Machen es Leipzigs Stadtplaner schon so – oder machen sie es nicht? Das war die Frage, die am 18. Oktober über der Diskussion zu einem Grünen-Antrag in der Ratsversammlung schwebte. „Klimaschutz und Klimawandelanpassung in der Bauleitplanung verankern“ hieß der und forderte, all die Vorhaben zur Klimafolgenanpassung, die auch der Stadtrat schon beschlossen hat, in die Bauleitplanung zu übernehmen. Machen wir doch schon, meinte Baubürgermeister Thomas Dienberg.

„Ich doch schon alles Beschluss“, sagte CDU-Stadträtin Sabine Heymann. „Wozu noch ein Konzept?“, fragte FDP-Stadtrat Sven Morlok. Wäre da nicht das Problem, dass viele Bebauungspläne in Leipzig schon Jahrzehnte alt sind und noch zu Zeiten vom Stadtrat beschlossen wurden, als dort kaum jemand die dramatischen Folgen des Klimawandels ernst genommen hat. Diese B-Pläne aber gelten weiter und geben den Rahmen vor, was dort gebaut oder nicht gebaut werden darf.

Was aktuell mit einem Bebauungsplan an der Zweinaundorfer Straße deutlich wird, wo seit Erstellung des B-Plans ein veritabler kleiner Wald gewachsen ist. Der in Teilen unbedingt erhalten werden sollte, wie der BUND Leipzig fordert.

Dieser Bebauungsplan müsste also baldigst geändert werden. So wie dutzende andere Baupläne auch. Dass der Stadtrat dann, wenn diese Baupläne zum Beschluss vorliegen, auf Dinge wie Entsiegelung, Begrünung, Regenwasserrückhalt und so weiter Acht gibt, hat sich längst eingebürgert. Da hat CDU-Stadträtin Sabine Heymann recht: Da wird wohl der Stadtrat auch nicht in alte Verhaltensweisen zurückfallen.

Und wenn der B-Plan veraltet ist?

Aber am Beispiel von den Erweiterungsplänen bei Porsche machte SPD-Stadtrat Andreas Geisler deutlich, wohin das führt, wenn ein Unternehmen in einem alten B-Plan-Gebiet bauen will: Dann gibt es keine Instanz, die etwa die alten Vorgaben zur Regenwasserableitung infrage stellt. Die städtischen Ämter prüfen dann nur, ob die Bauanträge dem gültigen B-Plan entsprechen.

Und so befürchtet Geisler wohl mit einigem Recht, dass dann das Regenwasser aus den neu überbauten Flächen wieder über das Lindenauer Wasser einfach abgeleitet wird, wie das schon vor 20 Jahren vorgesehen war – und nicht zurückgehalten wird oder ins System der Nördlichen Rietzschke eingespeist (welche die Stadt eigentlich wieder renaturieren will).

Wer verursacht eigentliche die Mehrkosten?

Die Diskussion machte sehr schön das ganze Konfliktfeld sichtbar. Zu dem Sven Morlok noch ein Problem skizzierte: Er geht davon aus, dass solche Kliamanpassungsmaßnahmen, wie sie die Grünen mit ihrem Antrag unbedingt zum Standard machen wollen, die Kosten beim Bauen erhöhen und damit auch Wohnen wieder verteuern.

Jürgen Kasek, der den Grünen-Antrag einbrachte, widersprach ihm in diesem Punkt vehement. Denn wenn die Wetterextreme zunehmen, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Bauen teurer wird, wenn keine Klimaanpassung erfolgt – kein Hitzeschutz, keine Versickerung, kein Regenwasserrückhalt, keine Begrünung.

Wie es eben auch bei vielen aktuellen Bauprojekten der Fall ist. Gerade die Versiegelung ist ein massives Problem. Die meisten privaten Bauherren haben den Klimawandel nicht wirklich auf dem Schirm, genauso wenig wie Artenschutz und das Thema Schwammstadt.

Und natürlich hat Baubürgermeister Thomas Dienberg recht, dass er von seinen Leuten nicht berechnen lassen kann, was solche – zusätzlichen – Klimaanpassungen in Bauleitplänen eigentlich für Zusatzkosten verursachen. Denn weder kennt man künftige Baupreise, noch weiß man, wer dann tatsächlich was im Gebiet des B-Plans bauen wird. Aber genau diese Kosten will ein Änderungsantrag der Freibeuterfraktion haben.

Am Rednerpult klang es so, als wollten die Grünen diese Kostenaufstellung haben.

Aber es war eindeutig das Anliegen des Freibeuter-Antrags, zu dem Baubürgermeister Thomas Dienberg deutlich sagte, dass man das gar nicht könne.

Im Änderungsantrag der Freibeuter klang das so: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, konkrete Standards für Klimaschutz und Klimawandelanpassung in Bebauungsplänen und städtebaulichen Verträgen zu entwickeln und die Auswirkungen auf die Baukosten und das bezahlbare Wohnen zu ermitteln. Er legt dieses dem Stadtrat vor der Umsetzung zur Beschlussfassung vor.“

Klimaanpassung ist längst Beschlusslage des Stadtrates

Das Verblüffende ist, dass die Debatte in diesem Punkt völlig auf dem Kopf stand und Morlok den Grünen vorwarf, sie wollten nun noch ein Konzept mehr zu den vielen Konzepten, welche die Verwaltung sowieso schon erarbeiten soll. Und im selben Zug forderte man auch noch eine konkrete Kostenberechnung für mögliche Zusatzkosten für die Klimaanpassung für Baugebiete, von denen noch niemand weiß, wer da eigentlich alles was bauen wird.

Für städtische und kommunale Bauvorhaben könne er Zahlen liefern, so Dienberg. Was aber Private künftig planen, weiß er noch nicht.

Um welche zusätzlichen Maßnahmen es geht, steht in zwei Antragspunkten der Grünen: „Quartiersbezogene Energiekonzepte werden im Regelfall erarbeitet und darauf aufbauende Festsetzungen in den jeweiligen Bebauungsplan oder städtebaulichen Vertrag aufgenommen, soweit dies im jeweiligen Einzelfall sachgerecht ist. Es sind derzeit im Regelfall bei der Errichtung von Gebäuden mindestens 50 % der jeweiligen Dachfläche mit Anlagen für die Nutzung solarer Energie nebst dazugehörigen Leitungen auszustatten.

Dabei wird auch die Kombination mit Dachbegrünung verankert werden. Bei allen Regelungen im Bebauungsplan wird, angesichts der sich weiterentwickelnden rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die notwendige Technologieoffenheit gewahrt bleiben.“

Und: „Die Erstellung von quartiersbezogenen Klimawandelanpassungskonzepten (Schwammstadtprinzip) sowie deren Umsetzung in möglichen Festsetzungen, wie Regenwassernutzungsanlagen in Neubauten und Freihaltung von Flächen zur Niederschlagwasserversickerung des Bebauungsplanes werden in zukünftig einzuleitenden Bebauungsplan-Verfahren berücksichtigt werden. In bereits laufenden Verfahren kann dies nur berücksichtigt werden, soweit dies im jeweiligen Einzelfall noch vertretbar ist.“

Und all das ist auch längst schon inhaltlich in mehreren Stadtratsbeschlüssen (und in mehreren Bundesgesetzen) verankert. Die Bauherren müssen sich sowieso dran halten. Das heißt: Durch den Beschluss des Grünen-Antrags wird Bauen in Leipzig nicht teurer. Er verankert nur schon existierende Beschlüsse nun auch in der Bauleitplanung, sodass die Planer der Stadt von vornherein daran denken müssen.

Die Grünen sind schuld!?

So gesehen, war die Diskussion am 18. Oktober ziemlich schräg. Und dass dann eine Mehrheit von 43:6 Anwesenden (bei sechs Enthaltungen) dem Antrag der Freibeuter zustimmte, macht die Sache noch rätselhafter: Was bringt es dem Stadtrat, wenn er dann irgendwelche grob geschätzten Zahlen aus dem Baudezernat bekommt zu Dingen, die aufgrund der Klimawandelanpassung sowieso passieren müssen? Beschließt die Mehrheit dann, dass diese Anpassungsmaßnahmen unterbleiben sollen? Das wäre völlig skurril.

Oder steckt dahinter nur ein tiefes Bedürfnis nach einer Schein-Sicherheit?

Man hat dann Zahlen und kann dann mit dem Finger auf die Grünen zeigen: Die da haben das Bauen teurer gemacht?!

Auch das wäre skurril in einer Stadt, die dringend alle Maßnahmen braucht, damit sie für die kommenden Klimaextreme gewappnet ist. Natürlich wird das teuer. Dazu wurde in der Vergangenheit viel zu viel gesündigt. Leipzig ist nicht gewappnet.

Etwas tragisch war dann auch die Ablehnung des SPD-Änderungsantrags, für den Andreas Geisler geworben hatte. Da ging es ganz konkret um den Wasserhaushalt.

„Die Erstellung quartiersbezogener Klimawandelanpassungskonzepte beinhaltet auch die Betrachtung wassersensibler Aspekte im Vorhabengebiet. Die Niederschlagsbewirtschaftung und damit verbundene Festsetzungen sollen sich am Ziel der Abbildung des natürlicherweise vorhandenen Gebietswasserhaushaltes und dessen Hauptkomponenten Verdunstung, Versickerung und Abfluss orientieren“, heißt es darin.

Und: „Bauleitplanungen, die älter als 5 Jahre, jedoch noch nicht vollständig umgesetzt und bebaut sind, werden vor weiterer Bebauung auf die Angemessenheit der wasserwirtschaftlichen Inhalte und Festsetzungen nach aktuellem Wissensstand und unter Berücksichtigung klimatischer Veränderungen überprüft und Anpassungsbedarfe ermittelt. Hierfür sind Experten für Wasserwirtschaft und Umweltschutz zur Unterstützung heranzuziehen.“

Eigentlich eine sinnvolle Ergänzung. Aber vielleicht macht es die Verwaltung ja sogar schon. Wer weiß. Mit 24:31 Stimmen jedenfalls bekam dieser Änderungsantrag keine Mehrheit. Und am Ende wurde es selbst für den Grünen-Antrag denkbar knapp, der mit 31:28 Stimmen nur hauchdünn durchkam.

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