„Welche Wünsche hättest Du an die Jugendarbeit?“, dies war eine Frage, die dem 18-jährigen Jonas vom Jugendforum Grimma in einer Podiumsdiskussion zum Thema Jugendbeteiligung gestellt wurde. „Einfach mal machen lassen!“, war seine spontane Antwort. Und damit nicht genug, denn im Nachgang konkretisierte er, wie sich die Beteiligungsarbeit aus Sicht der Jugend im Detail verbessern ließe.

Der Kinder- und Jugendring Landkreis Leipzig e.V. und das Jugendamt des Landkreises Leipzig hatten im November 2022 zum dritten Fachtag Jugendbeteiligung in den Bürgersaal nach Naunhof geladen. Das Interesse war groß, letztendlich kamen mehr als 50 Teilnehmer/-innen.

Der Fachtag richtete sich an Kommunen, Fachkräfte und interessiertes Fachpublikum aus dem ganzen Landkreis. Neben Sozialpädagog/-innen aus der Jugendhilfe nahmen auch Bürgermeister/-innen und zivilgesellschaftliche Akteur/-innen das Angebot wahr. Das Thema Jugendbeteiligung gewinnt in der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Dafür gibt es verschiedene Gründe.

In ihren Eröffnungsreden fanden Naunhofs Bürgermeisterin Anna-Luisa Conrad und Landrat Henry Graichen dann auch gleich deutliche Worte. Jugendbeteiligung sei kein Sprint, sondern ein Marathon, so Anna-Luisa Conrad. Die Bedeutung des Themas sei in vielen Kommunalräten und im Kreistag noch unterrepräsentiert. Graichen erklärte, dass in der Vergangenheit Schwierigkeiten mit zu abstrakten Themen und nicht jugendgerechter Ansprache aufgetreten seien. Zusätzlich verhinderte die Corona-Pandemie seit 2020, das Thema weiter in der Praxis voranzutreiben.

Jugendbeteiligung ist Gesetz

Jugendbeteiligung ist kommunale Aufgabe, aber mittlerweile auch auf der Agenda des Landkreises Leipzig. Und dass Kindern und Jugendliche einen Rechtsanspruch auf Beteiligung haben, verdeutlichte Daniel Andrae in seinem Impulsvortrag. Der Jurist und Dozent für Kommunalrecht an der Hochschule Meißen referierte zu gesetzlichen Grundlagen der Jugendbeteiligung, die in Sachsen in der Sächsischen Gemeindeordnung geregelt sind.

„Die Gemeinde soll bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen. Hierzu soll die Gemeinde geeignete Verfahren entwickeln und durchführen.“ (§47a SächsGemO)

Während in Sachsen die Jugendbeteiligung nur eine „Soll“-Bestimmung ist, haben andere Bundesländer schon eine verpflichtende Gesetzgebung eingeführt. Im Land Brandenburg beispielsweise sieht die Kommunalverfassung vor: „Die Gemeinde sichert Kindern und Jugendlichen in allen sie berührenden Gemeindeangelegenheiten Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte.“ (§18a BbgKVerf)

Jugendliche werden die politischen und zivilgesellschaftlichen Akteure des Strukturwandels

Einigkeit bestand bei allen Teilnehmer/-innen darin, das Thema Jugendbeteiligung jetzt nach der Corona-Pause wieder konsequent aufnehmen zu wollen. Denn auf die heutige Jugend kommen die großen Aufgaben im Strukturwandel des Landkreises Leipzig zu. Die Herausforderung dabei ist, den Wandel trotz aktueller, gesellschaftlicher Konflikte unter Beachtung der sozio-ökologischen Erfordernisse zu bewältigen.

Der Fachtag knüpfte an einen vorangegangenen Fachtag im Jahr 2018 an. Damals wurde die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Kommunalpolitik in Sachsen erstmals mit der verbindlichen Regelung der §§43a und 47a festgeschrieben. Seitdem hat sich viel getan im Landkreis. Viele Jugendinitiativen, aber auch Kommunen haben sich auf den Weg gemacht, junge Menschen zu beteiligen. Die Voraussetzungen und Ergebnisse sind verschieden. Auf dem aktuellen Fachtag war die Gelegenheit, sich auszutauschen, voneinander zu lernen sowie Methoden vorzustellen.

Robert Zillmann, Colditzer Bürgermeister, sieht eine große Bedeutung der frühen Beteiligung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Vertrauen in die staatlichen Institutionen. Ein wichtiger Punkt in Sachsen abseits der großen Zentren, wo der demokratische Konsens zunehmend zu erodieren scheint. Die partizipative Jugendarbeit kann und sollte hierbei als ein wichtiges Mittel der Prävention gegen die zunehmende Demokratiemüdigkeit und -feindlichkeit angesehen werden.

Nicht selten würden beteiligte Jugendliche später zu handelnden politischen und zivilgesellschaftlichen Akteur/-innen, berichtet Andreas Rauhut, Leiter des Kinder- und Jugendrings im Landkreis Leipzig. So beispielsweise auch eine junge Frau aus Brandis, die schon als Schülerin seit 2014 in Beteiligungsprojekte involviert war und heute als jüngste Erwachsene im Stadtrat Brandis wirkt. Sie begann kürzlich eine hauptamtliche Stelle im Jugendbüro SPOC (space of change). Sie bestätigte, wie die frühen Selbstwirksamkeitserfahrungen zu ihrem anhaltenden gesellschaftlichen Engagement beigetragen haben.

Praxis Jugendbeteiligung und Empowerment im Landkreis Leipzig

Ein zentraler Akteur in der Jugendhilfe des Landkreises ist das Flexible Jugendmanagement (FJM). Ulrike Läbe und Thimo Lorenz gaben einen Überblick über FJM-Projekte in verschiedenen Handlungsfeldern wie Kultur, Sport oder Lokalgeschichte. Hierbei geht es vor allem um das Empowerment der Jugend. Ausgangspunkt ist eine Idee oder ein Bedürfnis einer lokalen Jugendgruppe, z.B. der Wunsch nach einem Skatepark, einem Treffpunkt oder Konzert.

Die vier Mitarbeiter/-innen des FJM unterstützen die Jugendlichen in der Planung, beim Beantragen von Finanzierung oder der Kommunikation mit Behörden und Baudienstleistern, nehmen diese jedoch nicht komplett ab. So sind die Jugendliche in alle Schritte und Entscheidungen aktiv eingebunden. „Wir verstehen uns als Begleitung und Lobbyist/-innen der Jugendlichen, auch als Schnittstelle zwischen Jugendlichen und Erwachsenen“, so Ulrike Läbe.

Weitere Best Practice Beispiele aus der kommunalen Bürgerbeteiligung präsentierten u. a. das Jugendforum Naunhof, das Jugendforum der Lokalen Partnerschaft für Demokratie, das Jugendparlament Wurzener Land, das Jugendbüro „Spoc“ Brandis sowie die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung mit dem Programm „Jugend bewegt Kommune“.

Zivilgesellschaftliche Ressourcen in der Jugendbeteiligung nutzen und wertschätzen

Neben der kommunalen und hauptberuflichen Beteiligungsarbeit für Jugendliche gibt es auch zivilgesellschaftliches und ehrenamtliches Engagement. Auch wenn Letzteres an diesem Fachtag kaum sichtbar wurde, so ist es doch ein wertvoller Beitrag, dem gerade in Hinblick auf begrenzte Ressourcen auch Beachtung geschenkt werden sollte.

Daher sollte man Sorgen, wie die vom Colditzer Bürgermeister Zillmann, durchaus ernst nehmen und ihnen nachgehen. Denn leidtragend ist vor allem die Jugend, wenn es in der Zusammenarbeit zwischen Aktiven im Haupt- und Ehrenamt klemmt. Die Jugendarbeit des ehrenamtlich agierenden Colditzer „GoTeams“ ist beispielhaft und hat zu mehr interaktiven Begegnungen und Beteiligungsformaten für die Colditzer Jugend beigetragen.

Doch bedarf es einer sensiblen Vermittlung und Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen, die eine zivilgesellschaftliche Jugend- und Beteiligungsarbeit ermöglichen und absichern. Denn häufig sind Elterninitiativen und Vereine näher an den Jugendlichen und mit deren Bedürfnissen besser vertraut als die kommunalen Strukturen.

Auch in Großpösna gab es zunächst Berührungsängste mit zivilgesellschaftlicher Jugendbeteiligung. Mittlerweile ist man hier jedoch auf einem guten Weg, die zivilgesellschaftlichen Beteiligungsideen, das etablierte soziokulturelle Knowhow und die kommunalen Möglichkeiten als Symbiose zu verstehen und wertzuschätzen. Dieser Prozess, der zu einem partizipativen Jugendgelände am Störmthaler See führen soll, kann auch anderen zivilgesellschaftlichen Beteiligungsinitiativen Hoffnung machen. Der Prozess bestätigt das Eröffnungs-Statement der Naunhofer Bürgermeisterin: Jugendbeteiligung ist kein Sprint, sondern ein Marathon und funktioniert vor allem nicht allein, sondern gemeinsam.

Zusammenfassend war viel gute und konzentrierte Energie für Jugendbeteiligung auf der Fachtagung zu spüren. Nur bestand bisher häufig ein Problem, diese Energien in das unmittelbare Wirkungsfeld zu transferieren. Ungenügende finanzielle und personelle Ressourcen, bürokratische Hürden oder langwierige Entscheidungsprozesse haben in der Praxis die Beteiligten häufig in der Vergangenheit frustriert. Auch hat sich gezeigt, dass es beim Thema gelingende Jugendbeteiligung kein allgemeingültiges Rezept gibt, sondern dass individuell auf die lokalen Bedürfnisse und Besonderheiten eingegangen werden muss.

Diese Herausforderungen gilt es nun vor allem auch in die administrativen Strukturen zu tragen, um die pragmatischen Voraussetzungen für das „Einfach mal machen lassen“ zu schaffen. Umso wichtiger, dass auch Bürgermeister/-innen und Landkreisvertreter/-innen am Fachtag teilgenommen haben.

Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.

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