Lina E. (27) wird sich demnächst vor Gericht verantworten müssen. Die Bundesanwaltschaft teilte am heutigen Freitag, 28. Mai, mit, gegen die Connewitzerin und drei weitere Beschuldigte bereits am 14. Mai Anklage vor dem Oberlandesgericht Dresden erhoben zu haben. Dem Quartett wird neben anderen Straftaten die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.

Lina E. soll sich spätestens im August 2018 einer spätestens zu diesem Zeitpunkt in und um Leipzig gegründeten linksextremistischen Vereinigung angeschlossen haben, heißt es in der Anklageschrift. Ausschlaggebend für diese Vereinigung sei eine von allen Mitgliedern geteilte militante linksextremistische Ideologie gewesen, die eine Ablehnung des bestehenden demokratischen Rechtsstaates, des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung sowie des staatlichen Gewaltmonopols beinhaltet.

Vor diesem Hintergrund habe die überregional vernetzte Vereinigung gewaltsame Angriffe gegen Personen durchgeführt, die aus ihrer Sicht der rechten Szene angehörten. Diese seien für gewöhnlich intensiv vorbereitet worden. Sie schlossen etwa im Vorfeld die Ausspähung der Lebensgewohnheiten der ausgewählten Tatopfer ein.

Lina E. hätte innerhalb der Gruppe eine herausgehobene Stellung eingenommen. „Unter anderem übernahm sie bei körperlichen Übergriffen das Kommando, bereitete deren Ausführung vor und stellte ihr Kraftfahrzeug als Fluchtmittel zur Verfügung“, teilte Pressesprecher Markus Schmitt am Freitag mit. Mit auf der Anklagebank werden drei Männer sitzen: Jannis R. und Jonathan M. sollen sich der Vereinigung spätestens im September 2019 angeschlossen haben. Lennart A. sei spätestens im Dezember 2019 Mitglied geworden.

Konkret wirft der Generalbundesanwalt der Gruppe die Beteiligung an einer Vielzahl an Straftaten vor. Am 30. Oktober 2018 soll die Vereinigung zu fünft den Lok-Hooligan Cedric S. in Wurzen überfallen haben. Das Opfer wurde zunächst durch Sprünge in den Rücken zu Fall gebracht und gewürgt. Sodann erfolgten Schläge unter anderem gegen den Oberkörper und den Kopf des am Boden liegenden Geschädigten mit Fäusten und Teleskopschlagstöcken. Dies führte zu erheblichen, potentiell lebensbedrohlichen Verletzungen.

„Lina E. unterstützte die Tatausführung, indem sie vorab die Umgebung des Tatorts auskundschaftete“, erklärte Schmitt. Cedric S. hatte sich an dem koordinierten Neonazi-Überfall auf Leipzig-Connewitz am 11. Januar 2016 beteiligt. Damals hatten über 200 Rechtsextremisten in dem linksalternativen Quartier einen ganzen Straßenzug verwüstet.

Am 8. Januar 2019 soll Lina E. zusammen mit vier weiteren Angreifern eine körperliche Attacke auf einen Kanalarbeiter in Leipzig-Connewitz verübt haben. Tobias N. wurde mittels Faustschlägen zu Boden gebracht und dort mit zusätzlichen Tritten sowie dem Einsatz eines Schlagwerkzeugs gegen Kopf und Rumpf massiv, potentiell lebensgefährlich verletzt.

Während des Angriffs habe Lina E. unbeteiligte Anwesende mit einem vorgehaltenen Reizstoffsprühgerät davon abgehalten, dem Geschädigten zu Hilfe zu eilen. Dem Opfer wurde zum Verhängnis, dass er in Connewitz die Mütze einer Modemarke trug, die in der rechten Szene beliebt ist.

Am 19. Oktober 2019 sollen die Angeschuldigten Lina E., Jannis R. und Jonathan M. zusammen mit etwa zehn bis 15 weiteren Personen einen Anschlag auf den Inhaber und fünf Besucher des Neonazitreffs „Bull’s Eye“ in Eisenach verübt haben. Lina E. und Jonathan M. seien mit einem Teil der anderen Mittäter in die Gaststätte eingedrungen. Anschließend griffen sie ihre Opfer unter anderem mit Schlagstöcken, Reizstoffsprühgeräten und Faustschlägen an und fügten ihnen hierdurch zum Teil erhebliche Verletzungen zu.

Zudem zerstörten sie mehrere Fensterscheiben und Teile des Inventars. Währenddessen hätten Jannis R. und andere Personen aus der Gruppe der Angreifer den Zugang zur Gaststätte bewacht, um eine ungestörte Ausführung des Anschlags zu gewährleisten.

Mutmaßlich zur Vorbereitung eines weiteren körperlichen Angriffs auf Wirt Leon R. entwendete Lina E. am 13. Dezember 2019 aus einem Leipziger Baumarkt zwei Hämmer. Nach dem Verlassen des Kassenbereichs wurde sie von einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes angehalten. Um zu entkommen sowie die Hämmer zu behalten, versetzte Lina E. dem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes einen Stoß in den Bauch und riss sich von ihm los. Kurze Zeit später konnte sie trotzdem gestellt werden.

Trotz dieses Rückschlags soll die Studentin zusammen mit mindestens sieben weiteren Angreifern, darunter Lennart A., den von der Vereinigung für den 14. Dezember 2019 geplanten Angriff in die Tat umgesetzt haben. Hierzu soll die Gruppe die Gaststätte observiert haben und Leon R. in jener Nacht bis zu dessen Wohnung in Eisenach gefolgt sein. Dort soll Lina E. ein Reizstoffsprühgerät gegen den Geschädigten eingesetzt haben, während die anderen Mittäter mit Schlagstöcken, einem Hammer, einem Radschlüssel und Stangen auf ihn einschlugen.

Anschließend griff die Gruppe auch die drei Begleiter des Opfers an, die sich in ihr Kraftfahrzeug geflüchtet hatten. Mit ihren Schlagwerkzeugen beschädigten die Angreifer zunächst den Pkw. Sodann versprühten sie durch zertrümmerte Scheiben Reizstoff in das Fahrzeuginnere und schlugen vielfach mit Fäusten auf die Geschädigten ein. Zudem rammten sie ihre mitgeführten Stangen und Schlagstöcke wiederholt in Richtung der Geschädigten. Diese wurden dabei erheblich verletzt.

Lina E. soll die Aktion kommandiert und zusammen mit Lennart A. für deren Koordination gesorgt haben. Jonathan M. stellte hierfür ein Fahrzeug zur Verfügung. Nach dem Angriff sollen beide mit dem PKW von Lina E. geflüchtet sein, an dem sie zuvor entwendete Kennzeichen angebracht hatten.Am 15. Februar 2020 sollen sich Lina E., Jannis R. und Jonathan M. als Teil einer aus insgesamt etwa 15 bis 20 Personen bestehenden Gruppe an einem Überfall auf sechs Personen am Bahnhof in Wurzen beteiligt haben. Die Opfer befanden sich auf dem Rückweg von einer rechtsextremen Gedenkveranstaltung in Dresden und gehörten zum Teil dem äußeren Anschein nach zur Neonazi-Szene. Zur Ausführung der Tat sollen Lina E. und ein weiterer Mittäter die später Geschädigten auf deren Zugfahrt von Dresden nach Wurzen überwacht haben. Während der Zugfahrt habe E. die anderen in Wurzen postierten Mittäter fortlaufend telefonisch über den Reiseverlauf informiert.

Dort angekommen, wurden die Opfer von den ihnen zahlenmäßig überlegenen Angreifern, darunter sollen sich Jannis R. und Jonathan M. befunden haben, aus einem Hinterhalt abgepasst. Als sie die Flucht ergriffen, setzten ihnen die Täter mit Schlagwerkzeugen und Pfefferspray nach. Vier Neonazis wurden unter anderem mit gegen den Kopf zielenden Schlagstock- und Faustschlägen zu Boden gebracht. Am Boden liegend erhielten sie Tritte gegen den Kopf sowie weitere Schläge mit Teleskopschlagstöcken. Hierdurch erlitten sie erhebliche, potentiell lebensgefährliche Verletzungen. Lina E. soll zu dem Überfall auch insoweit einen Beitrag geleistet haben, als sie anderen Mittätern ihren PKW zur An- und Abreise vom Tatort zur Verfügung stellte.

Schließlich soll das Quartett zusammen mit anderen Mitgliedern der Vereinigung für den 8. Juni 2020 einen körperlichen Übergriff auf einen rechten Kampfsportler in Leipzig geplant haben. Hierzu sollen Lina E. und Jannis R. einige Tage zuvor die Lebensumstände des Mannes ausgekundschaftet haben. Dabei hätten sie sich auch Zutritt zur Wohnanschrift sowie zu Nachbarhäusern verschafft.

Für weitere Ausspähaktionen soll Lina E. sogar ein Fahrzeug angemietet haben. Am ausersehenen Tattag hätten sich Lina E., Lennart A., Jannis R. und Jonathan M. zum Einsatz bereit gehalten. Bedingt durch polizeiliche Gefahrenabwehrmaßnahmen habe der Angriff jedoch nicht wie geplant durchgeführt werden können.

Lina E. befindet sich seit ihrer Festnahme am 4. November 2020 ununterbrochen in Haft. Ihre drei Mitangeklagten sind auf freien Fuß.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Es gibt 2 Kommentare

Ist doch wirklich seltsam, habe so eine “ausführliche“ Anklageschrift noch nie gehört oder gelesen, wenn Rechtsextreme Straftaten begangen haben oder sogar Morde! Auch der Beitrag im MDR war etwas eigenartig. Ob die Staatsanwaltschaft so einen Deal mit Lina aushandelt, wie mit den Neonazis?

Glaubt die Bundesanwaltschaft eigentlich selbst an diese Räuberpistole? Von Rechtsextremen liest man so ausführliche detailreiche Tathergänge gefühlt selten. Anscheinend sind Rechtsextreme doch die netteren Straftäter?!?

Ich lese mir das echt mehrmals durch und sehe Lina immer nur mit ihrer Sprühpistole an der Seite stehen, während ihre Kerle auf die Opfer eindreschen. Die Kerle sind auf freiem Fuß, Lina sitzt ein. Muss ich das verstehen?

Schreiben Sie einen Kommentar