„Integriert doch erst mal uns!“, betitelte Petra Köpping 2018 ihre Streitschrift für den unerhörten Osten, Barbara Thériault entdeckte „Die Bodenständigen“, Michael Kraske besichtigte den „Riss“ und sein Journalistenkollege Peter Maxwill wagte dann auch „Die Reise zum Riss“, während Cornelius Pollmer „Randland“ besichtigte. Irgendetwas muss ja nicht stimmen mit diesem Osten. Oder seinen Bewohnern, diesen Unmutigen, die die Ethnografin Juliane Stückrad zum Untersuchungsobjekt gemacht hat.

Und das nicht erst, als Petra Köpping ihre nur zu berechtigte Forderung stellte „Integriert doch erst mal uns!“ und Frank Richter nachlegte mit „Hört endlich zu!“ Denn berechtigt sind die Forderungen einerseits. Andererseits sind diese unerhörten Ostdeutschen seit Jahren in allen Medien präsent, mit ihren teils skurrilen, teils radikalen und menschenfeindlichen Demonstrationen und den unheimlichen Wahlerfolgen für eine rechte Partei. Und das Zuhören hat der SPD, der ja beide angehören, auch nicht geholfen.

Was wieder eine eigene Untersuchung wert wäre, warum das so ist. Aber es könnte mit genau jenem Phänomen zu tun haben, das Juliane Stückrad im ersten Teil ihres Buches beleuchtet: dem Unmut. Genauer wohl: dem Schimpfen, dem sie bei ihrer ersten Feldrecherche im Elbe-Elster-Kreis auf den Grund zu kommen versuchte. Denn das Schimpfen war allgegenwärtig, überall begegnete es ihr bei ihrem Leben und Arbeiten in diesem besonders vom Bevölkerungsrückgang betroffenen brandenburgischen Kreis gleich an der Grenze zu Sachsen.

Der beobachtete Beobachter

Eigentlich hatte sie vorher geplant, ganz klassisch als ausgebildete Ethnografin nach Südamerika zu gehen. Doch eine Reise durch Peru machte ihr klar, dass das eigentlich nicht das war, was sie interessierte. Und dass es viel schwerwiegendere Gründe gab, sich als Ethnografin einmal um Ostdeutschland zu kümmern. Längst haben auch europäische Ethnografen begriffen, dass ihre Wissenschaft nicht immer nur das alte koloniale Stereotyp bedienen darf, das andere „urwüchsige“ Völker zum Forschungsobjekt macht und die herausgehobene Position des Forschers aus dem „höherstehenden“ Norden quasi das Maßstabgebende darstellt, das Normgebende.

Was schlicht nicht aufgeht. Auch das haben die aufmerksamen Forscher/-innen längst begriffen. Der forschende Ethnograf ist immer auch Teil, seiner eigenen Forschungen. Wenn er oder sie ihre eigene Rolle als beobachtete Beobachter nicht reflektieren, verstehen sie schlichtweg nicht, wie sehr alles, was sie erfahren, auch immer Reflexion und Reaktion auf ihre Gegenwart ist.

Doch genau dieser Position nehmen leider auch viele Politiker/-innen und Journalisten ein. Sie werten, begutachten, beurteilen und verurteilen. Das Ergebnis ist: ein riesiger Berg von Missverständnissen, Fehlurteilen und Unmut. Und das Gefühl, dass trotzdem keiner zuhört und die, die längst schon schimpfen und schreien, trotzdem kein Verständnis finden.

Die Kultur des Unmuts

Und da staunt man schon, dass die Feldforschung von Juliane Stückrad zum Unmut im Osten so wenig Folgen hatte. Dabei hat sie zu dem Thema 2010 tatsächlich promoviert, an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Wie umfassend und allgegenwärtig das Schimpfen der Ostdeutschen ist, schildert sie im ersten Teil dieses Buches. Ausführlich und auch mit detaillierter Darstellung ihres eigenen Lebens, Miterlebens, Zuhörens und Nachfragens. Denn sie wollte ja auch wissen, warum so viele Menschen derart enthemmt schimpfen und wüten.

Eine sehr prägnante Zusammenfassung des Phänomens liest sich so: „Schimpfen ist also nicht nur Ausdruck eines spontanen Affektes, sondern entsteht vor dem Hintergrund von Vorstellungen und Erfahrungen. Daher kommt dem sozialen Umfeld beim Hineinwachsen in die Kultur des Unmuts eine wesentliche Bedeutung zu.“

Und diesen Ursprung verortet sie nicht in der so aufgeregten Gegenwart, sondern in der gemeinsamen Sozialisation in der DDR, einem Land, das seine Menschen zu allererst zu braven, angepassten, kleinen Leuten erzog. Schimpfen war wie ein Ventil. Und gleichzeitig Ergebnis eines Erziehungsprozesses, das auch die bestehenden Machtungleichgewichte in den Köpfen verankerte, das altbekannte „Die da oben und wir hier unten“, das heute im Politiker-Bashing eifrig weiter geübt wird.

Und das Schimpfen bestätigt, dass sich das Rollenverständnis überhaupt nicht geändert hat. Worauf Stückrad im zweiten Teil des Buches ausführlicher zu sprechen kommt, wenn es um die Rolle der Friedlichen Revolution für sie selbst und ihre Motivation, die Herausforderungen im Leben anzunehmen, geht.

Sie macht das auch an der unterschiedlichen Benennung des Jahres 1989 als Friedliche Revolution einerseits und als „Wende“ andererseits deutlich. Auch sie setzt „Wende“ nur in Anführungszeichen, denn dieses Wort assoziiert natürlich etwas, was die komplette Veränderung der politischen Verhältnisse 1989 völlig ignoriert und das Gefühl bestärkt, es häte nur ein paar kleine Veränderungen gegeben, für den „kleinen Mann“ habe sich aber nichts geändert.

Das Selbstwertgefühl des kleinen Mannes

„Der kleine Mann wurde wahrscheinlich schon von einem kleinen Mann erzogen“, schreibt die Autorin. „Wird er wiederum kleine Männer zeugen?“

Denn natürlich sind wir, was wir denken zu sein. Und wer den Herbst 1989 nicht wie die jugendliche Eisenacherin als Moment der Selbstermutigung und des Stolzes erlebt hat, wird aus der angelernten Rolle nicht herauskommen. Und aus dem Zwiespalt, der sich dann herausbildet. Denn der kleine Mann hat ja im März 1990 auch erstmals gewählt und sich die Regierung zusammengewählt, die er sich gewünscht hat. Und das hat er bis heute getan. Und trotzdem schimpft er, weil er nicht bekommt, was er sich bestellt hat.

Was Gründe hat. „Schimpfen als eine Ausdrucksform des Unmuts ist dementsprechend der Versuch, die Kluft zwischen Erfahrung und Erwartung verbal zu unterdrücken“, schreibt Stückrad. „Das heißt, dass wir durch die Untersuchung der Kultur des Unmuts etwas von der Kultur des Wünschens erfahren. Wir erhalten Einblicke in die Erwartungen der Menschen an ein gutes Leben und ihr Streben nach Zufriedenheit. Die Schimpfenden verraten uns etwas von ihren individuellen und kulturell bedingten Fähigkeiten, mit den Unvollkommenheiten zu leben, und erzählen im Unmut letztlich von ihren Utopien.“

Eine Stelle, über die man nicht hinweg lesen sollte. Denn in den Gesprächen mit den Menschen im Landkreis Elbe-Elster und später auch in Sachsen, Thüringen und Vorpommern spricht die Ethnologin mit den Menschen eben auch über diese Utopien. Über das, was ihnen fehlt, was sie als Verlust erlebt haben und in ihrem direkten Lebensumfeld mittlerweile vermissen.

Transformation verharmlost das Geschehene

Und natürlich wird da das thematisiert, was man gemeinhin für Ostdeutschland als Transformation bezeichnet. Ganz so, als wäre es nur der technische Umbau eines rückständigen Landes mit einer nicht mehr wettbewerbsfähigen Industrie gewesen. Aber gerade in den Dörfern und Kleinstädten jenseits der großen Metropolen wird auch sichtbar, wie es gleichzeitig eine massive Entwertung von Qualifikationen, Fähigkeiten, Lebensentwürfen und Persönlichkeiten war.

Welche nie kompensiert wurde. Und welche die Befragten tatsächlich als ganz persönliche Entwertung erlebten – und zwar spätestens, wenn sie als Bettler im Arbeitsamt standen und merkten, wie sie als Bittsteller nur noch verwaltet wurden, in völlig sinnfreie Beschäftigungsprogramme abgeschoben und behandelt wie Verfügungsmasse, die ihre eigene Entscheidungshoheit verloren hat.

Und parallel sagen die Befragten, wie gerade die Jüngeren in dieser Phase ihre Sachen packten und in den Westen verschwanden. Sie wurden also auch noch zu Zurückgebliebenen, die auch dafür noch bestraft wurden. Denn jetzt begannen auch noch die großen Kürzungs- und Sanierungsprogramme, weil Schulen und Kindertagesstätten geschlossen wurden, Konsumläden und Arztpraxen verschwanden. Bahnstationen wurden dichtgemacht, Bustakte ausgedünnt und die Dorfgaststätten schlossen dann ziemlich bald, weil die Gäste fernblieben.

Und das griff ganz tief ein in die „Utopien“, die die Menschen tatsächlich träumten. Und träumen. Worte wie Gemeinschaft und Zusammenhalt tauchen öfter auf. Aber man merkt zugleich, wie sehr eine qualifizierte Arbeit auch sinnstiftend für das Leben ist, die Akzeptanz in der Dorfgemeinschaft.

Und so weiter, kann man sagen. Was nicht ausschließt, dass die so lautstark Schimpfenden nicht gelernt haben, die Transformation für sich selbst zu bewältigen und neue Qualifikationen zu erlernen, die ihnen halfen, diese Veränderungen zu bewältigen. Veränderungen, die es so im Westen nie gegeben hat. Das wäre ein echter Fundus, so Stückrad, um aus den Transformationserfahrungen der Ostdeutschen tatsächlich zu lernen.

Falsches Reden schafft leere Orte

Aber das scheint bis heute niemanden wirklich zu interessieren. Auch nicht, wie es die Dagebliebenen vielerorts tatsächlich geschafft haben. Darum geht es im zweiten Teil des Buches, bei den Mutigen, die sich bei all den Zumutungen und Bevormundungen, die auch zur neuen Gesellschaft gehören, nicht nehmen ließen, in ihrem Ort wieder ein Stück von dem zu verwirklichen, was Stückrad als „Utopien“ bezeichnet, als Vorstellungen von einem richtigen und ganzen Leben.

Und darin spielen das gemeinsame Kümmern um die Dorfkirche (auch von den meist so scheel angesehen „Roten“ und Atheisten), um neu eingerichtete Heimatstuben und oft völlig neue Festtraditionen eine ganz zentrale Rolle. Oder – wie in Eisenach – der Kampf um den Erhalt des Stadttheaters.

Letzteres übrigens ein Thema, bei dem deutlich wird, welche Rolle das politische Reden und die mediale Berichterstattung dabei spielen. Denn wenn nur der Unmut geschürt wird und das Gerede vom „Das können wir uns nicht (mehr) leisten“, dann gehen die Dinge den Bach runter. Dann kämpft niemand für sie. Dann entdecken die Menschen nicht, dass ihnen hier wieder etwas verloren geht. Und zwar nicht, weil es „ihnen weggenommen wird“, sondern weil sie im entscheidenden Moment nicht dafür gekämpft haben.

Gerade an diesem Beispiel wird deutlich, warum Politik im Osten oft so falsch gelaufen ist. Und welche Verheerungen dieses „Sparen um jeden Preis“ mit sich gebracht hat. Ein eklatantes Beispiel hat Stückrad ja schon im Landkreis Elbe-Elster kennengelernt – die Folgen der überall knallhart durchgezogenen Gemeindegebietsreformen und Kreisreformen, die den Bürgern mit der Begründung verkauft wurden, damit würde man wertvolle Gelder einsparen.

Die Landesregierungen drücken sich (auch in Sachsen) bis heute darum, die finanziellen Effekte dieser Zusammenlegungen tatsächlich zu evaluieren. Denn augenscheinlich haben sie in dieser Hinsicht gar nichts gespart. Aber sie haben den kleinen Dörfern und Städten flächendeckend ihre Souveränität genommen, haben simple Antragsvorgänge bürokratisiert und die Distanz der Wähler zu ihren Politikern ins Unermessliche wachsen lassen. Und damit auch die eklatante Ferne der etablierten Parteien zu ihren Wähler/-innen verschärft.

Organisierte Bedeutungslosigkeit

Den natürlich verändert sich das politische Klima in einer kleinen Kommune radikal, wenn man den gewählten Bürgermeister nicht mehr im Gemeindeamt antreffen kann, für jeden popligen Antrag erst in die immer weiter entfernte Kreisstadt muss und die dort getroffenen Entscheidungen auf die konkreten Probleme im Ort keine Rücksicht mehr nehmen. Das darf man ruhig erfahrene Machtlosigkeit nennen. Und auch noch die Entwertung des eigenen Lebensortes.

Und für viele dieser kleinen Orte war es eine radikale Herabstufung – erst von einem selbstverwalteten Dorf zu einem aus der nächsten Kleinstadt verwalteten Ortsteil, dann zum Teil eines immer anonymeren Gemeindeverbundes, während selbst die Kreisstadt herabgestuft wurde und der Riesenkreis längst so groß war, dass man darin keine wirkliche Identität mehr finden konnte.

Als Trostbonbon durften ja die so aufgelösten Kreise später ihre alten Kürzel auf den Nummernschildern behalten. Aber ihre alte Souveränität bekamen sie nicht zurück. Politik wurde immer zentraler und anonymer.

Und die Mutigen, über die Juliane Stückrad im zweiten Teil schreibt, begriffen als erste, dass sie auf diese politischen Strukturen nicht mehr zählen konnten, dass sie die Sache nur noch selbst in die Hand nehmen konnten, wenn ihr Ort nicht endgültig zur trostlosen Einöde werden sollte. In diesem Teil wird auch deutlicher, wie sehr das an starken Persönlichkeiten hängt, die einfach beginnen, die Sache ins Rollen zu bringen.

Bedingt dadurch, dass Juliane Stückrad einige Forschungsprojekte direkt in sächsischen und thüringischen Kirchgemeinden durchführte, rücken hier vor allem starke Pfarrer-Persönlichkeiten ins Bild, die auf einmal zu den Personen im Ort wurden, die jeder kannte und die jeden kannten – auch die Agnostiker und Atheisten.

Da wird schon sehr deutlich, wie falsch die allein auf Strukturen und Einsparpotenziale getrimmte Politik der ostdeutschen Landesregierungen war, wie sehr sie an den tatsächlichen Lebenswelten der Menschen vorbeiging und auch nicht verstand, dass Heimat und Nähe keine Folklore sind, sondern etwas mit Menschen zu tun haben, die sich mit ihrer Lebenswelt identifizieren.

Und damit, darin Gehör und Aufmerksamkeit zu finden. Wenn aber keiner da ist, der zuhört und aufmerksam ist, dann läuft selbst der Unmut ins Leere.

Verschwunden in der Beliebigkeit

„Dass die Ostdeutschen in einer anderen Unmutskultur aufwuchsen als Westdeutsche, zeigt sich auch daran, dass sie die Reaktionen auf ihren Unmut anders bewerten. Das drückt sich in der in Ostdeutschland viel gebrauchten Redensart aus: ‚Heute kann man alles sagen, aber es interessiert keinen mehr.‘“, schreibt Stückrad. Und wenig später: „Doch die Worte verloren mit der Transformation ihre Wirkkraft. Die kritische Rede der Ostdeutschen erhielt etwas Beliebiges.“

Wer aber nur noch Beliebigkeit erfährt, erfährt Gleichgültigkeit. Und damit letztlich auch Machtlosigkeit. Und das setzt sich dann in Wahlentscheidungen um. Wie bei den letzten ostdeutschen Wahlentscheidungen, bei denen die Schimpf- und Unmutspartei AfD bis zu 30 Prozent der Stimmen holte.

Wobei Stückrad zu Recht betont, dass es die eine geschlossene Gruppe der unmutigen Ostdeutschen nicht gibt. Dazu sind die ostdeutschen Lebenswelten viel zu differenziert, gibt es viel zu viele, die mit ihrer eigenen Transformationsgeschichte anders umgegangen sind, sich nicht in Niedergeschlagenheit und Unmut eingeigelt haben.

Und der zelebrierte Ärger der AfD ist ganz bestimmt nicht mehr das, was die junge Ethnologin vor 20 Jahren noch in der ostdeutschen Provinz erlebt hat, „denn die Unmutigen schimpfen nicht mehr selbst, sondern lassen nun für sich schimpfen. Der zu Formeln erstarrte Unmut ermöglicht kaum noch einen Zugang zum Leiden der Einzelnen an der Welt. Ich kann keine Utopie mehr daraus lesen, die uns voranbringen könnte.“

Wobei sie nicht stehen bleibt. Denn ihr ist ihre Rolle als anwesende Beobachterin nur zu bewusst. Und damit auch die Tatsache, wie leicht man dabei in Zuschreibungen und Bewertungen verfällt. Was eben leider das Problem des innerdeutschen Gesprächs ist, das eigentlich fast immer nur ein Monolog ist. Einer von oben herab. Denn kaum ein Ländchen ist ethnografisch so gründlich untersucht worden wie Ostdeutschland nach 1990.

Aber wer untersucht den Westen, der sich ja augenscheinlich bis heute in der Rolle des scheinbar gar nicht involvierten Beobachters versteckt? Wer untersucht eigentlich den?

Abweichung von welcher Norm?

„Ich gelangte zu der Einsicht, dass nicht nur die Ostdeutschen selbst Gegenstand wissenschaftlicher Fragestellungen sein sollten. Vielmehr ist die Wahrnehmung Ostdeutschlands einer kritischen, wissenschaftlichen Betrachtung zu unterziehen. Der Osten wird viel zu oft als Abweichung von der Norm beschrieben.“ Dadurch werden die Ostdeutschen zu Exoten im eigenen Land. Und ihre „unkomplizierten Alltagspraxen“ und Strategien, auch mit den widrigen Verhältnissen umzugehen, werden ausgeblendet, ignoriert, übersehen.

Oder, um mit der Frage zu schließen, die Juliane Stückrad ganz ans Ende stellt: „Wäre es nicht an der Zeit, endlich auch Westdeutschland ethnografisch zu erkunden?“ Ihr Epilog ist wie ein kleiner Rundumschlag, wie viele ethnografische Themen noch unbearbeitet sind und sie als Ethnologin reizen. Sollte sie sich jetzt auf den „Westdeutschen, das unbekannte Wesen“ stürzen, dürfte das einige durchaus erhellende Erkenntnisse bringen.

Und dann steht durchaus die Frage, wer das exotischere Exemplar ist. Oder ob das Gesehenwerden und Akzeptiertwerden nicht alle Exemplare der Spezies Mensch betrifft. Genauso wie die Frage, was denn eigentlich die Utopie eines als vollwertig erlebten Lebens ist. Wovon unsereins also wirklich träumt, was er vermisst und sucht und auch in den bunten Welten der Überflussgesellschaft nicht (mehr) findet.

Juliane Stückrad „Die Unmutigen, die Mutigen. Feldforschung in der Mitte Deutschlands“, Kanon Verlag, Berlin 2022, 24 Euro.

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Schön geschriebene Rezension, die die richtigen Fragen aufwirft und das Problemfeld umreißt. Wenn man den Osten im Westen als Abweichung von der Norm definiert, darf man sich nicht wundern, wenn im Osten die Norm des Westens zur Abweichung degradiert wird. Aber das Problem stellt sich natürlich auch hier, beim Blick von Leipzig raus in die Kleinstädte und Dörfer. Da fehlt es noch immer an Verständnis für die Eigenheiten der “Provinz”.

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