Seit März 2022 werden nach und nach große Bereiche der Zschopautalhänge bei Lichtenwalde rechtswidrig abgeholzt. Obwohl sich die Flächen im europäischen Schutzgebiet, dem Flora-Fauna-Habitat-Gebiet „Zschopautal“ und dem Naturschutzgebiet „Zschopautalhänge bei Lichtenwalde“, befinden, wurde vorab nicht die nach EU-Recht erforderliche Verträglichkeitsprüfung durchgeführt.

Die großflächigen Kahlschläge im Zschopautal werden – so sehen es jedenfalls die Naturschutzverbände – mit Billigung der unteren Naturschutzbehörde, der Landesdirektion und des Umweltministeriums in der Brutzeit unter dem Mantel der „Verkehrssicherung“ durchgeführt.

Proteste und Strafanzeige erfolglos

Der NABU Sachsen hat bereits im Mai letzten Jahres eine erste Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft in Chemnitz wegen des Verstoßes gegen europäisches und deutsches Naturschutzrecht erstattet. Leider ohne Reaktion und ohne Erfolg. Dem vorangegangen waren zahlreiche Proteste, Briefe, Presseaktivitäten von Grüner Liga, NABU Erzgebirge und Naturschutzverband Sachsen an das Umweltministerium und das Landratsamt mit der Bitte um Unterstützung. Auch dies erfolglos.

Die Naturschutzverbände NABU Sachsen, NABU Erzgebirge, Grüne Liga Sachsen e. V. und NaSa e. V. fordern wiederholt bei den zuständigen staatlichen Behörden den sofortigen Stopp der Fällungen und endlich eine fachliche Prüfung vor möglichen weiteren Fällarbeiten. Die Verbände haben sich jetzt auch an das Sächsische Innenministerium mit der Bitte um Unterstützung gewandt. Weitergehende Maßnahmen behalten die Verbände sich vor.

Das Bild zeigt gefällte Bäume im FFH-Gebiet Zschopautal. Foto: Lutz Röder
Gefällte Bäume im FFH-Gebiet Zschopautal. Foto: Lutz Röder

Fällmaßnahmen in FFH-Gebieten bedürfen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung und müssen durch die zuständige Behörde genehmigt werden. Diese muss anhand der Prüfung sicherstellen, dass die Maßnahmen den Erhaltungszielen des Gebietes nicht entgegenstehen. Zudem müssen die anerkannten Naturschutzverbände in Sachsen beteiligt werden. Spätestens seit dem Urteil des OVG Bautzen vom Juni 2020, welches die GRÜNE LIGA Sachsen e. V. errungen hat, dürfte das jedem in Sachsen klar sein.

Naturschutzverband stellt Dienstaufsichtsbeschwerde

Mit Schreiben vom 17. April hat der Naturschutzverband Sachsen e. V. eine Dienstaufsichtsbeschwerde zur Arbeitsweise des Landrates von Mittelsachsen Dirk Neubauer beim Sächsischen Staatsministerium des Inneren eingereicht. Hintergrund ist die Verweigerung der Akteneinsicht nach § 4 Abs. 1 SächsUIG bezüglich der Abholzungsarbeiten im europarechtlich geschützten Flora-Fauna-Habitat (FFH) – Gebiet „Zschopautal“ bzw. im Naturschutzgebiet (NSG) „Zschopautalhänge bei Lichtenwalde“ durch Dirk Neubauer.

Das Landratsamt Mittelsachsen hatte die Abholzungen genehmigt, ohne eine notwendige FFH-Verträglichkeitsprüfung gemacht zu haben bzw. durchführen zu lassen. Durch diese rechtswidrige Vorgehensweise des Landratsamtes Mittelsachsen wurde das gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungsrecht der anerkannten Naturschutzverbände umgangen.

Die aktuell in den genannten naturschutzrechtlich geschützten Gebieten zu verzeichnenden Zerstörungen bzw. erheblichen bzw. nachhaltigen Beeinträchtigungen sind so – so der Naturschutzverband Sachsen e. V. – erst durch die gröbliche Missachtung gesetzlicher Vorgaben durch das Landratsamt bzw. die dort angesiedelte Untere Naturschutzbehörde möglich geworden.

Dabei sei Landrat Neubauer bereits mit Schreiben vom 13. Oktober 2022, also weit im Vorgriff der aktuellen Vorkommnisse, die rechtlich vorgeschriebene Vorgehensweise bei der Umsetzung von geplanten Maßnahmen im FFH-Gebiet von der beauftragten Anwaltskanzlei des Naturschutzverbandes mitgeteilt worden, so der Naturschutzverband Sachsen e. V.

Während Neubauer in den Jahren 2019 und 2021 Bücher mit den Titeln „Rettet die Demokratie!: Eine überfällige Streitschrift“ und „Das Problem sind wir: Ein Bürgermeister in Sachsen kämpft für die Demokratie“ veröffentlichte, tut er derselben Demokratie einen Bärendienst, in dem er bzw. die unterstellte Naturtschutzbehörde illegalen Holzfällungen in Naturschutzgebieten grünes Licht gibt. Also genau die Probleme schafft, die erst Zweifel säen am rechtsstaatlichen Handeln von Ämtern und Behörden.

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