Am Mittwoch, dem 6. August, bejubelte Sachsens Kultusminister die Lehrereinstellungen zum neuen und nahenden Schuljahr 2025/2026. Aber mit dem Lobgesang war auch der kleine Koalitionspartner SPD nicht glücklich. Denn eine wirkliche Minderung des Lehrermangels in Sachsens Schulen bringen auch die neu eingestellten rund 1.100 Lehrkräfte nicht. Eigentlich brauche es endlich eine richtige Bildungsreform, sagt Gerald Eisenblätter, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag.
„Die Unterrichtsversorgung bleibt eine Herausforderung und die wichtigste Aufgabe für den Kultusminister. Es ist erfreulich, dass mehr grundständig ausgebildete Lehrkräfte eingestellt werden konnten. Die in der letzten Legislatur ergriffenen Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs und der Ausbau der Lehramtsstudienplätze zeigen ihre Wirkung. Dadurch kann der Lehrkräftemangel etwas verringert werden“, gestand Gerald Eisenblätter zu.
Aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es überall im sächsischen Bildungssystem klemmt und knirscht. Was auch damit zu tun hat, dass Zahlen für eine langfristige Lehrerbedarfsplanung fehlen.
„Aber es braucht auch in Zukunft weitere Investitionen und eine verlässliche Bildungsplanung. Ich begrüße die Vorlage einer neuen Lehrerbedarfsprognose und erwarte, dass sie den tatsächlichen Bedarf vollständig aufzeigt. Die Zahlen dürfen nicht schöngerechnet werden, auch nicht mit dem Hinweis auf sinkende Schülerzahlen“, kommentiert Eisenblätter die in Aussicht gestellte Bedarfsprognose.
Und sieht mit Stirnrunzeln auf die jüngste Abordnungspraxis im sächsischen Bildungssystem: „Die neue Abordnungspraxis hilft kurzfristig, löst den Lehrermangel aber nicht dauerhaft. Hier muss mit Augenmaß vorgegangen werden. Freiwilligkeit und Lösungen vor Ort sollten im Mittelpunkt stehen, statt Zwang und Druck weiter zu erhöhen.“
Um Sachsens Bildungssystem zukunftsfest aufzustellen, brauche es weitere Reformen.
„Wir müssen die Lehrerbildung modernisieren und ein Lehrerbildungsgesetz auf den Weg bringen, aber auch die Vorschläge des Bildungsland Sachsen 2030 zeitnah umsetzen“, erklärte Eisenblätter am Mittwoch. „Eine flexible Stundentafel und überarbeitete Lehrpläne sollen mehr Eigenverantwortung, Praxisorientierung und fächerverbindendes Lernen ermöglichen.“
Und dann sagte er noch etwas, was so gar nicht zum sächsischen Bildungssystem zu passen scheint: „Unsere Aufgabe bleibt es, die Lernfreude der nächsten Generation bestmöglich zu unterstützen.“
Lernfreude in einem völlig überlasteten System? Da hat auch die Linke im Landtag so ihr Zweifel, dass in Sachsens Schulen nun Freude aufkommt.
Sachsen hat noch einen langen Weg vor sich, bis der Unterricht abgesichert ist
„Der Kultusminister ergreift Maßnahmen, die wir seit langem vorgeschlagen haben – das erkennen wir an. Dennoch gibt es keine Anzeichen, dass besonders der Lehrkräftemangel schnell behoben sein wird – heute ist weder der Lehrkraftberuf in Sachsen ausreichend ,attraktiv‘ noch das hiesige Angebot tatsächlich ,wettbewerbsfähig‘“, stellt die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Luise Neuhaus-Wartenberg, die Freudenmeldung aus dem Kultusministerium infrage.
„Es ist eine gute Nachricht, dass inzwischen mehr Lehrkräfte zur Verfügung stehen als im letzten Schuljahr. Unser Land bleibt aber weit davon entfernt, den Schulunterricht absichern zu können, zumal die Zahl an Schülerinnen und Schülern gestiegen ist. Es kommt nach wie vor zu wenig Lehrkräfte-Nachwuchs an die Schulen. Noch immer fallen hunderttausende Schulstunden aus, viel zu viele junge Menschen bleiben ohne Schulabschluss. Die Oberschulen leiden besonders stark. Eine ehrliche Analyse der Ursachen würde allen Beteiligten helfen.“
Und die vom Kultusminister gepriesenen Veränderungen erfolgten vor allem zulasten älterer Lehrkräfte. Abordnungen würden auf absehbare Zeit in großem Umfang stattfinden, so Neuhaus-Wartenberg: „Sie sollten eigentlich die Ausnahme sein. Gemeinsame Problemlösungen, die mit allen Seiten entwickelt werden und dadurch zum nötigen Wohlwollen führen, fehlen weiterhin. Unser Land verdient eine neue Lernkultur, die junge Menschen auf die Zukunft vorbereitet und die Lehrkräfte nicht krank macht!“
Auch die Linke wolle ein Auge darauf haben, ob und wie die Empfehlungen aus dem Prozess „Bildungsland Sachsen 2030“ tatsächlich umgesetzt werden.
„Es sind echte Reformen notwendig, und das im laufenden Schulalltag – darunter deutlich mehr multiprofessionelle Teams, Schulsozialarbeit an allen Standorten und konsequente Digitalisierung“, sagt die Landtagsabgeordnete. „Das Lehramtsstudium muss stärker in die Regionen gebracht und praxisnäher werden. Die Lehramtsausbildung braucht dringend Veränderungen, die Studierende von Beginn an praxisnah auf den Schulalltag des 21. Jahrhunderts vorbereitet.“
Und dann benennt sie ein Thema, bei dem die regierende CDU seit Jahren ihre Bauchschmerzen hat, weil sie so etwas als Kontrollverlust begreift, nicht als Freiheit zu einem selbstbestimmteren Lernen.
„Ein attraktives Angebot wird Sachsen nur machen können, wenn moderne Bildungskonzepte mehr Raum bekommen“, sagt Neuhaus-Wartenberg. „Die Zahl der Gemeinschaftsschulen, die längeres gemeinsames Lernen ermöglichen, ist immer noch winzig. Lediglich zwölf der 1.820 öffentlichen und freien Schulen entfallen auf diese Kategorie, das sind 0,006 Prozent. Wir wollen, dass mehr Gemeinschaftsschulen entstehen und die Familien die Schulart frei wählen können.“
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Oh Gott, wer findet einen Nachhilfelehrer (m/w/d) für Luise Neuhaus-Wartenberg? Prozentrechnung geht so, daß man die Zahlen ins Verhältnis setzt und dann schön mit Hundert multipliziert, und dann kommt immerhin rund 0,7% als Anteil der Gemeinschaftsschulen raus.