Woran liegt es? Am Geld? Am Willen? An Bäumen? Oder fehlt einfach der Plan? Im März thematisierten es die Grünen. Sie hatten die Zahlen bei der Verwaltung abgefragt. Und das Ergebnis war nicht nur ein deutlicher Baumverlust für die Stadt, angeheizt durch die zurückliegenden Dürrejahre. Auch die Neupflanzung von Straßenbäumen schafft die Stadt einfach nicht wie beschlossen. Jetzt macht der Ökolöwe Druck.

Bereits 2009 hatte sich die Stadt dazu verpflichtet, jährlich 1.000 neue Straßenbäume als Erstpflanzungen in Leipzig zu pflanzen – aufgrund beharrlicher Forderungen vom Ökolöwen. Seit 13 Jahren verfehlt die Stadt dieses Ziel um Längen. Wie kann das sein?

„Im Juni 2019 hatten wir Ökolöwen für einen kurzen Moment Grund zur Freude. Das Straßenbaumkonzept wurde endlich beschlossen – mit einigen Jahren Verzögerung. Uns war bekannt, dass der Entwurf seit 2017 fertig in der Schublade lag, aber der politische Wille fehlte, diese weitreichende Entscheidung zu treffen. Wir sind drangeblieben, haben immer wieder appelliert, nachgefragt, gedrängt und uns für diesen Beschluss eingesetzt“, bilanziert Christiane Heinichen vom Ökolöwen die lange Geschichte, die auch davon erzählt, dass auch die Leipziger Stadtverwaltung jahrelang nicht sehen wollte, wie brisant das Thema Klimawandel längst geworden war.

„Denn dieses Konzept, das sogenannte Leipziger Straßenbaumkonzept 2030, bildet die Planungsgrundlage für die neuen Baumstandorte in unseren Straßen. Es ist eine wesentliche Voraussetzung, um das Ziel zu erreichen: 1.000 neue, zusätzliche Bäume zu pflanzen. Auf diese Weise soll der Baumbestand sukzessive erweitert werden. Denn: 64 Prozent aller Straßen in Leipzig sind baumlos.“

In diesen Straßen brütet dann die Hitze.

Erst 2019 kam Bewegung in die Sache

Erst die Ausrufung des Klimanotstands 2019 und das Erlebnis der ersten Dürrejahre brachten da augenscheinlich die verantwortlichen Sachbearbeiter in der Verwaltung auf Trab. Viele Menschen sind ja so: Sie handeln erst, wenn die Katastrophe schon vor der Tür steht. Sie reden sich die Berichte des Weltklimarates schön, machen sich über streikende Schulkinder lustig und tun so, als hätten sie immer noch Jahrzehnte Zeit, um ihr fossiles Verhalten vielleicht einmal zu ändern.

Aber diese Jahrzehnte – die wertvollen Jahrzehnte ab Rio de Janeiro 1992 bis heute – hat auch Leipzig vertrödelt. Die Stadt ist an die kommenden Klimaextreme nicht angepasst.

Seit 2019 sind zwar alle Bedingungen erfüllt, um das Ziel von 1.000 neuen Straßenbäumen im Jahr zu erreichen. Doch wie die Anfrage der Leipziger Stadtratsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen ergab, ist die Stadt weiterhin sehr weit von diesem Ziel entfernt.

Baumfällungen und Baumpflanzungen in Leipziger Parks und Straßen. Grafik: Stadt Leipzig
Baumfällungen und Baumpflanzungen in Leipziger Parks und Straßen. Grafik: Stadt Leipzig

Bis 2019, also vor dem Beschluss des Straßenbaumkonzeptes 2030, lag der durchschnittliche Zuwachs bei 280 Straßenbäumen pro Jahr.

2019: 332 neue Straßenbäume (statt 1.000).
2020: 522 neue Straßenbäume (statt 1.000).
2021: 283 neue Straßenbäume (statt 1.000).

Die größte Enttäuschung aus Sicht des Ökolöwen: „2022 wurden noch gar keine neuen Straßenbäume nach dem Zwickauer Modell gepflanzt. Damit ist klar: Wenn es in diesem Tempo weitergeht, können wir auch in diesem Jahr davon ausgehen, dass die Stadt ihr Ziel um Längen verfehlt.“

Klimanotstand und Schneckentempo

Und dann ist da ja auch noch das 2020 beschlossene „Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand 2020“, das unter anderem als Maßnahme Nr. 4 aufführt: „1.000 Bäume/pro Jahr, untersetzt mit 2.400.000 €/pro Jahr für Bestandserhalt und Erstpflanzungen.“ Umsetzungszeitraum: sofort. Gleiches gilt für das Energie- und Klimaschutzkonzept der Stadt.

Die ersten vier Maßnahmen aus dem "Sofortmaßnahmenprogramm zu Klimanotstand". Grafik: Stadt LeipzigDie ersten vier Maßnahmen aus dem „Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand“. Grafik: Stadt Leipzig

„Doch alle Bekenntnisse der Entscheidungsträger/-innen in der Leipziger Stadtverwaltung zum Klimaschutz bleiben Lippenbekenntnisse, wenn die Taten nicht folgen. Und dass die Taten nicht folgen, zeigt die Bilanz zu den Straßenbäumen sehr deutlich“, kritisiert der Ökolöwe.

„Angesichts der fortschreitenden Klimakrise mit ihren verheerenden Folgen können wir uns die Untätigkeit der Leipziger Entscheidungsträger/-innen nicht leisten. Es müssen alle Ressourcen mobilisiert werden, um den Straßenbaumbestand zu vergrößern – und zwar sofort!“

Denn bevor die Bäume groß genug sind, um ihre kühlende Wirkung im Straßenraum zu entfalten, vergehen 10 bis 15 Jahre. Wie groß der Bedarf an zusätzlichen Bäumen ist, zeigt die Zahl 45.000: Das ist die Zahl der Bäume, die in zumeist baumlosen Leipziger Straßen noch Platz finden können.

Mehr Grün für Leipzig

Aber nach Interventionen des Ökolöwen und entsprechenden Anträgen der Fraktionen von Linken und Grünen steht inzwischen das benötigte Geld zur Verfügung. Und auch das nötige Personal wurde eingestellt.

Umso unverständlicher aus Sicht des Ökolöwen, dass sich dieser dringend notwendige Baustein zum Klimaschutz derart lange hinzieht:

„Bereits im Jahr 2016 wurde das Straßenbaumkonzept mit umfangreicher Bürgerbeteiligung erstellt. Unter Mitwirkung von Leipziger Bürger/-innen wurde dabei festgelegt, an welchen Standorten neue Bäume gepflanzt werden und welche Straßen davon ausgenommen sind. Seit 2014 haben wir Ökolöwen Straßenbaumwünsche und leere Baumscheiben von Leipziger/-innen gesammelt. 430 dieser Wunschstandorte brachten wir erfolgreich in die Erstellung des Straßenbaumkonzeptes ein.“

Über 23.000 Leipziger/-innen haben inzwischen auch den „Appell für mehr Grün“ des Ökolöwen unterschrieben.

Inzwischen hat auch die SPD-Fraktion wieder nachgefragt, wie die Verwaltung zum Appell des Ökolöwen „Mehr Grün für Leipzig“ steht. Und wer die Antwort liest, ist zumindest verblüfft.

„Die Stadtverwaltung begrüßt die Aktivität des Ökolöwen mit dem Appell, mehr Aufmerksamkeit auf den Wert des Leipziger Stadtgrüns zu lenken und unterstützt auch die formulierten Forderungen grundsätzlich bzw. versteht diese als konstruktiven Beitrag, den von der Stadtverwaltung in den entsprechenden Konzepten und Plänen bereits gleichlautend formulierten Zielen nun auch zur Umsetzung zu verhelfen bzw. diese einzufordern“, antwortet das Amt für Stadtgrün und Gewässer.

Wenn die Planer fehlen

Wenn man die einzelnen Punkte so liest, bekommt man den Eindruck: Die Sache läuft. Alles wird umgesetzt – von Gründächern und Fassadenbegrünung (wo es ersichtlich gewaltige Probleme in der Umsetzung gibt) bis zum „Masterplan Grün 2030“.

Und natürlich kommen auch die Straßenbäume vor. Die Antwort lässt zumindest vermuten, warum es mit der Umsetzung des Straßenbaumkonzeptes drei Jahre lang so gehapert hat:

„Seit 2021 wird das Straßenbaumkonzept 2030 der Stadt Leipzig umgesetzt. Es sollen zu den Nachpflanzungen von gefällten Bäumen jedes Jahr 1.000 zusätzliche Straßenbäume gepflanzt werden. Nachdem im Jahr 2021 die im Straßenbaumkonzept verankerten und durch den Stadtrat beschlossenen Planerstellen erfolgreich besetzt werden konnten, können nun sukzessive die Baumpflanzungen an Straßen und auch in Park- und Grünanlagen erhöht werden.“

Diese Planerstellen einzurichten, hatte es aber erst den Haushaltsantrag von Bündnis 90 / Die Grünen und Die Linke geben müssen. Obwohl sie sich zwangsläufig aus dem Straßenbaumkonzept ergeben.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Es ist sicher sinnvoll, einen halbjährlichen Fäll- und Baumpflanzreport zu veröffentlichen und dazu ein Abholzungsmoratorium zu verhängen, welches nur Gefahrenabwehr ausschließt und solange gilt, bis der Rückstand bei den Neupflanzungen aufgeholt wurde. Da würde sich das Grünflächenamt selbst einen Anreiz zum schnelleren Handeln schaffen.

Zu den Nachpflanzungen/Verjüngungen (diesmal im Auwald): Welche Erkenntnisse gibt es zum Erfolg/Misserfolg der umstrittenen Femelungen im Auwald?

Schreiben Sie einen Kommentar