Seit Jahren wird um die Umgestaltung der Dieskaustraße gerungen, einer Straße, die vom Kaliber her in die Liga von Eisenbahnstraße, KarLi und Georg-Schumann-Straße gehört, wie Linke-Stadtrat Mathias Weber in der Stadtratssitzung am 9. Februar betonte. Aber als hätte es das harte Ringen in Stadtrat und Ausschuss nicht gegeben, wäre die Debatte an diesem Tag doch beinah wieder in eine Grundsatzdiskussion ausgeartet.

Eine Diskussion, die CDU-Stadträtin Sabine Heymann versuchte, als sie die Argumente der CDU-Fraktion noch einmal vorbrachte, die sich seit einiger Zeit immer vehementer gegen eine Umverteilung des Straßenraums für die schwächeren Verkehrsteilnehmer sträubt. Und das mal mit Hinweis auf den Wirtschaftsverkehr oder – wie in diesem Fall – mit Hinweis auf die Senioren, welche die Dienstleistungen in der Dieskaustraße nur mit eigenem Auto wahrnehmen könnten.

Der Baubeschluss für die Dieskaustraße.

Dass die Straßenvariante, wie sie jetzt von 2023 bis 2026 für knapp 22 Millionen Euro umgesetzt werden soll, ein Kompromiss ist, der nicht wirklich alle befriedigt, machte Grünen-Stadträtin Kristina Weyh noch einmal deutlich. Denn während Autofahrer zuallererst die wegfallenden Parkplätze sehen (die übrigens auch für dringend notwendige Baumstandorte „geopfert“ werden), sehen Radfahrer gerade im Abschnitt Huttenstraße/Anton-Zickmantel-Straße ihre Probleme nicht gelöst.

Und die Linksfraktion beklagt – wie Mathias Weber ausführte – die vor Jahren vertane Chance, die Brückenstraße zur Gerhard-Ellrodt-Straße zu verschwenken und damit den Ortskern von Großzschocher vor der 56. Oberschule und der Apostelkirche verkehrsberuhigt zu gestalten.

Leipzigs Baubürgermeister Thomas Dienberg wirbt für die gefundene Variante für die Dieskaustraße. Foto: Jan Kaefer
Baubürgermeister Thomas Dienberg wirbt für die gefundene Variante für die Dieskaustraße. Foto: Jan Kaefer

Aber Politik lebt von Kompromissen, wie Kristina Weyh betonte. Und manchmal erkennt man die Kompromisse genau daran, dass niemand wirklich zufrieden damit ist.

Wohin mit dem Radverkehr?

Auch die Verwaltung nicht. Was ja in der Januarsitzung deutlich wurde, als Baubürgermeister Thomas Dienberg etwas tat, was für einen Bürgermeister höchst ungewöhnlich ist: Er bat am Rednerpult dringend darum, die Entscheidung über die Dieskaustraße noch einmal zu vertagen, weil kurz vor Toressschluss die SPD-Fraktion noch einen Änderungsantrag eingebracht hatte.

Denn die Radverbindung nach Großzschocher wird auch nach Fertigstellung der Dieskaustraße ein Problem bleiben. Weshalb die SPD-Fraktion ein altes – zuvor immer wieder abgeschmettertes – Anliegen aus dem Stadtbezirksbeirat Südwest aufgriff und die Aufwertung der Radroute von Großzschocher über die Buttergasse und die Küchenholzallee beantragte.

Was dann in gewisser Weise schon das ist, was FDP-Stadtrat Sven Morlok in Erwägung zog. Denn da ja viele Leipziger Magistralen viel zu schmal sind, um alle heutigen Verkehrsansprüche gleichermaßen unterzubringen, könne man ja überlegen, etwa Radrouten parallel zu führen. Übrigens ein alter CDU-Gedanke, der aber zumeist daran scheitert, dass es diese parallelen Routen nicht gibt.

Das Baudezernat jedenfalls fand den SPD-Antrag berechtigt und will das Anliegen besserer Radverkehrsbedingungen prüfen. Der Änderungsantrag der SPD-Fraktion wurde also übernommen.

Der erbitterte Kampf um den Straßenraum

Sodass eigentlich nur noch die Frage stand, ob nun doch wieder eine breite Front von Autofahrern gegen den so mühsam errungenen Kompromiss stimmen würde, der eben auch von etwas erzählt, wogegen sich die CDU-Fraktion seit dem Auftritt von Claus-Uwe Rothkegel immer hartnäckiger sperrt: Dass es eigentlich nicht mehr darum geht, alle Verkehrsarten irgendwie in den engen Leipziger Straßenräumen unterzubringen, sondern der seit 70 Jahren dominierenden Verkehrsart ihr Primat zu nehmen – nämlich dem Kfz-Verkehr.

Der nimmt in ganz Leipzig den Löwenanteil des Straßenraumes für sich in Anspruch und wird gerade in den Magistralen oft mehrspurig geführt. Und für die Verteidiger des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) ist dieser Zustand eine Art Messlatte. Sie verbinden mit ihm auch Geschwindigkeit und Alltagsmobilität.

Auch wenn das im aktuellen Zustand des Straßenverkehrs immer wieder zu massiven Behinderungen für ÖPNV, Radverkehr und Fußgänger führt. Und Rothkegel hat es schon richtig erkannt: Mobilitätswende heißt am Ende, dass der Kfz-Verkehr Straßenraum abgeben muss.

Genau dieser Wechsel passiert gerade – in den Köpfen vieler Leipziger und auch in den Planungen der Stadt. Auch wenn das – wie bei der 2,4 Kilometer langen Dieskaustraße, die jetzt umgebaut werden soll – noch zu Kompromissen führt, die das Alte irgendwie mit dem Neuen verschmelzen.

Aber dazu habe es genug Diskussionen im Planungsausschuss gegeben, so Kristina Weyh, und genug Energie sei in die Kompromissfindung geflossen.

Sie sagte es nicht. Aber es steckte als Irritation in ihrem Redebeitrag: Dass die CDU-Fraktion die Gelegenheit schlicht einmal mehr dazu nutzte, um Aufmerksamkeit für ihren Kampf für die Automobilität zu generieren.

Aber damit stand die CDU-Fraktion an diesem 9. Februar so ziemlich allein da. 48 Stadträt/-innen stimmten dem Baubeschluss zur Dieskaustraße zu, nur 10 dagegen.

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