Sie hat gerade angesetzt zu sprechen, die Rektorin der Universität Leipzig bei der feierlichen Immatrikulation im großen Saal des Gewandhauses, da wird Eva Inés Obergfell unterbrochen von dem Sprechchor „Die ganze Uni hasst die AfD!“. Ein Banner wird hinter ihr auf der Empore gehisst. Darauf steht „AfD raus aus der Uni“. Die Emotionen der Rektorin lassen sich kaum auf ihrem Gesicht ablesen. Vielleicht hat sie gehofft, dass der Protest draußen bleiben wird, vor den Türen des Gewandhauses, wo rund 700 junge Menschen demonstrieren.

Deren Protest richtet sich gegen die Einladung der AfD-Landtagsabgeordneten Roland Ulbrich, Alexander Wiesner, Holger Hentschel, Jörg Kühne und Tobias Keller zur Immatrikulationsfeier. Der Sozialistisch-Demokratische Studierendenverband (SDS) hatte die Information am Montag veröffentlicht, zusammen mit dem Aufruf zu einer Kundgebung vor dem Gewandhaus. Die Forderung: Mitglieder der rechtsextremen AfD jetzt aus dem Saal werfen.

„Die Universität Leipzig schreibt sich auf die Fahne, Hass und Diskriminierung zu verurteilen“, so Laura von der BIPoC-Hochschulgruppe in einer Rede auf der Gewandhausbühne. „Sie lädt jedoch genau jene Politiker*innen der AfD ein, die wie kaum eine andere Partei für diese Begriffe steht und sie lebt. Mit dieser Einladung normalisiert die Unileitung diese Partei und ihre Werte und kommt ihrem Bildungsauftrag nicht nach.“

„Ich hoffe, dass die Uni den Anspruch an sich hat, marginalisierte Gruppen zu schützen“, so ein frisch Immatrikulierter in einer spontanen Rede auf der Bühne. „Das sollte so sein in einer Demokratie: Dass die marginalisierten Gruppen geschützt werden. Wenn man unkommentiert AfD-Politiker einlädt und sich als Uni nicht klar von der AfD distanziert, dann ist man selbst diskriminierend.“

Rektorin versucht abzuwiegeln

„Wir sind an der Universität zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet“, so Obergfell. Deshalb müsse man alle Parteien einladen. Auf Anfrage der LZ hatte die Universität bereits am Vormittag geantwortet: „Die Einladungsliste wird ausschließlich anhand der genannten Ämter zusammengestellt, die Parteizugehörigkeit spielt dabei keine Rolle.“

Obergfell wünschte sich, dass man nicht mit Zwischenrufen stören und die Diskussion an anderer Stelle führen soll; nicht bei der Immatrikulationsfeier zu Ehren der neuen Studierenden.

Dem kamen die Protestierenden nicht nach. Die Zwischenrufe ließen nicht ab und Obergfell lud Protestierende auf die Bühne ein, ihre Meinung kundzutun. Dem folgten drei Menschen aus dem Publikum und schließlich auch eine Vertreterin der BIPoC-Hochschulgruppe. Demonstrativ verließen die Protestierenden den Raum, nachdem sich die Rektorin geweigert hatte, die AfD-Mitglieder des Saals zu verweisen.

Universität hätte nicht alle Parteien einladen müssen

„Die Begründung des Rektorats, als öffentliche Institution dem Zwang der politischen Gleichbehandlung zu unterliegen, ist falsch“, so Phillipe von der Hochschulgruppe „Die Liste“ bei der SDS-Kundgebung. „Das Rektorat hätte sich im Sinne der Gleichbehandlung auch dazu entscheiden können, gar keine parteipolitische Vertretung einzuladen. Darüber hinaus wäre es ebenfalls möglich gewesen, im Vorfeld und ohne Druck von außen, klar Stellung zu beziehen. Das wurde nicht getan, weil es, wie vieles in der Universität, unter den Tisch fallen sollte.“

Es ist davon auszugehen, dass die AfD auch in den Vorjahren eingeladen worden ist. Ob AfD-Mitglieder heute tatsächlich im Saal waren, konnte die Redaktion bis Erscheinen dieses Artikels nicht abschließend überprüfen.

Rund 700 Demonstrant*innen vor dem Gewandhaus

Der Kundgebung des SDS auf dem Augustusplatz wohnten rund 700, größtenteils junge Menschen bei. Es gab unter anderem Redebeiträge der Organisator*innen, des Linken-Stadtrats Sören Pellmann, der Omas gegen Rechts, der BIPoC-Hochschulgruppe und der feministischen Gruppe „Zora“.

„Die Uni ist für uns ein Raum zur Bildung eines kritischen Bewusstseins und ein Ort, an dem alle Menschen unabhängig von Nationalität, Geldbeutel oder Gender partizipieren sollen“, so Ronja vom SDS. „Ich will in einer Stadt leben und in einer Uni studieren, in der sich FLINTA*, queere Menschen und People of Colour sicher fühlen können. All diese Werte tritt die AfD mit Füßen! (…) Die eingeladenen Personen sind Vertreter*innen des völkischen Flügels der AfD und stehen Seite an Seite mit Höcke, Krall und Co. Mit ihrer Einladung erweckt die Uni den Eindruck, Hass und Hetze seien eine normale Meinung und die AfD eine normale Partei, die im Sinne der Demokratie nicht ausgeschlossen werden darf. Aber was auf dem Spiel steht, ist die Demokratie selbst.“

„Es geht nicht, dass die Uni sich hier auf Neutralität beruft“, so ein*e Redner*in von „Zora“. „Das hat nichts mit Neutralität zu tun. Die Uni öffnet hier die Türen für Hass und Hetze.“

In den Redebeiträgen wurde vor dem Rechtsruck in Deutschland und Europa und dem Einreißen der Brandmauer zur AfD gewarnt.

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