Die Sache mit dem in der Überschrift benannten Misstrauen ist keine Erfindung des Autors. Juliane Nagel zitierte diese Aussage eines CDU-Politikers im Sächsischen Landtag bei der Podiumsdiskussion zum Sächsischen Transparenzgesetz am 22.10.2025. Im LinXXnet fand dazu eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Sachsen – das Ende der Transparenz“ statt. Wir können die eineinhalb stündige Veranstaltung nicht umfassend darstellen, deshalb die Konzentration auf einige Punkte.
Juliane Nagel, Landtagsabgeordnete der Partei Die Linke, diskutierte mit dem Journalisten Aiko Kempen, viele kennen ihn von „Frag den Staat“, zum Thema Sächsisches Transparenzgesetz, was bringt die Verschiebung der zweiten Säule und was befürchten einige Akteure.
Das Sächsische Transparenzgesetz ist seit dem 01.01.2023 in Kraft. Die zweite Stufe, die Einführung einer Transparenzplattform ab 2026, soll nun vorerst auf 2028 verschoben werden. Einige Menschen befürchten, dass das gesamte Gesetz entschärft, wenn nicht gar wieder abgeschafft werden soll.
Transparenz und Herrschaftswissen
Aiko Kempen stieg auch gleich mit einer Aussage des ehemaligen Innenministers von Bayern vor. Er zitierte sinngemäß: „Diese Gesetze seine gar nicht sinnvoll, weil die Bürger würden das ja gar nicht verstehen, wenn sie so einen Aktenordner bekommen. Wenn die das lesen, die verstehen ja gar nicht, was da drin steht. Und das wäre ja dann auch Quatsch, wenn man denen das jetzt zumuten würde.“
Man könnte also meinen, dass Politikerinnen und Politiker die mündigen Bürgerinnen und Bürger als ziemlich minderbemittelt ansehen. Leider braucht man sie aber, um Wahlen zu gewinnen.
Aiko Kempen führte weiter aus: „Das ist ja dieser Gedanke, dass man sagt, man hat eine Art von Herrschaftswissen, die eine, wie auch immer in diese Position gekommen Gruppe, in diesem Fall Regierungsmitglieder und deren Bedienstete haben dieses Wissen, das hat in diesem Kreis zu verbleiben. Das ist der Gedankengang, dass man sagt, Wissen ist Macht und dieses Wissen soll dort in dieser Machtposition auch gebündelt sein. Transparenz ist quasi das Gegenteil von Herrschaftswissen.“
Wir haben Aiko Kempen gefragt, warum Transparenz wichtig ist.
So weit dazu. Aber was geht uns das an?
Was besagt das Sächsische Transparenzgesetz?
Es besagt, laut der damaligen Justizministerin Meier (Grüne), dass „alle Bürgerinnen und Bürger einen Zugang zu Informationen der Regierung und Verwaltung des Freistaates erhalten, wie zum Beispiel Regierungsbeschlüsse, Gesetzentwürfen, Gutachten, Studien, Berichte, Informationen über Zuwendungen sowie Beteiligungen des Freistaates. Diesen Zugang erhalten sie zum einen auf Antrag, zum anderen perspektivisch auch über sich im Aufbau befindliche Transparenzplattform, auf der die Verwaltung die Informationen selbst zur Verfügung stellen wird.“
Die erste Säule „Informationen auf Antrag“ ist bereits in Kraft, momentan wird im Landtag über die zweite Säule verhandelt.
Dazu kommentiert Juliane Nagel: „Über die zweite Säule diskutieren wir gerade im Landtag. Vielleicht erst mal zu dieser ersten Säule, mit der wir als Bürgerinnen und Bürger in Sachsen auch hantieren können. Es gibt massive Fehlstellen, es gibt finanzielle Hürden, es gibt Stellen, bei denen man per Gesetz quasi keine Information erlangen kann.
Uns als Linke hat besonders getroffen, dass die kommunale Ebene, wo Menschen leben, wo sie Bauprojekte sehen, wo sie irgendwas sehen, was geschieht, kein Teil dieses Gesetzes ist. Viele andere Institutionen wie Hochschulen, Bildungseinrichtungen sind nur beschränkt informationspflichtig.“
So ist es, alle Institutionen und Einrichtungen außerhalb von Landesregierung und Landesbehörden, können sich als transparenzpflichtige Stellen verpflichten. Sie müssen es aber nicht.
Warum ist das für Leipzig wichtig?
In Leipzig gibt es eine Informationsfreiheitssatzung, diese hat allerdings einen eingeschränkten Wirkungskreis. Sie gilt nicht für Weisungsaufgaben der Stadtverwaltung, diese Einschränkung beruht auf §4 (1) der Sächsischen Gemeindeordnung. Im Klartext bedeutet das: Die Stadt kann den Umgang mit Informationen zu Weisungsaufgaben nicht per Satzung regeln.
Allerdings ist die Argumentation, man könne zu Weisungsaufgaben keine Auskünfte erteilen, falsch. Nur wenn ein Antrag auf Auskunft zu Weisungsaufgaben gemäß Informationsfreiheitssatzung gestellt wird, kann die Stadt formal mitteilen, dass der Zugang zu dieser Information nicht von der Satzung umfasst wird.
Die gleiche Frage kann man als Bürgeranfrage an den Oberbürgermeister in der Ratsversammlung einreichen, dann kann sie oft beantwortet werden. Ist das absurd? Mit einer Transparenzsatzung sollte das nun geheilt werden, die Stadt Leipzig sollte sich gemäß Stadtratsbeschluss zur transparenzpflichtigen Stelle erklären und somit wäre das Sächsische Transparenzgesetz auch für Leipzig gültig gewesen.
Wir fragten Juliane Nagel, wie es jetzt ihrer Meinung nach weitergeht:
Durch die geplante Verschiebung der Transparenzplattform, die ein essenzieller Bestandteil der Transparenzsatzung ist, wird auch diese auf frühestens 2028 verschoben. Interessant dabei ist auch, dass laut Jule Nagel die Transparenzplattform einsatzbereit ist. Sie wird jetzt wohl „eingemottet“.
Mängel im Gesetz
Aiko Kempen beschrieb einige der Mängel. Beispielhaft ist folgender Vorgang: „Mich würde ja nicht nur interessieren, wie sieht das fertige Gesetz aus, sondern mich würde interessieren, wie ist das Gesetz entstanden. Welche Stellen haben sich dazu unterhalten, was ist da passiert. Alles, was wir versuchen, bei Recherchen über das Informationsfreiheitsgesetz zu bekommen, sind in großen Teilen interne E-Mails. Dadurch kann man wirklich große Skandale aufdecken. Wir nehmen zum Beispiel die Fördermittelaffäre um Stark-Watzinger. Das waren interne E-Mails. Sachsen sagt, dass so etwas gar nicht von dem Gesetz erfasst ist.“
Er führt danach auch auf, dass beispielsweise der E-Mail-Verkehr des sächsischen Innenministeriums mit dem Ordnungsamt Leipzig zu den Geschehnissen am Tag X ebenfalls nicht freigegeben wurde. Da eine kommunale Stelle involviert war, greift das Gesetz nicht.
Juliane Nagel wies auf die Evaluation zum Gesetz für die Jahre 2023/24 hin, es wurden jeweils 600 Anfragen gestellt, ein Drittel das Innenministerium betreffend. Von den insgesamt 1.200 Anfragen in den beiden Jahren wurden 460 vollumfänglich beantwortet, 343 vollumfänglich abgelehnt, der Rest wurde wahrscheinlich teilweise beantwortet oder abgelehnt. Wie viele Anträge zurückgezogen wurden, weil die angekündigten Kosten zu hoch waren, dazu gibt es keine Auskunft.
Es scheint also, als ob das Gesetz noch einen großen Spielraum hat, um Anträge abzulehnen, beziehungsweise um Antragsteller abzuschrecken.
Fazit: Das Sächsische Transparenzgesetz hat einige Lücken, trotzdem ist es fatal, wenn es jetzt verschoben und eventuell zurückgedreht wird. Die Bürgerinnen und Bürger haben den Anspruch, politische Prozesse nachvollziehen zu können. Transparenz des Staates hat nichts mit Misstrauen zu tun, es geht um demokratische Mitgestaltung.
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