Die Extremwetterereignisse mit immer gefährlicheren Auswirkungen auf die Natur und den Menschen werden für alle spürbarer. Aktuelle Beispiele waren die außergewöhnlichen Regenmengen und das daraus resultierende flächendeckende Hochwasser, gefolgt von einem extremen Temperaturabfall von 20 Grad über Nacht von +10°C auf -10°C.  So gestaltet sich bisher der Winter, welcher dem heißesten Jahr seit Wetteraufzeichnung mit zunehmend starken Hitzeperioden und anhaltender Trockenheit im Sommer folgt.  Neben dem allerorts zu beobachtenden Baumsterben wird das zunehmend auch für Tiere und Menschen gefährlich.

3.100 Hitzetote meldete das RKI für das Jahr 2023. Mit dieser Anzahl liegt Deutschland im weltweiten Vergleich sogar weit vorne, da viele Menschen in Städten leben und sich diese mitunter bis zu 10 Grad mehr als die Umgebung aufheizen. Ein interdisziplinäres Team von mehr als 30 nationalen Institutionen, Behörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen fordert auf der Grundlage gesammelter Nachweise „zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit in Deutschland“  eine umfassende Transformation, insbesondere von urbanen Räumen, um dem Klimawandel und seinen Auswirkungen zu begegnen.

Außer den gesundheits- und lebensgefährdenden Konsequenzen der Klimaerwärmung zeigen auch die Kosten den dringenden Handlungsbedarf auf. Rund 6,6 Milliarden Euro kosten Deutschland jährlich die Folgen des menschengemachten Klimawandels seit 2020 – zu diesem Ergebnis kommt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Zukunftsfähige Städte durch konkrete Maßnahmen zur Klimaanpassung

Nur ein sofortiges Umdenken und entschlossenes Handeln mit Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion, gepaart mit Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels, können langfristig für eine nachhaltige und klimagerechte Zukunft sorgen. Klimaexpert*innen zufolge handeln Regierungen zu langsam. Auch wenn es bundesweite Bemühungen um zukunftsfähige, innovative Lösungen gibt, wie Städte klimaresilienter, also krisensicherer, werden.

„Wenn Städte lebenswert bleiben sollen, müssen aber auch Stadtplaner umdenken“, mahnt die Tagesschau. Die große Frage lautet: Wie können Städte zu klimagerechten Orten werden? Bislang reichen die Antworten von Hitzeschutzkonzepten über ambitionierte Maßnahmen zur Klimaanpassung bis zur Erstellung von Gefahrenkarten, um sich gegen Hitze, aber auch Starkregen, zu rüsten.

Städte wie Österreichs Hauptstadt Wien investieren bereits Millionen Euro in den Umbau zur Klimamusterstadt. Einige Städte beginnen langsam zu reagieren, pflanzen Bäume, schaffen Erholungsoasen oder verfolgen die Idee von einem Umbau zu Schwammstädten. Dabei bergen manche Schritte zur Klimaanpassung Konfliktpotential: „Wenn Parkplätze Grünanlagen weichen müssen, finden das nicht immer alle gut.Auch in Leipzig erwirken Investor*innen immer wieder ‚Ausnahmegenehmigungen‘ für Verbotstatbestände nach Bundesnaturschutzgesetz.

Doch immer öfter und mit steigendem Zuspruch engagieren sich Bürger*innen für die Berücksichtigung von Klimaaspekten bei Bauvorhaben – so auch eine der bisher meist gezeichneten Onlinepetitionen der Stadt Leipzig zur Anpassung eines Bebauungsplans an den Klimanotstand im stark nachverdichteten Südwesten.

Bedeutung bewachsener Grünflächen

Die Funktion unversiegelter Flächen ist entscheidend für ein positives Stadtklima. Sie tragen durch Verdunstung und Versickerung zu einem natürlichen Wasserkreislauf bei und regulieren so das Klima. Bäume filtern Schadstoffe, Feinstaub, produzieren Sauerstoff und speichern sogar CO₂. Pro Jahr bindet ein Baum etwa fünf bis sechs Tonnen Kohlendioxid und produziert dabei jährlich etwa vier Tonnen Sauerstoff.

Dies entspricht grob kalkuliert pro Jahr etwa der Atemluft von zehn bis 20 Menschen. Mit jedem Neubau geht das nicht nur verloren, der Verbrauch endlicher Rohstoffe, Energie und Emissionen kommt noch hinzu. Die Baubranche gehört mit einem Drittel aller Treibhausgasemissionen weltweit zu den Hauptklimasündern.

Bei der Frage um Klimaschutz werden verschiedene Modelle diskutiert, in welchen Länder, Firmen oder Einzelpersonen ein bestimmtes Budget für CO₂-Emissionen haben. Damit ginge es nicht mehr darum, durch Verbote Emissionen zu reduzieren. Vielmehr hätten alle ein bestimmtes Kontingent mit dem sie eigenverantwortlich umgehen könnten.

Wer weniger hat, verbraucht und zahlt weniger. Wer mehr verdient, kann entweder auch verantwortliche Klimaanpassungen wirtschaftlich machen, oder zumindest keinen Gewinn auf Kosten der Bevölkerung, des Staats oder zukünftiger Generationen machen, ohne für die Folgen aufzukommen.

Bislang ist Leipzig nicht an die kommenden Klimaextreme angepasst. Ein Hauptproblem der Städte sind zu viele versiegelte Flächen. Bei Starkregen laufen die Wassermassen großflächig ab, in Dürreperioden steht zu wenig Wasser zur Verfügung. Zudem heizen sich Beton, Asphalt und Gebäude stark auf. Das Problem wurde zwar erkannt, doch eine wassersensible Stadtentwicklung auch zu einer verbindlichen Planungsgrundlage zu machen, wurde nach Antrag der Grünen erst in der letzten Stadtratssitzung beschlossen.

Baugenehmigungen werden ausgereicht, bei denen immer mehr Flächen versiegelt werden. Leider attestiert der Ökolöwe auch so ambitionierten Klimazielen wie dem Straßenbaumkonzept mit jährlich 1.000 versprochenen Bäumen bisher eine Negativbilanz: „Jedes Jahr werden mehr Bäume an Straßen und öffentlichen Grünflächen gefällt als neu- und nachgepflanzt.“

Dabei hat Leipzigs Stadtverwaltung Ziele und Maßnahmen für ein klimabewusstes Leipzig beschlossen. Mit einer 83 Maßnahmen umfassenden Liste soll die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen vorangetrieben, die Klimawandelfolgen begrenzt und sich diesen angepasst werden, um bis 2040 klimaneutral zu werden.

Die Stadtverwaltung möchte die Emissionen, ausgehend von 5,18 Tonnen Kohlendioxid-Ausstoß pro Kopf im Jahr 2020, auf 1,9 Tonnen pro Kopf im Jahr bis 2030 senken. Damit sich die Klima-Bilanz tatsächlich verbessert, müssen konkrete Maßnahmen des Energie- und Klimaschutzprogramms (EKPS) allerdings auch tatsächlich umgesetzt werden.

Petition fordert konkrete Umsetzung von Klimamaßnahmen

Seit 2020 gilt in Leipzig der Klimanotstand, sodass bei städtischen Entscheidungen der Klimaschutz mit höchster Priorität beachtet werden muss. Gleichzeitig wurden erste Sofortmaßnahmen beschlossen und 2021 mit der Stadtklimaanalyse wichtige Daten erhoben. Diese zeigen unter anderem auf, welche besonders dringenden, längst überfälligen Maßnahmen zur Klimaanpassung zum Schutz der Bevölkerung, ihrer Gesundheit und langfristig eben auch aus wirtschaftlicher Sicht wichtig sind.

So sind in der Stadtklimaanalyse besonders von extremer Hitzebelastung betroffene Bereiche verzeichnet, für die „Maßnahmen für die Anpassung an den Klimawandel und die Reduzierung von Hitzestress prioritär umgesetzt werden sollten.“

Aber wie steht es um die Rechtswirksamkeit der verabschiedeten Maßnahmen und Klimaanalyseergebnisse? Werden Stadtentwicklungspläne tatsächlich angepasst und umgesetzt mit der höchsten Priorität Klimaschutz?

Darauf zielt auch die bereits erwähnte Petition zur Anpassung des Bebauungsplans Nr. 428 und des Flächennutzungsplans an den Klimanotstand ab. Sie beruft sich auf das Sofortmaßnahmenprogramm der Stadt Leipzig sowie die Erkenntnisse der Klimaanalyse – der zufolge die letzten verbliebenen Grünflächen in Plagwitz als besonders schützenswert vor weiterer Bebauung gelten.

Betroffene teils öffentlich genutzte und bewachsene Flächen gehören zum „klimatischen Sanierungsbereich“ und tragen als Frischluftschneise und Kaltluftentstehungsbiet positiv zum Stadtklima bei. Neben der Verbesserung der Schutzgüter Klima und Luft geht es in hitzebelasteten Arealen auch um das Schutzgut Boden und Biotope und damit Artenschutz, Biodiversität und nicht zuletzt um die soziale Frage.  Die Tatsache, dass Fragen zu Umwelt- und Klimagerechtigkeit nicht losgelöst von Fragen der sozialen Gerechtigkeit gesehen werden können, ist längt unbestritten.

Nach einem regen und bereichernden Austausch zwischen den Fachausschüssen, der Verwaltung und den Petitent*innen, kann der Stadtrat in der Januarsitzung endlich über den Verwaltungsstandpunkt abstimmen. Ebenso wie über einen Änderungsantrag, den der für den Stadtteil und das Gebiet zuständige Stadtbezirksbeirat Südwest zusätzlich eingereicht hat.

„Auch aus Sicht der Verwaltung ist es unstrittig, dass es insgesamt im Bereich des Gewerbegebiets Plagwitz zu teils extremen Wärmebelastungen kommt. Ursache sind der hohe Versiegelungsgrad, die bauliche Dichte und die vergleichsweise mangelhafte Ausstattung der öffentlichen (Straßen)Räume und der privaten Gewerbeflächen mit Grünstrukturen.“

Sie stimmen mit dem Ziel der Petition überein, dass Bau- und Nutzungspläne daraufhin überprüft werden sollen, ob sie tatsächlich zu stadtökologischer und stadtklimatischer Verbesserung beitragen. Zusätzlich fordert der Änderungsantrag, dass Eigentümer, Nutzerbelange sowie Belange des Lokalklimas in einer Art Interessensausgleich berücksichtigt werden, bei der Frage, ob die Fläche von Bebauung freigehalten, privat gewerblich gebaut oder eine dauerhaft vorhandene, im Einklang mit bestehenden Biotopstrukturen ausgeübte Nutzung gesichert wird.

Der einstimmig von allen Mitgliedern des Stadtbezirksbeirates getragene Änderungsantrag zielt auf eine auf Gutachten basierte Balance zwischen  Investitionen und Klima ab. Lebensqualität durch den Erhalt und die Verbesserung von Klima und Umwelt sowie unter Berücksichtigung von Belangen der Stadtbevölkerung. Progressive Beschlüsse – für eine auch in Zukunft lebenswerte Stadt.

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