27,5 Millionen Euro sollten es werden, 26,1 Millionen Euro sind es am Ende geworden, die dann am 27. August in der Informationsvorlage von Finanzbürgermeister Torsten Bonew standen, um die der Doppelhaushalt 2025/2026 gekürzt werden soll. Zusammengekratzt in allen Dezernaten. Und vielleicht der gerade noch nötige Beitrag, dass die Landesdirektion Sachsen in den nächsten Wochen den Leipziger Doppelhaushalt doch noch genehmigt. Aber am 27. August wurde es noch einmal prinzipiell, heftig und schräg.

Und gerade die AfD-Redner Droese und Keller und die Redner für die CDU-Fraktion, Michael Weickert und Falk Dossin, nutzten die Gelegenheit, um noch einmal verbal ordentlich auf „Rot-Rot-Grün“ einzudreschen und ohne jeden Beleg am Rednerpult zu behaupten, die Haushaltsanträge von Linken, Grünen und SPD hätten dazu geführt, dass Leipzig in ein riesiges Haushaltsdefizit hineingerauscht ist.

Was schlicht nicht stimmt.

Was auch in der geradezu wilden Rede von FDP-Stadtrat Sven Morlok nicht stimmte. Nur eins stimmte daran: Dass Morlok tatsächlich vor sechs, vier und zwei Jahren in der Haushaltsdebatte auch am Rednerpult stand und darauf hinwies, dass Leipzig ein strukturelles Haushaltsdefizit hat und sich Mehrausgaben eigentlich auch damals schon nicht leisten konnte.

Da hat er nun einmal recht. Und er hat so frühzeitig gewarnt, dass man sich fragen kann: Haben das die anderen Fraktionen nicht gemerkt? Oder die Verwaltung mit Finanzbürgermeister Torsten Bonew selbst?

Worin besteht das strukturelle Haushaltsdefizit?

Gute Frage. Schwere Frage. Denn dass Leipzig ein strukturelles Haushaltsproblem hat, ist nicht durch den Leipziger Stadtrat verschuldet. Auch wenn es die Redner von CDU und AfD bar jeder Begründung behauptet haben.

Sven Morlok (FDP / Freie Fraktion). Foto: Benjamin Weinkauf
Sven Morlok (FDP /Freie Fraktion). Foto: Benjamin Weinkauf

Denn strukturell heißt eben, wie Oberbürgermeister Burkhard Jung am Ende sehr detailliert erklärte, dass die Stadt zu viele Ausgaben hat, die sie nicht verweigern kann – nämlich zum großen Teil Pflichtaufgaben, die sie von Bund und Land zugewiesen bekommen hat. Dafür aber nicht die nötigen Einnahmen bekommt.

Was ja Thema der umfassenden Anfrage der Linken war, über die wir an dieser Stelle schon berichtet haben.

Beide Instanzen haben in den letzten Jahren den Kommunen immer mehr Pflichtaufgaben zugewiesen, ohne für eine ausreichende Finanzierung zu sorgen. Was 2024 erstmals dazu geführt hat, dass die deutschen Kommunen ein Defizit von 25 Milliarden Euro aufgehäuft haben, wie Burkhard Jung auch als Präsident des Deutschen Städtetages berichten kann. Und 2025 werden es 38 Milliarden sein.

Denn zu dem Ausgabenberg, den vor allem der Bund den Kommunen zugewiesen hat, kommen nun auch noch aufgrund der Konjunkturflaute Ausfälle bei den Steuereinnahmen.

Morlok hat an diesem Punkt recht: Das strukturelle Defizit hätte schon vor sechs Jahren angegangen werden müssen. Aber eben nicht (nur) auf kommunaler Ebene, auch wenn er gewaltig auf die Fraktionen von Linken, Grünen und SPD schimpfte. Denn es geht hier um völlig andere Dimensionen, nicht um die 25 bis 80 Millionen Euro, über die der Stadtrat in den Haushaltsverhandlungen überhaupt noch entscheiden kann. Das sind Peanuts im Vergleich mit dem aufklaffenden Defizit.

2027/2028 wird es noch heftiger

Und auch Michael Weickert sagte nicht die Wahrheit, als er Rot-Rot-Grün für das Defizit im Haushalt verantwortlich machte. Man kann das als billiges Ablenkungsmanöver betrachten, das den Leipzigern dann einredet, die Probleme im Leipziger Haushalt seien von Rot-Rot-Grün verursacht.

Es geht allen deutschen Kommunen so, betonte Burkhard Jung. Und deutete natürlich auch an, dass das Problem noch viel schlimmer wird, wenn die deutschen Kommunen mit dem Bund nicht zu einer ehrlichen Ausfinanzierung all der Aufgaben kommen, die der Bund den Kommunen zugewiesen hat.

Denn schon jetzt ist absehbar, dass Leipzig nicht nur 100 Millionen Euro bis 2027 einsparen muss, wie es der Stadtrat im März beschlossen hat, wovon die 26 Millionen Euro ja nur ein Viertel sind. Sondern da wird eine Lücke von 200 bis 300 Millionen Euro auflaufen. Das wird mit dem Zusammenkratzen kleiner Posten in allen Dezernaten nicht mehr zu schaffen sein. Der Kampf um den Haushalt 2027/2028 wird noch heftiger.

Und um solche Spielräume zu schaffen, geht es wirklich an echte Einsparungen im ganzen Verwaltungsapparat, braucht es die Strukturdebatte zu Personal und Ämterstruktur, die inzwischen auch begonnen ist.

Dass wenigstens die 100 Millionen Euro zusammenkommen, da sieht Burkhard Jung gute Chancen. Nach den 26 Millionen Euro, die dem Stadtrat am 27. August zur Kenntnis gegeben wurden, sind weitere 25 Millionen dran, welche die Stadt bei ihren Eigenbetrieben einsammeln will. „Da bin ich guter Dinge“, sagte Jung. Und zu den restlichen 50 Millionen Euro wird der Stadtratsbeschluss beitragen, 500 Stellen in der Verwaltung einzusparen.

Die Verachtung von AfD und CDU für Leipzigs Klimabemühungen

Zur Informationsvorlage gab es auch noch drei Änderungsanträge – doch CDU-Faktion und Grüne zogen ihre Änderungsanträge zurück. Nur die AfD-Fraktion behielt ihren Antrag aufrecht. Denn der beinhaltete nur vordergründig wirkliche Haushaltseinsparungen. Er beinhaltete in Wirklichkeit ein komplettes Rollback der Leipziger Klimapolitik seit 2019.

Oder im Text des Antrags: „Die haushaltsrelevanten Aktivitäten der Stadt Leipzig, welche auf den Beschluss des Antrags VI-A-07961 (Ausrufung Klimanotstand) inkl. aller beschlossenen Änderungsanträge vom 30. Oktober 2019 zurückzuführen sind, werden ab sofort zu Gunsten der Haushaltskonsolidierung in den Jahren 2025/2026 eingestellt. Eine gesonderte maßnahmenkonkrete Übersicht wird hierzu umgehend von der Verwaltung erarbeitet.“

Als wenn Leipzig in einer weiterhin fossilen Zukunft mit aufgeheizten Stadtvierteln und ohne Anpassung an Klimaextreme überhaupt noch eine Chance hätte. Aber bei der AfD streitet man ja selbst den Klimawandel ab. Von einer wirklichen konstruktiven Beteiligung an Haushaltsplanungen hat man bei dieser Fraktion bisher auch nicht viel gesehen.

Da die Fraktion den Antrag nicht zurückzog, wurde er folglich abgestimmt und fiel mit 22:34 Stimmen bei vier Enthaltungen zwar durch. Dass die CDU-Fraktion hier einmal mehr dem AfD-Antrag zustimmte, dürfte zu denken geben. Es bestätigte aber auch Falk Dossins Rede, der ebenfalls der Meinung war, Rot-Rot-Grün wäre schuld am Leipziger Haushaltsdefizit.

Das zeugt entweder von dem Versuch, unbedingt abzulenken von den tatsächlichen Problemen der Kommunalfinanzierung in Deutschland, die seit 2024 die Städte reihenweise in einen Defizit-Strudel rauschen lassen. Oder von völliger Unkenntnis der Leipziger Haushaltsstruktur.

Finanzbürgermeister Torsten Bonew.
Finanzbürgermeister Torsten Bonew. Foto: Benjamin Weinkauf

Der Stadtrat entscheidet nur über 1 bis 2 Prozent des Gesamthaushalts

Denn 90 Prozent des 2,8 Milliarden-Euro-Haushaltes sind reine Pflichtaufgaben. Und man darf gespannt sein, wie groß die Summe sein wird, die Torsten Bonew vorrechnen wird, wenn er die Anfrage der Linksfraktion komplett durchgearbeitet hat. Dass es ein fetter dreistelliger Betrag sein wird, ist schon mal sicher.

Und die CDU-Fraktion ist überhaupt nicht fein raus, denn auch sie hat im April mit ihren Stimmen verhindert, dass die Leipziger Kita-Beiträge auf das gesetzliche Mindestmaß angehoben werden, hat also auch 7 Millionen Euro am aktuellen Defizit mitzuverantworten.

So gesehen waren die nüchternen Worte von Oberbürgermeister Burkhard Jung am Ende der Debatte dringend und wichtig. Denn mit Schuldzuweisungen in der Ratsversammlung wird nichts, aber auch gar nichts am strukturellen Problem des Stadthaushaltes gelöst. Ein Problem, das nur dadurch gelöst werden kann, dass Bund und Land die von ihnen zugewiesenen Leistungen auch voll ausfinanzieren.

Passiert dies nicht, wird es mit dem Doppelhaushalt 2027/2028 nicht nur eine noch heftigere Diskussion geben und mindestens um die von Burkhard Jung genannten 200 bis 300 Millionen Euro an Einsparungen gehen. Leipzig wird dann sogar – trotz Einsparungen – an den Punkt kommen, an dem die Stadt nicht mehr investieren kann. Den alle Investitionen bezahlt die Stadt seit 2024 schon auf Kredit, häuft also Schulden an. Und das in einem atemberaubenden Tempo.

Und Finanzbürgermeister Torsten Bonew warnt berechtigterweise davor, dass die Stadt das „vergiftete Angebot“ des Sächsischen Innenministeriums annimmt und noch mehr Schulden aufnimmt (während der Freistaat Sachsen weiterhin keine Schulden machen will). Denn wenn das dann auch noch auf Basis von Kassenkrediten passierte, würden allein die Zinsen den Haushalt immer tiefer in die roten Zahlen stürzen.

Wobei allein der notwendige Schulhausbau in Leipzig 200 Millionen Euro kostet. Pro Jahr, wie Burkhard Jung betonte.

Aber er fand die Debatte dann doch wichtig, auch wenn einige Redner hier völlig an den „strukturellen“ Tatsachen vorbei diskutiert haben. Das Trostpflaster hatte schon Finanzbürgermeister Torsten Bonew genannt: Die Landesdirektion Sachsen hat signalisiert, dass die Genehmigung für den Leipziger Haushalt 2025/2026 in den nächsten Wochen kommen könnte. Die 26-Millionen-Euro-Einsparung war dafür ein ganz wichtiger Schritt.

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Das Bundeskabinett hat nun den Weg frei gemacht für das Sondervermögen “Kommunen”. Kommt es wie geplant zur Verteilung der 100 Mrd. Euro nach Einwohnerzahl und dürfen die Gelder zu 60% frei investiert werden, dann wird das auch den Leipziger Haushalt deutlich entlasten und die geplanten Investitionen bei Straßenbahn, Schulen, Kitas sind umsetzbar – sofern der Freistaat Sachsen mitspielt.
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2025/07/2025-07-02-kabinett-beschliesst-gsetzentwuerfe.html

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