Am Samstag, dem 26. August, fand auf dem Leipziger Markt die KlimaFair statt – mit vier großen Podien, auf denen diverse Themen rund um Klimaschutz und überhaupt den Kampf um die Klimarettung zur Sprache kamen. Als das heißeste entpuppte um 14.45 Uhr das Podium zu den Klima-Ängsten. Richtig gut besetzt, und deshalb auch richtig streitbar. Denn wenn es um die Klimafolgen geht, überlagern sich nicht nur die Ängste.

Und deshalb war es richtig, dass mit Manuela Grimm auch die Regionsgeschäftsführerin der DGB Leipzig-Nordsachsen mit in der Runde saß – besonders heftig angegriffen, auch wenn sie etliche Vorwürfe abbekam, die sich eigentlich die eitlen Männer aus der Gewerkschaftsbewegung verdient hätten. Etwa ein Michael Zissis Vassiliadis, der als Vorsitzender der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) eine Aktie daran hat, dass 2018 ein fauler Kohlekompromiss geschlossen wurde, der für die Bundesrepublik noch Kohleverbrennung bis 2038 vorsieht.

Und auf den sich jetzt unbelehrbare Politiker berufen, die den Bürgern einreden, das sei nun Gesetz. Obwohl gleichzeitig der Klimawandel in immer schnellerem Tempo voranschreitet und alle Nachrichtenkanäle jetzt schon voller Beiträge über katastrophale Klimafolgen sind. Und das, obwohl die Erdatmosphäre sich noch nicht einmal um die 1,5 Grad mehr erwärmt hat, die von der Klimaforschung als Haltelinie definiert wurden. Danach geraten die Klimaprozesse völlig aus den Fugen, werden Kipppunkte überschritten und die Welt dreht sich in ein Klima, das die Menschheit noch nicht erlebt hat.

Ein Szenario, das natürlich Angst macht. Und natürlich blenden immer mehr Menschen solche Nachrichten lieber aus. Weil es nicht auszuhalten ist. Und weil es auch auf eine Situation trifft, in der die Meisten das Gefühl haben, nichts, aber auch gar nichts machen zu können.

Beängstigender Stillstand

Und deshalb war es auch gut, dass mit dem Klimaaktivisten und Youtuber Tadzio Müller ein richtiger Störenfried mit auf dem Podium saß. Einer, wie man ihn braucht, weil so einer auch sagt, dass die Klimabewegung – gemessen an dem, was hätte erreicht werden müssen – verdammt erfolglos aussieht. Und sich in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten 20 Jahren eigentlich nichts geändert hat.

Die Meisten leben noch immer einen Lebensstil, der auf Kosten der planetaren Ressourcen geht. Die CO₂-Emissionen sind noch immer verbrecherisch hoch. Und eine wirkliche Klimaregierung, die tatsächlich das ganze Land mit klarem Ziel zu einem klimafreundlichen Land umbaut, ist nicht in Sicht.

Was natürlich auch an Wählern liegt, die immer wieder Parteien wählen, die versprechen, dass alles immer so weiter geht wie bisher.

Obwohl genau das nicht passieren wird. Dafür wird schon das extremer werdende Klima sorgen. Sehenden Auges leben wir in eine Heißzeit hinein, in der unsere Städte kochen werden, die Wälder verbrennen. Die Ernten vertrocknen, Orkane und Hochwasser die Infrastrukturen zerstören.

Und gerade junge Menschen wissen das. Für sie saß Paula von Fridays for Future Leipzig mit im Podium der KlimaFair. Seit über drei Jahren organisiert sie die Leipziger Klimastreiks mit. Deshalb weiß auch sie längst, wie frustrierend das ist, wenn ein Thema wie die drohenden Klimafolgen einfach nicht dazu führt, dass Politik sich ändert oder das klimazerstörende Wachstumsdenken aufhört.

Auch die Aktivisten leiden

Und dass eben auch die Aktivistinnen und Aktivisten psychisch darunter leiden, wenn all ihre Aktionsformen, ihr jahrelanges Bemühen so scheinbar gar nichts bewegen, das konnte auf dem Podium die Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin Lea Dohm sehr gut auf den Punkt bringen. Denn wie sollte es auch sein? Die dramatischen Veränderungen des Klimas machen alle betroffen. Und sie machen Angst.

Denn damit steht die Zukunftsfrage: Was für ein Leben ist dann überhaupt noch möglich, wenn sich der Planet derart aufheizt? Wie kann dann überhaupt noch Arbeit, Wohnen, Familie organisiert werden? Und darf man da eigentlich noch Kinder in die Welt setzen?

Natürlich gibt es unterschiedliche Ängste. Manche lähmen. Andere zwingen den Betroffenen, aus seiner Lethargie zu erwachen und sich ein Ventil zu suchen. Und auf einmal stehen auch Worte wie Wut und Zorn im Raum. Echte Triebkräfte, die Menschen auf die Straße bringen. Die aber auch radikalisieren können, wenn die Mächtigen gegen jede Veränderung nur ein ignorantes „Weiter so“ praktizieren.

Denn je länger man der intensiven Diskussion zuhörte, umso klarer wurde, dass es um eine Systemfrage geht. Und um die Machtfrage: Wer hat die Macht? Die Menschen auf der Straße? Oder doch eher die fossilen Konzerne, die sich in ihr Geschäftsmodell nicht hineinreden lassen wollen? Gar die in Gewerkschaften organisierten Arbeiterinnen und Arbeiter?

Nur wenn sie sich wirklich einig sind, stellte Manuela Grimm fest.

Aber das sind sie meistens nicht. Auch, weil es meist eben um genauso elementare Dinge geht wie den gut bezahlten Job und den in den vergangenen Jahren mühsam erarbeiteten Wohlstand.

Die ganz besonderen Ängste des Ostens

Ein Thema, das auch Cordula Weimann, Gründerin der Omas For Future in Leipzig, aufgriff, die gerade mit Omas for Future die Erfahrung gemacht hat, dass es in Westdeutschland leicht ist, dutzende solcher Initiativen von vor allem Frauen über 50 auf die Beine zu stellen. Aber im Osten gibt es nur zwei Omas-for-Future-Gruppen. Und das hat Gründe, die sie als zugezogene Leipzigerin auch erst herausfinden musste. Und die stecken in den zwei Transformationen, welche die Ostdeutschen nun einmal allein verkraften mussten und die richtig an die Substanz gegangen sind.

Die erste war schon die DDR selbst, die am Ende so heruntergewirtschaftet war, dass immer mehr Menschen ihr Heil nur noch in der Flucht sahen. Und das zweite war die Transformation in den 1990er Jahren, die Millionen Ostdeutsche Beruf und Lebensplanung gekostet hat. Und für viele jahrzehntelang in gebrochenen Berufskarrieren und Niedriglöhnen endeten.

Da ahnt man zumindest, wie groß die Ängste etwa der Bergleute in der Lausitz sind, dass ihre gut bezahlten Jobs verloren gehen und sich ihre Region wieder in eine Armutsregion verwandelt.

Natürlich muss man genau diese Ängste ernst nehmen.

Und so mündete die Diskussion eigentlich in ein Gespräch über Handlungsmöglichkeiten. Psychologisch und philosophisch benannt: Selbstwirksamkeit, Erfahrung von Handlungsfähigkeit.

Oder mit dem katholischen Theologen und Philosophen Jürgen Manemann gefragt: „Wo sind die Hebel?“

Denn eins wurde in der Diskussion klar: Viele Betroffene leiden unter der Ohnmacht, dem Gefühl, dass sie nicht gefragt werden.

Gemeinsam gegen die Angst

Eine Frage, die auch nach der Diskussion noch von einer Fragestellerin aus dem Publikum aufgeworfen wurde in Richtung Gewerkschaft: Die Grunderfahrung in vielen Betrieben ist, dass auch Betriebsräte sich eher ohnmächtig fühlen. Von einer demokratischen Mitbestimmung in den Betrieben kann keine Rede sein.

Und so geht es vielen Menschen: Sie erfahren keine Selbstwirksamkeit.

Ein Befund, der eigentlich für die ganze Gesellschaft gilt. Die seit 20 Jahren wie erstarrt wirkt. Da hat Tadzio Müller schon recht, der nach dem faulen Kohlekompromiss bereits in schwere Depressionen fiel. Erst Lützerath hat ihn wieder ermutigt. Denn Lützerath war auch die Erfahrung, nicht allein zu sein. Dass es doch noch Leute gab, mit denen man gemeinsam etwas bewirken kann.

Sodass für das Podium am Ende gerade das Vernetzen besonders wichtig erschien. Wer zu oft allein kämpft, der muss verzweifeln. Wer mit seinen Ängsten allein zu Hause auf dem Sofa sitzt, der wird depressiv.

Und so galt die eigentliche Botschaft am Ende dieser wirklich heftigen, aber dadurch auch erhellenden Diskussionsrunde einer Einladung zum großen Klimastreik, der am 15. September auch in Leipzig stattfindet.

Die weiteren Podien auf der KlimaFair 2023

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Die Einladung von Fridays for Future zum Globalen Klimastreik

Am 15. September findet der nächste Globale Klimastreiktag von Fridays for Future statt. Unter dem Motto „End Fossil Fuels“ werden Aktivist/-innen weltweit auf die Straße gehen, um auf die Klimakrise und ihre Folgen aufmerksam zu machen.

In Leipzig wird die Großdemonstration um 15 Uhr auf dem Augustplatz beginnen.

„Unsere bestehende Abhängigkeit von fossilen Energien, also von Kohle, Öl und Gas, richtet enormen Schaden auf unserem Planeten, in den Ökosystemen und Gesellschaften an, wobei ein Großteil der Kosten den am meisten betroffenen Menschen und Gegenden auferlegt werden. Die fossile Industrie hingegen schiebt jede Form von Verantwortung von sich und verschlingt zugleich Milliarden Dollar an Investionen und Subventionen.

Deswegen gehen wir am 15.09. auch für ein schnelles Ende von fossilen Energien auf die Straße!“, erklärt Jasper, Sprecher von Fridays for Future, das weltweite Motto der Demonstration.

Die Ortsgruppe in Leipzig möchte am Streiktag vor allem die Defizite der Verkehrspolitik, die zunehmende Unterdrückung von Klimaaktivist/-innen und den großen Schaden, der von fossilen Großunternehmen auf dem ganzen Planeten angerichtet wird, thematisieren.

„Ob fatale Überschwemmungen in Slowenien und Pakistan oder riesige Brände in Griechenland und Kanada. Der Sommer 2023 hat uns wieder deutlich vor Auge geführt, was es bedeutet in Zeiten der Klimakrise zu leben und dass ein sofortiges Handeln dringend notwendig ist. Es ist möglich, die dramatischen Folgen der Klimakrise einzudämmen und für eine bessere Zukunft zu kämpfen. Dafür streiken wir in 4 Wochen auf der ganzen Welt“, meint Luise aus der Ortsgruppe Leipzig.

In ganz Deutschland sind von lokalen Fridays for Future Gruppen an bereits über 100 Orten Aktionen angemeldet.

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