Es ist nicht nur in Leipzig so, dass immer mehr Menschen ihre täglichen Wege gern mit dem Fahrrad zurücklegen möchten, ohne dabei über den Haufen gefahren zu werden. Es ist auch ein Thema für die kleineren Städte in Sachsen – Delitzsch zum Beispiel, für das der ADFC jetzt die Ergebnisse des neuen Radklimatests vorgestellt hat. Und die Probleme sind dort genau dieselben: Akzeptanz, Sicherheitsgefühl und Konflikte mit Kfz-Fahrern.

Und das verblüfft natürlich, wenn die Mehrheit der Befragten meint, die meisten Delitzscher würden gern mit dem Fahrrad fahren.

54 % der Befragten in Delitzsch fühlen sich beim Radfahren entspannt, wenn sie in der Stadt unterwegs sind, ist zum Beispiel eines der Befragungsergebnisse. Sogar 84 % sagen: In Delitzsch fahren alle Rad, egal ob alt oder jung. So zeigt es jedenfalls der Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), der am heutigen Montag, dem 24. April, der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Doch zwischen der Freude am Radfahren und den Rahmenbedingungen gibt es – genau wie in Leipzig – ein auffälliges Missverhältnis.

7 von 10 Befragten sind nicht zufrieden mit der Förderung des Radverkehrs in der Stadt und wünschen sich dabei mehr Engagement seitens der Kommunalpolitik.

Auch den Fahrraddiebstahl sehen 4 von 5 Befragten als ein brennendes Thema.

Drei Viertel sagen, die Radwege sind nicht breit genug und 51 % wünschen sich ebenere Radweg-Oberflächen.

Die wichtigsten Ergebnissse des Fahrradklima-Tests für Delitzsch 2022. Grafik: ADFC Sachsen
Zentrale Befunde des Fahrradklima-Tests für Delitzsch 2022. Grafik: ADFC Sachsen

Wenn der Radverkehr immer noch ausgebremst wird

Unter den 46 sächsischen Städten im Fahrradklima-Test erreicht Delitzsch Platz 14. Mit der Gesamtnote 3,9 ist Delitzsch mittlerweile genauso gut bzw. schlecht wie Leipzig, das 2020 ebenfalls auf die 3,9 abgerutscht ist (2022: 3,8). Was nicht einmal mit einer Verschlechterung der Radverkehrsbedingungen zu tun haben muss, sondern damit, dass immer mehr Menschen den Radverkehr als echte Mobilitätsalternative betrachten und damit die Rahmenbedingungen deutlich kritischer wahrnehmen.

Was im Umkehrschluss eben auch heißt: Die Städte verschlafen den Trend und bremsen die Mobilitätswende an einer Stelle, an der es geradezu kontraproduktiv ist. Während gleichzeitig die Vertreter der Auto-Mobilität die Stimmung anheizen und jede Verbesserung für alternative Verkehrsarten zum Anlass nehmen, um in der Presse und in Ratsversammlungen den Aufstand zu proben.

So wie im Leipziger Stadtrat gerade erst wieder am 19. April, als es um ein Stück Radweg vor dem Hauptbahnhof ging.

Und so stellt auch der ADFC Sachsen fest, dass Delitzsch im Fahrradklima-Test des ADFC schon mal weiter vorn war: Zum ersten Fahrradklima-Test in Delitzsch 2016 bewerteten die Umfrageteilnehmer die Förderung des Radverkehrs noch mit Note 2,9 (2022: 4,3). Auch das Sicherheitsgefühl beim Radfahren sackte von Note 3,3 im Jahr 2016 auf 4,1 bei der aktuellen Befragung. Die Konflikte zwischen Radfahrenden und Autofahrern haben sich in den letzten acht Jahren in den Augen der Befragten ebenso verschärft: 63 % sehen hier ein Problem.

Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen, betont den Handlungsbedarf in der Stadt: „Immer mehr Menschen wollen ihre Wege im Alltag mit Bewegung an der frischen Luft verbinden. Und die Menschen werden natürlich auch anspruchsvoller und weniger kompromissbereit, was die Qualität der Radwege angeht.“

So beschweren sich 77 % der Befragten über unklare und benachteiligende Wegeführungen an Baustellen. 63 % wollen mehr und hochwertigere Abstellanlagen in der Stadt

Wo Delitzsch wirklich glänzt, ist das Fahrradparken an den beiden Delitzscher Bahnhöfen. 57 % der Befragten in Delitzsch sind damit zufrieden und bestätigen damit die Studie des ADFC Sachsen zu Bike+Ride, aus der Delitzsch als eine der wenigen sächsischen Städte mit Note 1 hervorging.

Der Fahrradklima-Test

Der Fahrradklima-Test ist die größte Umfrage zum Fahrradklima weltweit und wird seit 2012 alle zwei Jahre vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) durchgeführt. Er umfasst 27 Fragen. Zwischen September und November 2022 konnten Radfahrende deutschlandweit ihre Meinung zu den Radverkehrsbedingungen in ihrer Stadt äußern.

Beim Fahrradklima-Test lag in diesem Jahr ein besonderer Fokus auf den Bedingungen des Radverkehrs in ländlichen Räumen. Neben der umwegfreien und komfortablen Erreichbarkeit von Nachbarorten (Bewertung Landkreis Nordsachsen: 3,9) und dem Sicherheitsgefühl beim Radfahren über Land (Bewertung Landkreis Nordsachsen: 4,4) konnten die Befragten auch die Qualität des Fahrradparkens an Bahnhöfen und Haltepunkten bewerten. Der Landkreis Nordsachsen erhielt dabei eine Bewertung von 3,5.

92 % der Befragten in Sachsen verfügen über einen Führerschein und 71 % besitzen ein Auto. 85 % sind nicht Mitglied im ADFC. 2022 bewerteten in Delitzsch 81 Personen ihre Stadt nach Fahrradkriterien, in Sachsen waren es über 10.000 und deutschlandweit sogar fast 240.000. Die Ergebnisse für die Stadt Delitzsch zeigen einen großen Aufholbedarf.

Mit einer Gesamtbewertung der Fahrradsituation von 3,86 auf einer Skala von 1 bis 6 liegt Delitzsch im bundesweiten Durchschnitt im oberen Mittelfeld und auf Platz 2 von 16 sächsischen Städten zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnern.

Die Ergebnisse des Leipziger Fahrradklimatests gibt es gleich an dieser Stelle.

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