Auch das gibt es, dass ein Dezernent in der Ratsversammlung ans Pult tritt und händeringend darum bittet, dass eine wichtige Abstimmung noch einmal in die nächste Ratsversammlung verschoben wird. So geschehen am 18. Januar mit dem eigentlich überfälligen Baubeschluss zur Dieskaustraße. Aber kurz vor Ultimo hatte die SPD-Fraktion noch schnell einen Änderungsantrag eingereicht. Einen nur zu verständlichen.

Aber er geht ans Eingemachte. Denn im Abschnitt zwischen Huttenstraße und Anton-Zickmantel-Straße haben die Planer keinen Radweg untergekriegt. Das geht eigentlich nicht in einer Zeit, in der Leipzig die Mobilitätswende schaffen muss und ein durchgehendes Radwegenetz gerade an Hauptverkehrsstraßen dafür die Grundlage schafft.

„Die Planung ist im Abschnitt an der Kreuzung Huttenstraße zwischen Anton-Zickmantel-Straße und Brückenstraße zu überarbeiten. Es ist ein beidseitig durchgehender Radstreifen einzuordnen. Die Gehwegnase und neu geschaffenen Parkflächen entfallen. Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, ob Parkflächen in den Nebenstraßen eingerichtet werden können, insbesondere in der Huttenstraße“, hatte deshalb die SPD-Fraktion als Änderungsantrag eingebracht. „Die Ergebnisse werden dem FA Stadtentwicklung und Bau vorgelegt.“

Doch das Problem dabei: Der Änderungsantrag erschien erst am 17. Januar im Ratsinformationssystem, einen Tag vor der Ratsversammlung am 18. Januar.

Alles noch einmal aufschnüren?

Und das stürzte Baubürgermeister Thomas Dienberg in ein riesiges Dilemma. Denn an der Komplexmaßnahme Dieskaustraße wird seit 2012, also schon volle zehn Jahre, geplant. Und als der Planungsbeschluss 2020 gefasst wurde, wurden schon diverse Änderungsanträge aufgenommen. 2023 aber soll gebaut werden.

Die Ausschreibungen sind raus, betonte Thomas Dienberg am Rednerpult, an dem er aber dringend darum bat, die Abstimmung über den Baubeschluss noch einmal zu vertagen. Denn er fürchtete, der SPD-Änderungantrag würde an diesem Tag ebenfalls eine Mehrheit bekommen. Dann hätte die Planung im ganzen betroffenen Bauabschnitt noch einmal aufgemacht werden müssen.

Normalerweise klären das die Bürgermeister im Vorfeld einer Ratsversammlung und bitten den OBM, den Beschlusspunkt von der Tagesordnung zu nehmen. Aber das ist nicht geschehen. Sodass OBM Burkhard Jung dann es auf seine Kappe nehmen musste, einen Absetzungsantrag zu stellen, über den der Stadtrat befinden musste.

Was nun wieder FDP-Stadtrat Sven Morlok nicht gefiel, der sich so sehr auf seine Rede zum Antrag gefreut hatte. Aber die Argumente, die Thomas Dienberg vorgebracht hatte, waren für die Mehrheit der Ratsversammlung schlüssig. Er sieht keine Chance, den Wunsch der SPD noch in die Planungen einzubauen.

Auch wenn er das Anliegen für verständlich hält.

Ein nur zu berechtigter Wunsch

„Für über 20 Mio. Euro soll ein wesentlicher Abschnitt der Dieskaustraße, die als einzige Hauptverkehrsader den Leipziger Südwesten als Wohngebiet und das Naherholungsgebiet Cospuden anbindet, saniert und umgestaltet werden. Mit den vorliegenden Planungen wird für diese wichtige Verkehrsader in den Leipziger Südwesten die Gestaltung des Verkehrs auf Jahrzehnte festgelegt“, hatte die SPD-Fraktion ihren Vorstoß in letzter Minute begründet.

„Entgegen allen grundsätzlichen Beschlusslagen, den Umweltverbund gezielt zu fördern, die Mobilitätswende zu gestalten und nachhaltige Verkehrsangebote zu schaffen, wird es mit der vorliegenden Planung keine durchgehende Radverkehrsanbindung des Leipziger Südwestens und damit der Wohngebiete und des Cospudener Sees geben.

Vor der Oberschule in Großzschocher soll der bestehende Radweg sogar zugunsten von Parkplätzen zurückgebaut werden, um neue, bisher nicht vorhandene Parkplätze zu schaffen. In stadtauswärtiger Richtung soll es laut der Planung eine gesonderte Abbiegespur in die Huttenstraße geben, obwohl dort schon heute kaum Fahrzeuge abbiegen.

In stadteinwärtiger Richtung nach der Kreuzung Huttenstraße stehen für Radfahrende nur 45 cm Raum zwischen Geländer am Straßenrand und der Straßenbahnschiene zur Verfügung. Es würde eine für Radfahrende nicht nutzbare und höchst gefährliche Infrastruktur entstehen. Auch weiterhin könnte kein Kind diesen einzigen Schulweg zur Oberschule nutzen. – Die vorliegende Planung ist in diesen Punkten nicht akzeptabel, unausgereift und entspricht nicht den Vorgaben für sichere Radinfrastruktur des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr.“

Straßenbahngleise verhindern Radweg

Doch in dem engen Straßenabschnitt, so Dienberg, hätten es die Planer schlichtweg nicht hinbekommen, auch noch einen sicheren Radweg unterzubringen. Das Hauptproblem scheinen die Gleise der Straßenbahn zu sein, die hier aus der Huttenstraße in die Dieskaustraße einbiegt. Die Gleiskurve macht augenscheinlich das Unterbringen eines Radweges unmöglich.

Warum das so ist und an den Planungen jetzt kurz vor Baubeginn nichts mehr geändert werden kann, will Dienberg deshalb im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau noch einmal ausführlich erläutern. Und so die Stadträte dafür gewinnen, dem Bauvorhaben in der vorgelegten Form zuzustimmen. Denn eine mögliche Folge könnte durchaus sein, dass ein ganzes Ausschreibungspaket noch einmal aufgeschnürt werden muss oder gar der geplante Bauablauf über den Haufen geworfen wird.

Die Ratsmehrheit folgte dem Wunsch von OBM Burkhard Jung, die Vorlage nun doch noch einmal von der Tagesordnung zu nehmen und in der Ratsversammlung im Februar zu beschließen. Das Ergebnis: 46:9 Stimmen bei vier Enthaltungen.

In gewisser Weise war das auch ein Novum. Denn hier wurde in der Ratsversammlung auch einmal sichtbar, dass auch ein Bürgermeister in Nöte kommen kann, wenn eine Fraktion noch im letzten Moment einen Änderungsantrag zu einem seit zehn Jahren geplanten und diskutierten Bauprojekt einreicht. Welches auch damit umgehen muss, dass einige alte Straßenabschnitte teilweise so eng sind, dass man einfach nicht alles unterbekommt, auch keine Radwege. Auch wenn die auch in Großzschocher dringend gebraucht werden.

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Es gibt 2 Kommentare

@Christian,
dem stimme ich zu. Die verfügbare Breite zwischen Brückenstraße und Huttenstraße liegt bei 11,75m (3*3,75m Fahrspur, 2m Parkstreifen). Das aufgeteilt auf 2*1,60m Radweg (nebenbei soll der Radfahrstreifen im gesamten Bereich 1,60m breit sein, nur 10cm über dem Mindestmaß laut VwV-StVO und 25cm unter der Empfehlung VwV-StVO. Und das bei einer so breiten Straße… entäuschend. Dagegen die Fahrspuren 3,25m. Könnte man nicht die 25cm verschieben?), bleiben noch 8,55m für die 3 Spuren. Zwischen Bushaltestelle und Huttenstraße kommen die zwei stadtauswärtigen Spuren (linksabbieger und geradeaus) auf 5m. Das wäre also das Mindestmaß für 2 Spuren. Damit ginge hier mehr: z.B. 3,25m für die Einzelspur wie auch sonst und 5,3m für die zwei Spuren.

Zwischen Bushaltestelle und Huttenstraße ist in der Tat wenig Platz, aber wenn die Linksabbiegerspur entfiele (links abbiegen an dieser Stelle verbieten, da sonst verkehrsflussbehindernd) und der abmarkierte Bereich für die Straßenbahn etwas später anfinge, würde es auf der stadtauswärtigen Seite gehen. Stadteinwärts bieten die Gleise nicht genug Platz in der Lage wie sie geplant sind.

Offensichtlich will BM Dienberg versuchen, den Fachausschuss im Geheimen zu überreden, anstatt vor dem Stadtrat Stellung zu einer (jahrzehntelangen) schlechten Planung zu beziehen.

Die gesamte Dieskaustraße erhält Radwege.
Im Abschnitt Zickmantel – Hutten – Straße endet der Radweg aber aufgrund der Bushaltestelle und kommt auch nicht wieder;
im Abschnitt Hutten – Brücken – Straße gibt es ihn überhaupt nicht.
Obwohl sich zurzeit vor der Schule noch ein Radweg befindet!

Kühnerweise hat man im Verwaltungsdokument behauptet:
“Durch die separate Führung des Radverkehrs kann auch der ÖPNV beschleunigt werden, da der Radverkehr nicht mehr wie im Bestand abschnittsweise geschwindigkeitsbestimmend ist.”
Also eine teilweise Falschbehauptung. Und gerade dort mit Konsequenzen.

Noch seltsamer wird die Begründung etwas später im Dokument:
“Aufgrund … wird in diesem Bereich eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h angeordnet, somit sind aus verkehrsplanerischer Sicht Radverkehrsanlagen verzichtbar.”
???

Sämtlicher Straßenplatz wird für einen 3 spurigen MIV-Verkehr sowie neue Parkplätze verwendet.
Wie man dort einen Verkehrsfluss aufrecht erhalten will, wenn ständig auf einer Hauptverkehrs- und Zubringerstraße in Parkplätze rangiert werden muss / soll, würde mich interessieren.
Die gab es bisher auch nicht – und trotzdem Gewerbe.

Vor allem die gefährliche Radfahrsituation im Schienenbereich stadteinwärts kann eigentlich kein Verkehrsplaner geplant haben. Das ist genau der Zustand, wie er jetzt bereits besteht.

Hoffentlich lässt sich der FA nicht veralbern, der Änderungsantrag bestehen und bringt die fehlerhafte Planung noch einmal auf die Tagesordnung.

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