Auch unterm Tagesordnungspunkt Petitionen ging es am 27. August in der Ratsversammlung noch einmal um das Thema bezahlbares Wohnen. Denn immer mehr Leipziger/-innen leiden unter steigenden Mieten, finden keinen bezahlbaren Wohnraum mehr oder werden vom Jobcenter mit Kostensenkungsaufforderungen überschwemmt, bei denen sie eigentlich keine Handlungsspielräume haben. Erst recht, wenn die Basis, auf der das Jobcenter agiert, zwei Jahre alt ist. Ein Dilemma. Der Petitionsausschuss schlug trotzdem die Ablehnung einer dringenden Petition vor.

Der Petitionsausschuss hielt sich da ganz an den Beschlussvorschlag des Sozialamtes, das sich darauf zurückzog, dass die aktuell gültigen, vom Stadtrat beschlossenen Kosten der Unterkunft gelten. Nur basieren die auf über zwei Jahre alten Zahlen. Da ist man in einigen Vierteln schnell über dem möglichen Ermessensspielraum des Jobcenters und sucht dann in der Regel vergeblich nach einer bezahlbaren Wohnung – nicht mal im eigenen Quartier, sondern in ganz Leipzig.

Das Sozialamt meinte: „Mit der Petition sollen eine unverzügliche Anpassung der KdU-Richtwerte an die tatsächlichen Mietpreise in Leipzig unter Berücksichtigung des aktuellen Mietspiegels erreicht, eine Überprüfung und Aktualisierung der KdU sichergestellt sowie besondere Bedarfe aufgrund von Behinderung und Pflege beachtet werden.

Die in der Petition geforderten Maßnahmen setzt die Stadt Leipzig mit dem sog. Schlüssigen Konzept zur Herleitung angemessener Kosten der Unterkunft und durch die Prüfung des im jeweiligen Einzelfall angemessenen Bedarfs an KdU bereits um. Zudem ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Überprüfung und Aktualisierung nicht möglich, da der nächste Mietspiegel – dessen Datenerhebung als Grundlage für die Überprüfung und Aktualisierung dient – im Juni dieses Jahres veröffentlicht wird.“

Immer wieder vertagt

Warum diese zeitnahe Anpassung der KdU-Kosten eigentlich gerade für die Betroffene dringlich ist, begründete die Petentin so: „Ich selbst bin alleinerziehend mit zwei Kindern mit Pflegebedarf und gezwungen, seit Jahren in einer viel zu kleinen Wohnung zu leben. Ein Umzug in eine angemessene Wohnung scheitert am festgelegten KdU-Rahmen.

Ortswechsel sind für mich aufgrund des Pflegebedarfs meiner Kinder und eines dringend notwendigen, gefestigten sozialen Umfelds keine Option. Doch ich bin bei Weitem nicht die Einzige: Viele Betroffene stehen vor ähnlichen Problemen und finden schlicht keinen Wohnraum, der zu den aktuellen KdU-Werten passt.

Es kann nicht sein, dass Menschen durch veraltete Richtwerte in unzumutbaren Wohnsituationen verharren müssen oder gezwungen sind, aus eigener Tasche die Differenz zu den tatsächlichen Mietkosten zu zahlen – und das bei ohnehin knappen finanziellen Mitteln.“

Die Petition wurde schon im Januar eingereicht, wurde dann im Stadtrat immer wieder vertagt. Die Linksfraktion fand den Beschlussvorschlag des Petitionsausschusses, die Petition einfach abzulehnen, dann doch zu dünn. Und schrieb gleich noch einen dicken Änderungsantrag, der dann am 27. August im Stadtrat zu einer veritablen Diskussion zu den Leipziger Kosten der Unterkunft, ihrer Angemessenheit und den verfügbaren Wohnungen im KdU-Bereich führte.

Ein Änderungsantrag, der durchaus Wohlwollen bei Grünen und SPD fand, denn die Probleme sind ja real. Juliane Nagel hatte ja vollkommen recht, als sie in ihrer Rede zum Änderungsantrag die zunehmend beklemmendere Lage für Haushalte mit kleinen Einkommen oder gar Bürgergeldbezug in Leipzig schilderte.

Wohnungen suchen, die es nicht gibt

Dass selbst die Geflüchteten in den Leipziger Gemeinschaftsunterkünften eine Mietkostensenkungsaufforderung vom Jobcenter bekommen, macht die ganze Sache noch verzwickter. Auch wenn der Sinn dabei – wie OBM Burkhard Jung meinte – ja darin bestehe, die Betroffenen dabei zu bestärken, eine andere, preiswertere Wohnung zu suchen. Nur findet die sich nun einmal nicht mehr so einfach.

Viele Geflüchtete, die längst hätten umziehen können, wenn es diese Wohnungen gäbe, hängen seit Jahren in den Gemeinschaftsunterkünften fest.

Es war schon erstaunlich, wie der Änderungsantrag der Linken die Diskussion entfachte und zeigte, dass das Thema bezahlbare Wohnung in Leipzig nicht mehr nur köchelt, sondern kocht. Und dass die ganzen Instrumente, die Stadt und Stadtrat bislang entwickelt haben, nur bedingt helfen.

Nur hat eben auch SPD-Stadtrat Andreas Geisler recht: Die Linksfraktion hätte gut daran getan, mit dem Änderungsantrag erst einmal in die Ausschüsse zu gehen. Da hätte man dann vielleicht gemeinsam eine Lösung gefunden. So wurde es eine Diskussion in aller Öffentlichkeit, ohne dass eine Lösung greifbar wurde.

Auch nicht für das Thema zeitnahe Anpassung der KdU-Kosten. Wenn die Daten, mit denen das Jobcenter arbeitet, mehrere Jahre alt sind, sind die Betroffenen natürlich berechtigterweise verzweifelt, weil der alte Ermessensspielraum, mit dem das Jobcenter Kulanz üben kann, nicht mehr zum aktuellen Wohnungsmarkt passt.

Aber schneller wird’s wohl nicht. Erst nachdem die Stadt einen neuen, gültigen Mietspiegel erarbeitet hat (den es inzwischen gibt), kann sie auch daran gehen, die Kosten der Unterkunft neu zu berechnen. Da sei man wohl gerade dabei, hört man aus der Verwaltung.

Schnelle Lösungen gibt es nicht

Das sind alles zeitzehrende Prozesse, die aber deshalb so lange dauern, weil die Ergebnisse hinterher gerichtsfest sein müssen. Auch im Sinne der betroffenen Mieter.

Und so hatte an diesem Tag auch der Änderungsantrag der Linksfraktion keine Chance, so berechtigt ihn mehrere Fraktionen fanden. Der hätte wohl wirklich erst einmal den Weg in die Ausschüsse suchen sollen. Alle fünf Punkte wurden letztlich abgelehnt. Und es zeichnete sich schon ab, dass auch die dringliche Petition keine größeren Chancen haben würde. Mit 33:21 Stimmen bei acht Enthaltungen folgte die Ratsmehrheit dem Vorschlag des Petitionsausschusses auf Ablehnung der Petition.

Einziger Trost: Dass die Mitarbeiter/-innen des Jobcenters tatsächlich einen Ermessensspielraum haben und jeder Fall eine Einzelfallentscheidung ist. Und dass das von der Stadt entwickelte „schlüssige Konzept“ vielleicht hilft, die schlimmsten Härtefälle zu vermeiden. Auch wenn allen klar ist, dass es in Leipzig nicht nur an hunderten, sondern an tausenden Wohnungen im KdU-Bereich fehlt. Und sich die Lage bei einer Erhöhung der KdU-Werte nicht wirklich entspannen wird.

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Der entscheidende Sturm auf den ehemals relativ freien Wohnungsmarkt begann 2015. Jetzt regiert Angebot und Nachfrage, das Grundprinzip des Kapitalismus. Das jetzt mit sozialistischen Regeln ausser Kraft setzen zu wollen, ist ein frommer Wunsch, eher ein Betteln, letztendlich gerichtet an das internationale Finanzkapital.

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