Die sogenannten „Demos gegen rechts“ reißen nicht ab, wie sich am Wochenende wieder in Sachsen und bundesweit zeigte. Außerdem sperrte die Polizei am Sonntag Teile der Karl-Liebknecht-Straße, um Ermittlungen im Zusammenhang mit „Tag X“ durchzuführen. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, dem 3. und 4. Februar 2024, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

„Es gibt kein ruhiges Hinterland!“: Erneute „Demos gegen rechts“ in Sachsen

Die antifaschistischen Demos reißen nicht ab: Am Wochenende fanden in Sachsen und auch bundesweit wieder zahlreiche Demonstrationen aus Anlass der Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv statt.

In den vergangenen Jahren riefen in der Regel die immer gleichen linken Gruppen wie zum Beispiel „Leipzig nimmt Platz“ zu antifaschistischem Protest in Sachsen auf, nun mobilisieren verschiedenste Gruppierungen wie Gewerkschaften, Opferberatungsstellen, Privatpersonen, Wohlfahrtverbände, Vereine und Vertreter*innen der Kirche.

Deutschlandweit waren am Freitag und Samstag knapp eine halbe Million Menschen gegen die AfD und rechtsextreme Umtriebe auf der Straße. Laut mehreren Protestforscher*innen könnte die Protestwelle, die sich Mitte Januar aufgebäumt hatte, länger andauern.

Am Samstag, dem 3. Februar 2024, versammelten sich nach einem Aufruf des Aktionsbündnisses „Wir sind die Brandmauer“ beispielsweise Tausende auf dem Theaterplatz in Dresden, außerdem demonstrierten mehrere Hundert in Glauchau.

Und am Sonntag, dem 4. Februar 2024, gingen in Schkeuditz, Markranstädt, Eilenburg, Grimma, Aue-Bad Schlema, Marienberg, Freiberg und Dippoldiswalde gegen rechtsextreme Vertreibungspläne auf die Straße. Darunter waren oft Familien mit Kindern und auch viele alte Leute. An mehreren Orten formierte sich Gegenprotest von Rechten.

Auf dem Marktplatz in Grimma versammelten sich am Sonntagnachmittag beispielsweise um die 500 Menschen unter dem Motto „Zusammen gegen Rechts!“. Auch Sachsens Vize-Ministerpräsident Wolfram Günther von den Grünen, der bereits auf der Demo am Dienstag in Leipzig eine Rede gehalten hatte, war vor Ort, ebenso Sachsens Ministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Petra Köpping (SPD), die in der Nähe von Grimma lebt.

Auch aus Leipzig waren Gruppen angereist, beispielsweise die Initiative „Eltern gegen Polizeigewalt“ und „Omas gegen Rechts“. Die knapp 200 für „Support im sächsischen Hinterland“ aus Leipzig Angereisten starteten die Demonstration spontan bereits am Bahnhof und zogen gemeinsam in Richtung Markt, allen voran ein Banner mit der Aufschrift „Keine Zeit zu resignieren – Für einen konsequenten Antifaschismus heute und morgen“.

Rechte bis rechtsextreme Gruppierungen wie die „Freien Sachsen“ hatten zuvor für einen Gegenprotest mobilisiert, zu dem letztendlich etwa 40 Personen kamen. Die Polizei spannte eine Kette auf, um die verschiedenen politischen Lager voneinander fernzuhalten.


Auf dem Marktplatz in Markranstädt kamen am Sonntagmorgen rund 200 Personen zusammen, zur Kundgebung aufgerufen hatten Anwohner*innen unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt!“. Für die LZ wird Kollege Thomas Köhler in Kürze ausführlich von der Demonstration in Markranstädt berichten.

Auslöser der bundesweiten Proteste ist das Bekanntwerden eines Geheimtreffens von Politiker*innen der AfD, CDU und (weiteren) Neonazis im November in einem Hotel in Potsdam. Dort sollen sich die Anwesenden darüber ausgetauscht haben, wie man Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben könnte, die ihrer völkisch-rassistischen Weltansicht nach nicht „deutsch genug“ sind. Die Plattform Correctiv hatte Mitte Januar darüber berichtet.

Antwort auf Neonazi-Einschüchterungen in Bautzen: „B96 begradigen“

Und im Landkreis Bautzen standen am Sonntag bei Regen rund 50 Menschen entlang der Bundesstraße 96 (B96) – um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und Verschwörungsmythen in der Region zu setzen.

Die Aktion war auch eine Antwort auf Einschüchterungsversuche von Neonazis in Bautzen: In der Nacht zu Mittwoch hatten Unbekannte die Fassade des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters in Bautzen mit einem fast zwei mal zwei Meter großen Hakenkreuz besprüht. Entlang der B96 wurde deshalb heute auch eine sorbische Flagge geschwenkt.

Denn die B96 ist in der Pandemie deutschlandweit bekannt dafür geworden, dass sich jeden Sonntag dort Menschen aufreihten, um ihr rechtsextremes Gedankengut und die wildesten Verschwörungstheorien nach außen zu tragen. Regelmäßig sah man Wirmer-, Reichs-, Reichskriegs- und umgekehrte Deutschlandflaggen, vereinzelt auch die Fahne der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ oder den Hitler-Reichsadler. AfD-Politiker*innen riefen zum „Protest“ auf oder reihten sich mit ein.

Am 4. Februar 2024 wehten als Gegenprotest Regenbogenflaggen, Ukraineflaggen und Europaflaggen entlang der B96. Auch eine Deutschlandflagge wurde geschwenkt. Und die bekannte Autorin Anne Rabe nahm an der Aktion teil. „In den letzten Tagen gab es in der Region Bautzen vermehrt rechtsextreme Übergriffe und auch bei unserer Demo zeigten sich die Knallköppe wieder von ihrer hässlichen Seite“, schrieb die Schriftstellerin am Sonntag auf Twitter.

„Dafür waren wir heute über 50 bei absolutem Schietwetter waren wir dennoch wunderschön!“

Die „Knallköppe“, von denen Rabe schrieb, schnitten laut einem MDR-Bericht eine EU-Fahne eines Demo-Teilnehmers ab und entfernten sich damit. Die Demonstrierenden informierten die Polizei.

Unter dem Motto „B96 begradigen“ hält seit Längerem ein Bündnis aus Bürger*innen gegen die rechtsextremen Demonstrationen entlang der B96 an.

Bezug zu „Tag X“: Kriminalpolizei sperrt Teile der Karli

In der Regel sind Straßensperrungen in Leipzig auf Baustellen, Demonstrationen, Großveranstaltungen wie Bundesligaspiele oder auch mal Wasserrohrbrüche zurückzuführen. Am Sonntag, dem 4. Februar 2024, hat die Polizei den südlichen Abschnitt der Karl-Liebknecht-Straße in Leipzig aus einem eher ungewöhnlichen Grund abgeriegelt: Aufgrund von Ermittlungen zum sogenannten „Tag X“ war die Karli zwischen Kurt-Eisner-Straße und Connewitzer Kreuz am Vormittag in beide Richtungen gesperrt. Auch die Zufahrtsstraßen in diesem Abschnitt waren von der Sperrung betroffen.

Gesperrt war der Bereich zwischen circa 8:30 und 10:30 Uhr. Straßenbahnen wurden über die Arthur-Hoffmann-Straße umgeleitet.

Wie mehrere Medien berichten, lag der Fokus der Ermittlungen auf dem Bereich Alexis-Schumann-Platz/Heinrich-Schütz-Platz. Dort hatte die Polizei in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 2023 mehr als tausend Teilnehmer*innen einer linken Demonstration eingekesselt und teils bis in die Morgenstunden festgehalten, darunter Minderjährige. Kurz zuvor war es zu Angriffen auf Polizist*innen mit Flaschen und Steinen gekommen.

Was genau die Polizei im abgesperrten Bereich gemacht hat, ist nicht bekannt. Bekannt ist nur, dass es sich um kriminalpolizeiliche Ermittlungen handelte. Naheliegend ist deshalb ein Zusammenhang mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Leipzig wegen versuchten Mordes beziehungsweise versuchten Totschlags in mindestens zwei Fällen. Es geht um mutmaßlich auf Polizeikräfte geworfene Brandsätze.

Im Dezember hatten Polizei und Staatsanwaltschaft – ebenfalls im Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen versuchten Mordes beziehungsweise Totschlags – die Wohnung eines Journalisten in Halle durchsucht, der an „Tag X“ Fotos von den Geschehnissen gemacht hatte. Der Deutsche Journalisten-Verband hatte die Razzia vor dem Hintergrund pressefreiheitlicher Bedenken scharf kritisiert.

Worüber die LZ am Wochenende außerdem berichtet hat:

Der Stadtrat tagte: Ökologische Anleihen sind nicht teurer als klassische + Video

Clara-Zetkin-Park: Beschädigte Wege und Flächen werden bis Juli erneuert

Schlosspark Lützschena: Baumfällungen und Pläne fürs Gewässersystem

Vor 120 Jahren in Leipzig gegründet: Der erste deutsche bibliophile Ortsverein

Planungsstopp für Leipziger Investitionsvorhaben? Finanzdezernat sagt Nein

Was am Wochenende sonst noch wichtig war: Die sächsischen Grünen haben am Samstag auf ihrem Landesparteitag in Neukieritzsch ihr Programm für die Landtagswahl am 1. September verabschiedet. Anwesend war auch die grüne Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die sich in ihrer Rede auf die bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus bezog. Sie betonte die Wichtigkeit, „über alle demokratischen Parteien hinweg“ für die „freiheitliche Grundordnung“ zu demonstrieren.

Erklärtes Ziel der Grünen ist es, erneut an der Regierung in Sachsen beteiligt zu sein. Dem aktuellen Kabinett gehören die CDU, Bündnis 90/Die Grünen und die SPD an. Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) hatte zuletzt den Wunsch geäußert, nicht wieder mit den Grünen regieren zu müssen. Da er eine Koalition mit der rechtsextremen AfD ausschließt, die laut Umfragen derzeit 35 Prozent der Befragten wählen würden, dürfte die Regierungsbildung schwierig werden.

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