar das Wohlergehen und verbessert das Wohlbefinden – auch ein geringerer Fleischverzehr, um das zumindest noch zu erwähnen. „Es hört sich komisch an, aber ich glaube, oft ist weniger mehr“, stellt Michaela Koschak fest. „Es muss nicht immer höher, schneller und weiter gehen, wir sollten uns als Menschen wieder etwas zurücknehmen und vor allem der Natur gegenüber demütig zeigen. Das tut unserer Seele gut.“

Es ist ein Buch, das – mit den notwendigen Erklärungen zu allem, was im Klimawandel passiert – ermutigt, sich selbst wieder als handelnder Mensch zu begreifen und die Dinge zu ändern, die in unserer Macht sind, Stück für Stück, immer ein bisschen. Und nach und nach werden daraus neue Gewohnheiten, die uns bestätigen, dass wir es können.

Darum geht es letztlich: Das Aufbrechen des so lähmenden Gefühls, das so viele Menschen haben, weil die durchaus dramatische Lage sie verängstigt. Aber kein Leben ist zu klein, um es nicht zu verändern und das eigene Wissen darum zu stärken, dass wir selbst entscheiden, wie wir leben wollen und wie sehr wir unserer Umwelt zur Last fallen wollen – oder ihr helfen. Das hat jeder und jede selbst in der Hand. Das ist die Botschaft dieses Buches.

Michaela Koschak „Hitze, Flut und Tigermücke“, Herder Verlag, Freiburg 2023, 20 Euro.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar