Es ist durchaus ein Erfolg, dass die Petition zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer das Quorum erreicht hat. Attac hat die fast 68.000 Unterschriften, 30.000 wären erforderlich gewesen, medienwirksam am 12. August an den Petitionsausschuss des Bundestages übergeben. Ist also alles gut, warum habe ich Fragen? Ist die Zahl von knapp 68.000 Unterzeichnenden wirklich eine „stolze Zahl“?

Schauen wir auf die Zahlen. In Deutschland sind laut Statistischem Bundesamt, zum Stand April 2025, 21,1 Prozent der Menschen armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. 15,5 Prozent sind armutsgefährdet und 6,2 Prozent der Gesamtbevölkerung müssen erhebliche materielle und soziale Entbehrung in Kauf nehmen.

Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung - Statistisches Bundesamt. Screenshot: LZ
Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung – Statistisches Bundesamt. Screenshot: LZ

Nehmen wir nur die letzte Zahl als „arm“ an, dann sind das, bei einer Bevölkerungszahl von 83,5 Millionen, rund 5,2 Millionen arme Menschen. Dazu kommen noch die etwa 7,8 Millionen Armutsgefährdeten. Es war ein großes Potenzial da, warum haben von den etwa 13 Millionen Menschen „nur“ 68.000 die Petition unterzeichnet? Man kann zusätzlich davon ausgehen, dass ein Teil der Unterzeichnenden nicht zu der Gruppe gehört.

Hoffen arme Menschen auf einen Lottogewinn, der sie in die Kategorie „wohlhabend“ katapultiert, oder hat die Propaganda gegen „faule Bürgergeld beziehende Menschen“ und „Migranten, die unsere Sozialsysteme ausnutzen“ solche Erfolge in den Köpfen erreicht? Letzteres ist zu befürchten.

Ein anderer Grund könnte das geringe Medienecho sein. Vielleicht haben Menschen außerhalb der Internetblasen nicht mitbekommen, dass es diese Petition gibt. Attac und andere Initiativen haben in den sozialen Netzwerken geworben und sind auch mit Straßenständen auf Menschen zugegangen. Die Resonanz in den Medien, inklusive des ÖRR, war aber sehr überschaubar.

Das Framing spielt selbstverständlich eine Rolle. So titelte Bild am 19.02.25 „Studie: Vermögenssteuer bringt kaum was ein: Watsche für SPD und Grüne“, eine Berichterstattung über die Petition konnte man dort nicht finden.

Vielleicht hat es aber auch etwas mit dem Begriff „Vermögen“ zu tun. Es ist ja oft von einem Schonvermögen die Rede, so bei Bürgergeld, Grundsicherung, Unterhalt, Unterbringung im Pflegeheim und ähnlichem. Haben einige Menschen nicht verstanden, dass es bei der Vermögenssteuer um ein anderes Vermögen, als die paar tausend Euro Schonvermögen, geht?

Es war eventuell auch noch der Nachklang auf die Polemik von Bild gegen Robert Habecks Vorstoß, Kapitalerträge sozialversicherungspflichtig zu machen. Da wurde der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler zitiert mit: „Nach dem Heizungshammer wäre das die zweite Atombombe für unser Land. Habeck will die Sparer enteignen. Sein Anschlag auf die Sparkultur würde den Gering- und Durchschnittsverdienern einen Großteil ihrer Kapitalerträge wegnehmen. Der Weg in die Altersarmut wäre damit vorprogrammiert.“

Das hat selbstverständlich Auswirkungen auf die Meinungsbildung, auch von gering verdienenden Menschen, die noch nie Kapitalerträge hatten oder ein Vermögen besitzen, für welches Vermögenssteuer greifen würde.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass es oft mehrere Petitionen zum gleichen Thema auf verschiedenen Plattformen gibt. So hat Attac die Petition auf dem E-Petitions-Portal des Deutschen Bundestags eingereicht, aktuell gibt es eine weitere Petition zur Vermögenssteuer auf dem Portal inn.it. Die Petition auf openPetition „Vermögenssteuer für Superreiche“ lief von März bis Juni 2025. Nimmt man sich damit gegenseitig die Unterzeichnenden weg, oder sind es meist dieselben Menschen?

Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass viele Menschen meinen: „Egal was der Staat an Steuereinnahmen hat, wenn ich arm bin, habe ich nichts davon“. Das Misstrauen gegenüber dem Staat wächst leider und somit sinkt vielleicht auch die Bereitschaft zur Beteiligung, sei es auch nur das Unterzeichnen einer Petition.

Fazit: Die Petition war erfolgreich, das ist gut. Es ist aber dringend erforderlich, weiter über solche Petitionen zu berichten und sie, auch durchaus kritisch, einzuordnen. Wer Petitionen nicht kennt, kann diese nicht mitzeichnen. Wer Falschinformationen über den Gegenstand einer Petition hat, wird sie nicht mitzeichnen. Das zu ändern, ist auch ein Auftrag der Medien.

Der Staat, hier die Bundesregierung, muss endlich etwas tun, um das Misstrauen in der Bevölkerung zu beseitigen. Da hilft es nichts, wenn Merz verbal gegen NGOs und Bürgergeldempfänger schießt, oder Weimer das Gendern verbietet. Für solche Spielchen ist die Lage zu ernst.

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