S-Bahn-Takte von 15 Minuten, gar 10 Minuten – das wäre doch eigentlich erst großstadttauglich. Das meldeten auch etliche L-IZ-Leser immer wieder zurück, wenn es um ihre Vorstellungen von einem richtigen S-Bahn-Netz für Leipzig geht. Da denkt mancher an Berlin oder München. Aber das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz ist anders konstruiert. Und der City-Tunnel ist das Nadelöhr für das gesamte Netz. Das merken S-Bahn-Nutzer spätestens, wenn es im Tunnel mal wieder eine Sperrung gibt. Dann geht nichts mehr.
Dann gibt es auch keine Umleitungsstrecken, auf denen S-Bahnen das Nadelöhr einfach umfahren könnten. Das hat Folgen. Auch für jeden Fahrplan. Und spätestens bei der Planung eines neuen Fahrplans wird deutlich, dass es mehr Linien als im S-Bahn-Netz vorgesehen auch nicht geben kann. Denn sie müssen alle durch den Tunnel. Und das heißt: Pünktlich sein.
Solche Diskussionen, wie sie die Deutsche Bahn im Fernverkehr aushalten muss aufgrund der zunehmenden Verspätungen, kann sich der ZVNL im Mitteldeutschen-S-Bahn-Netz gar nicht leisten. Die Züge müssen pünktlich sein. Denn sie haben ein denkbar knappes Zeitfenster, in dem sie in den City-Tunnel einfahren können und dort an den vier Tunnel-Stationen ihre Türen für die Fahrgäste öffnen können. Das Zeitfenster ist genau fünf Minuten groß.
Und das ist wirklich nicht viel Zeit, wie ZVNL-Geschäftsführer Bernd Irrgang betont, wenn gerade an einer Station wie der unterm Hauptbahnhof fast die komplette Reisegesellschaft aus dem Zug wechselt. Denn die meisten Nutzer der S-Bahn wollen entweder nach Leipzig und von Leipzig weg. Die geringste Zahl fährt durch – etwa von Halle nach Wurzen, um nur das Beispiel S3 zu nehmen.
Und auch wenn sich die Routen der verschiedenen S-Bahnen mit dem S-Bahn-Netz 2025plus ab Dezember 2026 ändern, bleibt eines konstant: die Durchlässigkeit des Tunnels. Alle fünf Minuten ein Zug in jede Richtung. Mehr ist nicht drin. Verzögerungen haben sofort Auswirkungen auf das ganze Netz.
Der 5-Minuten-Takt
Aber wie kommt es zum 5-Minuten-Takt im Tunnel?
Der entsteht schlicht durch die sechs Linien, die in jede Richtung geführt werden – von S1 bis S6. Jede Linie fährt genau zweimal pro Stunde durch den Tunnel, macht zwölf S-Bahnen, die pro Stunde in jede Richtung durchpassen. Nicht mehr und nicht weniger. Macht nach Adam Ries eine Taktzeit von 5 Minuten.
Und für jede einzelne Linie einen Halb-Stunden-Takt, in dem sie ihre Strecke befährt. An diesem Herzstück des S-Bahn-Netzes kann der ZVNL nichts ändern. Weshalb einige kühne Träumer ja seit Jahren immer wieder die Idee eines zweiten S-Bahn-Tunnels ins Gespräch bringen – wozu der ZVNL inzwischen auch einen Prüfauftrag hat.
Auf Wahlplakaten lässt sich ja viel fordern, wenn man nicht sagen muss, woher das Geld kommen soll. Denn für die rund 930 Millionen Euro, die der City-Tunnel gekostet hat, wird man einen zweiten Tunnel nicht bekommen. Im „Gemeinschaftsszenario“ für das Leipziger Mobilitätskonzept hat die Stadt eine vorsichtige Schätzung für einen solchen Tunnel mit 2,5 Milliarden Euro beziffert.
Und das war im Jahr 2018. So „billig“ wird ein zweiter Tunnel ganz bestimmt nicht mehr zu haben sein. Von den ingenieurtechnischen Herausforderungen und den verfügbaren Geldern für den Regionalverkehr ganz zu schweigen.
Bleibt also der eine City-Tunnel, durch den die Durchfahrt der S-Bahnen flutschen muss. Selbst die Reihenfolge der S-Bahnen steht fest – auch schon für das neue Liniennetz. Dafür präsentierte Irrgang extra eine Tunneluhr, in der die S5X den Takt vorgibt. Das ist die S-Bahn, die über den Flughafen Leipzig/Halle nach Halle fährt und am Flughafen Anschluss an verschiedene Fernverkehrszüge hat.
Diese Anschlüsse bestimmen, wann die S5X am Flughafen sein muss – und damit auch im City-Tunnel. Und damit die beiden Linien nach Halle nicht gleichzeitig fahren und sich gegenseitig die Fahrgäste wegnehmen, bestimmt die Durchfahrzeit von S5/S5X auch die Taktzeit von S 3, die über Schkeuditz nach Halle fährt. Alle anderen Linien ordnen sich dann ein und es entsteht die schöne Tunneluhr.
Nadelöhr Hauptbahnhof
Das Nadelöhr im Nadelöhr ist übrigens die Station Hauptbahnhof, deren Bahnsteige deutlich schmaler sind als z.B. in die der Station Wilhelm-Leuschner-Platz. Doch gerade in der Station Hauptbahnhof kommt es zu den größten Wechseln der Fahrgäste, die hier mit Sack und Pack aus- und einsteigen. Da sind die fünf Minuten, in denen der Zug durch die Station muss, oft sehr, sehr knapp.
Aber die dichte Taktung im Tunnel bestimmt letztlich auch, wie dicht die äußeren Strecken im S-Bahn-Netz bedient werden können. Viel diskutiert ist ja die S1 nach Grünau, wo sich viele Nutzer schon seit langem einen Viertelstundentakt wünschen, den es mit der zeitweilig fahrenden S10 auch geben sollte. Die S10 endete im oberen Bahnhof, musste also nicht durch den Tunnel.
Aber sie litt in der kurzen Zeit ihre Existenz immer unter mal fehlendem Fahrpersonal, mal fehlenden Bahnen. Auf Dauer für den ZVNL ein zu teures Zuschussgeschäft. Sodass der Takt nach Grünau auch künftig bei einer Bahn alle halbe Stunde bleiben wird. Und wenn die S-Bahn ihre Durchfahrzeit im Tunnel einhält, schafft sie in Grünau zumindest einen verlässlichen Takt, der das deutlich dichter getaktete Straßenbahnnetz der LVB ergänzt und entlastet. Und ab Dezember 2026 fährt sie sowieso – batteriegetrieben – bis nach Grimma weiter. Auch für Grünauer ein schönes Ausflugsziel.
Ab Dezember 2026 gehen dann auch die neuen Mireo-Bahnen im S-Bahn-Netz in Betrieb, deren verspätete Lieferung vor allem das Interims-Netz 2025 / 2026 erst nötig gemacht hat. Sie werden deutlich mehr Platz für Passagiere und auch Fahrräder bieten. Das dürfte auf manchen Strecken schon eine spürbare Entlastung bedeuten.
Empfohlen auf LZ
So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:





















Es gibt 6 Kommentare
Jede Menge Scheinargumente um den Status quo zu legitimieren. Immerhin gibt es etliche Kommentatoren, die das erkennen und die Pseudo Argumente zerlegen. Liebe LZ dieser Artikel ist bodenlos.
Meinte natürlich geringere Taktzeit zwischen den Bahnen
Ein geringerer Takt ist immer möglich. Ziel ist aber eine höhere Taktung.
Christian hat das schon ganz gut umrissen: Es geht nur ums Geld. Man kann sich keine höhere Taktung leisten und daher wird stets so getan, als wenn es nicht möglich wäre.
Entscheidend sind im übrigen die Blockabstände. Da jede Station ein Block ist, kann also ein Zug am Leuschnerplatz den Fahrgastwechsel durchführen, während zeitgleich auch am Markt und im Hauptbahnhof Fahrgäste ein-/aussteigen. Man merkt das übrigens auch wenn man im Tunnel steht und mal die Linien etwas aus dem Takt geraten sind, dass innerhalb sehr kurzer Zeit mehrere Züge in die Station ein- und dann weiterfahren.
München hat übrigens mit der selben technischen Ausstattung einen regulären 2-Minuten-Takt.
Der 20er-Grundtakt wäre übrigens auch möglich, wenn man die Anzahl der Linien auf 4 reduziert. Dazu müsste man aber neben dem Regionalbahnnetz auch ein Expressnetz konzipieren. Die S5 im Nordabschnitt ist ein klassischer RE und könnte auch wie früher vom Querbahnsteig fahren.
Ein Netz mit 20er-Taktung sähe dann nach der Umstellung 2026 ungefähr so aus:
S1 Grünau – Wurzen
S2 Delitzsch – Altenburg/Zwickau
S3 Halle – Borna/Geithain
S4 Eilenburg – Grimma
Ein geringerer Takt wäre möglich, wenn man auf die Regionalzüge (Trittbretter aus und einfahren) verzichten würde und richtige S-Bahnzüge einsetzt. Denn die brauchen nicht so lange auch komplette Reisegesellschaft aussteigen zu lassen. Die haben mehr Türen und keine Trittbretter, das heißt keine Minute zum Aus und Einfahren und schnellerer ZU sowie Ausstieg. Nicht zu Vergessen mehr Raumausnutzung.
Ich verstehe nicht, warum eine geringere Taktdichte nicht gehen soll.
Auf der Berliner Stadtbahn fahren auch 4 Bahnen in 10 Minuten.
Hier wird davon abgelenkt, dass für eine Taktverdichtung keiner zahlen will und daß sowohl Personal als auch Fahrzeuge fehlen.
Ganz nebenbei, warum sollen einige S Bahnen nicht von oben fahren. Da gibt es noch reichlich Kapazitäten.
Mit ETCS L2 wäre ein Takt von 2 Minuten technisch machbar → bis zu 30 Züge/h/Richtung
Aktuell wird der Tunnel nur zu etwa 30–40 % ausgelastet
Eine Verdichtung auf 3-Minuten-Takte (20 Züge/h) wäre betriebspraktisch durchaus denkbar, wenn:
* Bahnsteigkapazitäten mitspielen
* Fahrzeuge und Personal vorhanden sind
* Netz drumherum leistungsfähig genug ist