Während Eltern sachsenweit gegen die erneuten Schulschließungen protestierten, gingen in Kassel und Aue wieder Querdenker auf die Straßen. Am Samstag wurde außerdem den Opfern des schweren Unfalls auf der Prager Straße in Leipzig gedacht. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, 20. und 21. März 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

Während Polen seit Mitternacht als Hochinzidenzgebiet gilt, steigt auch die Inzidenz innerhalb Deutschlands weiterhin an. Am heutigen Sonntagmorgen gab das Robert-Koch-Institut einen bundesweiten Inzidenzwert von 103,9 an. Damit ist der kritische Grenzwert von 100 Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner/-innen wieder überschritten worden. Sachsen erreicht mit einer Wocheninzidenz von 145 den zweithöchsten Wert nach Thüringen. Der Vogtlandkreis nähert sich langsam der 400er-Marke, nur noch die Städte Leipzig und Dresden liegen unter 100. Aufgrund der steigenden Inzidenzen hatte die sächsische Staatsregierung vergangenen Donnerstag die Schließung von Schulen und Kitas in den Landkreisen Nordsachsen, Zwickau und im Erzgebirgskreis angeordnet. Ausgenommen davon sind nur Schüler/-innen aus Abschlussjahrgängen.

Elternproteste und Offener Brief des Lehrerverbandes

Am Samstag, 20. März, hatten Eltern in ganz Sachsen gegen die verordneten Schulschließungen protestiert. Nach einem Aufruf in den sozialen Medien wurden Kinderschuhe mit Botschaften landesweit vor die Rathäuser gestellt. „Ich stelle mich voll und ganz auf die Seite der Eltern, die Schul- und Kita-Öffnungen fordern. Wir haben in Coswig kaum Betroffenheit in den Schulen und Kitas, sodass ich bei regelmäßiger Testung für eine Öffnung plädiert habe“, so Thomas Schubert, Oberbürgermeister von Coswig.

Währenddessen fordert der Sächsische Lehrerverband mehr Sicherheit an den Schulen. In einem Offenen Brief an das Kultus- und Sozialministerium des Freistaates sowie an das Landesamt für Schule und Bildung beklagt der Verband unter anderem fehlenden Gesundheitsschutz.

Man müsse Impfangebote für die Beschäftigten aller Schularten sowie eine ausnahmslose Testpflicht einführen, um sowohl Lehrer/-innen als auch Schüler/-innen zu schützen. Auch die mangelnde technische Ausstattung sowie die Planungsunsicherheit werden in dem Schreiben thematisiert.

Querdenker in Kassel und Aue

Doch die Elternproteste blieben nicht die einzigen an diesem Wochenende. Die Inzidenzen steigen, Lockerungen müssen wieder zurückgenommen werden: Platz für Verschwörungstheorien und Querdenker. Am Samstag, 20. März, demonstrierten mehr als 20.000 Menschen im hessischen Kassel gegen die Corona-Maßnahmen. Natürlich wurde nicht nur die von der Stadt erlaubte Teilnehmendenzahl ignoriert, auch die Verstöße gegen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und die Einhaltung von Mindestabständen häuften sich.

Die Coronaleugner versuchten immer wieder Polizeiketten zu durchbrechen, ständig zogen nicht zugelassene Demonstrationszüge durch die Stadt. Auch in der Innenstadt tummelten sich Menschen, obwohl dort eigentlich nur ein Gegenprotest zugelassen war, der die Demonstranten stoppen wollte.

Sowohl zwischen Querdenkern und der Polizei als auch zwischen den Gegenprotestlern und Beamten kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Besonders stark in der Kritik steht ein Video, auf dem zu sehen ist, wie ein Polizist eine Fahrradfahrerin des Gegenprotests mit ihrem Kopf gegen den Lenker schlägt.

Ein weiteres Foto zeigt, wie sich eine Polizistin per Handzeichen mit den Demonstrierenden solidarisiert. Die Polizei Nordhessen teilte daraufhin mit: „Verhalten, das gegen das Neutralitätsgebot der Polizei verstößt oder Zweifel daran aufkommen lässt, ist für uns nicht akzeptabel.“ Bei den Protesten wurden ebenfalls erneut Journalist/-innen attackiert.

Ebenfalls am Samstag haben in Aue-Bad Schlema knapp 1.000 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert. Auch hier widersetzten sich die Teilnehmer/-innen den Anordnungen der Polizei, hielten sich weder an Abstände noch das Tragen einer Maske.

Trotzdem die Versammlung wenige Minuten nach Beginn aufgelöst werden sollte, blieben die Demonstrant/-innen in der Innenstadt. Aufgerufen zum Protest hatte die Gruppe „Freie Sachsen“, deren Vorsitzender der Rechtsextremist Martin Kohlmann ist.

Derweil verfolgte die sächsische Landesärztekammer mehrere Hinweise, nach denen Ärzt/-innen im Freistaat falsche Atteste ausgestellt haben sollen – unter anderem für Teilnehmer/-innen der Querdenken-Demonstrationen.

Gedenkveranstaltung an der Prager Straße

Nachdem sich am Dienstag, 16. März, auf der Prager Straße ein schwerer Verkehrsunfall mit drei Opfern ereignete, veranstaltete der Fußgängerverband Fuss e. V. am Samstag eine Mahnwache. Dabei sollte den Verstorbenen – einer 85- und einer 80-Jährigen sowie einem 80-jährigen Mann – gedacht werden. Außerdem sollte sich die Aktion auch an die Verkehrsplanung der Stadt Leipzig richten – nach so einer Tragödie könne man auf keinen Fall so weitermachen wie bisher, so die Veranstalter/-innen.

Knapp 50 Menschen versammelten sich am Unfallort auf Höhe der Haltestelle Franzosenallee. Ab 16 Uhr wurden weiße Figuren aufgestellt, eine Schweigeminute abgehalten, Blumen und Kerzen niedergelegt. Als Redner/-innen wohnten der Landtagsabgeordnete Marco Böhme (Linke), die Leipziger Stadträtin Kristina Weyh (Grüne), Rosalie Kreuijer vom ADFC und der Sprecher des Fußgänger-Verbandes Roland Stimpel bei. Corona-Regeln mit Abstand und Maske wurden eingehalten.

Zum Hintergrund: Am Dienstagvormittag war ein PKW in eine Menschengruppe gerast. Dabei verstarben zwei Passanten direkt, eine dritte erlag am Nachmittag ihren Verletzungen. Eine weitere Rentnerin wurde schwer verletzt, ebenso der 50-jährige Fahrer. Dieser hatte den Rechtsabbieger-Streifen geradeaus benutzt und dabei die Kreuzung bei Rot passiert.

Das Gedenken am 20. März 2021 an der Pragerstraße. Video: LZ, Sabine Eicker

Für mehr Gerechtigkeit

Die Mitarbeiter/-innen der Gabelstapler- und Logistik-Firma STILL am Standort Leipzig versammelten sich am Samstag, 20. März, vor dem Völkerschlachtdenkmal. Bei dieser Soliaktion, unterstützt durch die IG Metall, beklagten die Beschäftigten das Auslaufen des Tarifvertrages und die neuen Forderungen der Geschäftsführung.

„Außerdem wollen wir die seit 30 Jahren anhaltenden Ungerechtigkeiten zwischen Ost und West bemängeln“, so ein Mitarbeiter. „Wir arbeiten hier 38 Stunden pro Woche, unsere Kollegen im Westen 35 Stunden für das gleiche Geld.“ Deshalb habe man sich zusammengefunden und hoffe, dass die Arbeitgeberverbände die Aktion wahrnehmen.

Die Aktion am Völkerschlachtdenkmal. Video: LZ, Sabine Eicker

Worüber die LZ am Wochenende berichtet hat: In einem Interview erzählt Jens Hausner, Gesicht der Proteste gegen die Abbaggerung von Pödelwitz im Leipziger Südraum, wie es mit dem halb leergezogenen Dorf weitergehen soll.

Ralf Julke ging der Frage nach, ob Medien überhaupt von der Einstufung der AfD als Verdachtsfall berichten dürfen. Kurz bevor der Landtag über den Doppelhaushalt beschließen soll, erscheinen wieder Meldungen über die schwierige Finanzlage Sachsens – eine unnötige Panikmache?

Und auch die Leipziger SPD hat es geschafft – vielleicht gerade noch rechtzeitig, bevor die Inzidenzzahlen explodieren – mit Nadja Sthamer und Holger Mann ihre zwei Diraktkandidat/-innen für die Bundestagswahl zu wählen.

Etwas, was die Grünen noch vor sich haben und nun wieder von Tag zu Tag nicht leichter durchzuführen sein wird.

Was am Wochenende außerdem wichtig war: Nach dem Impfgipfel am Freitag, 19. März, erhält Sachsen 100.000 zusätzliche Impfdosen. 10.000 davon werden an Sachsen-Anhalt abgegeben, aufgrund der beunruhigenden Inzidenzen im Burgenlandkreis.

Am Samstag wählte die Brandenburger AfD den Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland auf Platz 1 der Landesliste für den Bundestagswahlkampf. Bei seiner Ansprache in Frankfurt (Oder) kritisierte Gauland erneut den Co-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen, der sich in einer Bundestagsrede gegen aggressives Verhalten, enthemmte Sprache und die Kooperation mit der Querdenker-Bewegung innerhalb der AfD aussprach.

Was morgen wichtig wird: Beim morgigen Bund-Länder-Gipfel besprechen die Kanzlerin und die Ministerpräsident/-innen das weitere Vorgehen in der Coronakrise. Außerdem schließen ab morgen, 22. März, wieder die Schulen und Kitas in Nordsachsen, Zwickau und dem Erzgebirgskreis.

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