Maik Kunze (55, CDU) ist Bürgermeister von Groitzsch, die Gemeinde des deutschlandweit wegen des Kampfes gegen die Braunkohle bekannt gewordenen Ortsteil Pödelwitz. Die Kleinstadt mit rund 9.000 Einwohnern im Süden von Leipzig verzeichnet aufgrund des Tagebaus der MIBRAG eine wechselvolle Geschichte: Einerseits ist das Bergbauunternehmen mit einen rund 3.700 Mitarbeitern ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber der Region. Andererseits aber auch verantwortlich für eine weitgehende Devastierung der unmittelbaren Umgebung durch den Braunkohletagebau.

Jahrzehntelang haben sich hier die Riesenbagger durch eine einst waldreiche und natürliche Auenlandschaft bis tief in den Raum Leipzig gefressen und weite Teile der Region in eine Mondlandschaft verwandelt.

Allerdings, seit der Wende hat sich das Bild trotz fortgesetzter Tagebautätigkeit grundlegend gewandelt, wurde durch gründliche Rekultivierung eine durchaus vorzeigbare naturnahe Kulturlandschaft mit Seen, Auen und viel Grün geschaffen. Durchaus beliebt bei vielen  zugezogenen Bürgern, die die Anbindungsnähe zu Leipzig durchaus zu schätzen wissen und dennoch abseits der Hektik und dem Verkehr der Großstadt gerne in einem ländlichen Raum leben.

Dennoch hat das die MIBRAG  nicht daran gehindert, sich immer noch Teile des Leipziger Südraums einzuverleiben. Von diesem Menetekel waren auch die mitten in der Auenlandschaft gelegenen Orte Pödelwitz und Obertitz bedroht. Seit Januar 2021 ist nun auch vertraglich gesichert, dass die MIBRAG keine Ansprüche mehr auf die Dörfer hat. Somit sind die Dörfer gerettet.

Eine Tatsache, die auch Maik Kunze durchaus froh stimmt und ihn dennoch mit gespaltenen Gefühlen angesichts der zahlreichen Probleme und Fragen, die damit auf seine Stadt Groitzsch zukommen, zurücklässt. Die LZ hat ihn deshalb zu einem ausführlichen Interview gebeten.

Herr Kunze, wie beurteilen Sie persönlich die Entscheidung der MIBRAG, Pödelwitz bzw. Obertitz nicht zu devastieren?

An sich durchaus positiv, jeder Ort, der nicht devastiert wird, ist ein gewonnener Ort. Allerdings hat das auch Konsequenzen, das ist ja klar. Ein Stück weit auch für den Braunkohleplan. Denn mit der Aufschließung für das Groitzscher Dreieck hätte es nicht nur für Pödelwitz und Obertitz einschneide Maßnahmen gegeben, sondern auch für viele umliegende Ortsgemeinden gravierende Folgen gehabt.

Also war für uns die Entscheidung der MBRAG, das Groitzscher Dreieck nicht zu devastieren, die entscheidende Botschaft. Insgesamt also eine durchaus positive Nachricht.

Wie stellen Sie sich eine Wiederbesiedlung von Pödelwitz vor, insbesondere in Hinsicht darauf, dass die MIBRAG inzwischen der Eigentümer der Mehrheit der Grundstücke ist?

Zwar sind teils noch die in Pödelwitz verbliebenen Einwohner Grundstückseigentümer, allerdings neben der MIBRAG auch die Stadt Groitzsch sowie die Kirchgemeinde. Allerdings ist die ganze Sache nicht so einfach zu beantworten, obwohl ich mir persönlich wünschen würde, dass Pödelwitz wieder erblüht mit jungen Familien und Kindern und ich denke mal, die Chance dafür ist ganz gut.

Zumal ja bekanntermaßen das Interesse an einem Zuzug nach Pödelwitz bemerkenswert groß zu sein scheint.

Ja, in der Tat ist es so, dass es mehr Interessenten gibt, als dass wir deren Nachfrage befriedigen könnten.

Maik Kunze, Bürgrrmeister von Groitzsch, Foto: Matthias Weidemann
Maik Kunze, Bürgermeister von Groitzsch, Foto: Matthias Weidemann

Wie beurteilen Sie die Folgen der Einstellung des Braunkohleabbaus für Ihre Region?

Viele Fragen hängen ein Stück weit miteinander zusammen. Das kann man politisch wie auch emotional und ganz logisch beurteilen. Ich selber sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Einerseits bleibt uns die Devastierung von Orten und wertvollen Böden erspart, andererseits geht damit auch der Verlust von Arbeitsplätzen einher. Es ist also eine durchaus spannende Frage, wie man das löst. Die MIBRAG ist ja auch dabei, sich neu aufzustellen.

Es ging ja nicht nur darum, aus den schon besprochenen Projekten auszusteigen, sondern sich auch neu für die Zukunft auszurichten. Da ist es ganz wichtig, dass man die MIBRAG unterstützt, indem man ihr die Zeit gibt, die durch den Gesetzgeber auch vorgegeben ist. Ob allerdings der Braunkohleausstieg mit dem gleichzeitigen Ausstieg aus der Atomenergie eine glückliche Lösung ist, wage ich zu bezweifeln.

Das schien mir alles ohne Sinn und Verstand zu sein. Denn viele Probleme, die im Nachhinein aufkommen, scheint man nicht bedacht zu haben.

Wie viele der Stadt Groitzsch zugehörigen Bürger sind bei der MIBRAG beschäftigt?

Also dazu kann ich Ihnen ehrlicherweise keine klare Antwort geben, da es dafür weder eine von der MIBRAG noch von uns erhobene Statistik gibt. Aber was die Stadt Groitzsch betrifft, bewegt es sich in einer überschaubaren Zahl.

Wie soll sich Ihrer Meinung nach eine Rekultivierung des sogenannten Groitzscher Dreiecks gestalten?

Man darf nicht vergessen, dass dies alles noch unter das Bergrecht fällt und außerhalb unserer Kompetenz bzw. Beeinflussung steht. Also haben wir da keine Planungshoheit. Soweit ich weiß, soll der See dort noch vom Wasserstand her angehoben werden. Aber was genau da veranstaltet werden soll, weiß ich noch nicht.

Es wird aber in absehbarer Zeit eine Informationsveranstaltung zwischen der MIBRAG und Groitzsch sowie Neukieritzsch geben. Allerdings sind wir schon mit dem Großstolpener See sehr beschäftigt und inwieweit sich das mit dem See Groitzscher Dreieck verhält, wird sich zeigen.

Mal zu einem ganz anderen Problem des Leipziger Umlandes. Nach wie vor ist man in dieser Region auf einen PKW oder zumindest auf einen Verwandten oder Bekannten angewiesen, der über einen solchen verfügt. Dies gilt besonders für ältere Mitbürger oder Menschen mit Behinderungen.

Wie stellen Sie sich die zukünftige bzw. bessere Anbindung des ÖPNV an Ihre Stadt und das Ihnen zugehörige Umland vor?

Also da bin ich schon sehr von der bisherigen Entwicklung enttäuscht. Ich war eigentlich gemeinsam mit meinem Kollegen in Zwenkau (Holger Schulz (CDU), d. Red.) der Meinung, dass man die alten Bahnstrecken nach Leipzig, die durch den Tagebau zerschnitten wurden, wiederbelebt. Das lässt aber der Gesetzgeber nicht zu. Weil sich der Regionalverkehr offenbar nicht rechnet. Aber bisher stießen wir da mit unseren Anregungen, den Regionalverkehr wiederzubeleben, auf verschlossene Türen.

Aber was die älteren Mitbürger betrifft, ist das eine Sache des Landkreises, da hat sich bisher aber noch nicht viel getan. Über ein paar Ansätze ist das bisher nicht hinausgelangt. Aber in der Tat ist das eine herausfordernde Aufgabe, die aber vor allem durch die Bundesrepublik zu lösen ist.

Kommen wir zur unvermeidlichen wie leidigen Coronaproblematik. Wie schwierig gestaltet sich die Situation in Ihrer Region? Und wie wirkt sich das wirtschaftlich insbesondere auf die selbständig Tätigen bzw. Einzelhandelsinhaber aus?

Ich kann es nur so beschreiben, es ist eine Katastrophe. Besonders die Händler und Gastronomen sind in einer Zwangssituation, denen fällt es von Woche zu Woche schwerer, sich über Wasser zu halten. Dabei sind wir froh, dass wir noch ein relativ großes Angebot an Gastronomen und Einzelhändlern haben.

Dass es ein gewisses Sterben der kleineren Betriebe gibt, ist ja schon lange bekannt. Und diese Coronasache ist noch ein Brandbeschleuniger. Ob diese Lockdowns zu einer Verhinderung beitragen, das wage ich zu bezweifeln.

Ich war zum Beispiel wirklich frustriert über die Impfsituation. Da wurde uns zum Beispiel versprochen, dass wir “Moderna” als Impfstoff bekommen würden. Das Ende vom Lied war, dass wir stattdessen AstraZeneca bekamen, was ja zwischenzeitlich bei vielen Betroffenen Unsicherheit hervorgerufen hatte.

Genauso ein Witz, dass man 26 Impfdosen pro Woche beim Hausarzt als Erfolg einstuft. Da krieg ich einen Brechreiz, Entschuldigung. Das ist schon ein Stück weit katastrophal.

Groitzsch und Umgebung, rund 25 km südlich von Leipzig

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