Wieder mal wurde der Samstag eifrig zum Demonstrieren genutzt. Während die den „Querdenkern“ zugeordnete „Bewegung Leipzig“ vergleichsweise wenig Menschen mobilisierte, beteiligten sich deutlich mehr an einer Kundgebung gegen staatliche Repressionen in Connewitz. Zudem kämpften auch Einzelpersonen auf spektakuläre Weise gegen die Klimapolitik der Verantwortlichen, während die Hausbesetzung vom Freitagabend im Leipziger Osten immer noch nachhallt. Außerdem: Am heutigen Sonntag musste die Leipziger Polizei einen traurigen Fund im Südwesten der Stadt melden. Die LZ fasst zusammen, was am Wochenende, 12. und 13. Juni 2021, in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus wichtig war.

„Bewegung Leipzig“ floppt auf dem Marktplatz

Vielleicht war es der Aussicht auf ein mögliches Abklingen der COVID-19-Pandemie in Deutschland geschuldet: Wo sich jedenfalls vor einem Jahr noch hunderte Menschen tummelten, um ihrem Unmut über die staatlichen Maßnahmen gegen das Virus Luft zu machen, waren es am Samstag nur noch zwischen 50 und 75 Leute, die durch die „Bewegung Leipzig“ auf dem Marktplatz in der Innenstadt mobilisiert werden konnten.

Darunter, erst verstohlen hinzukommend, dann als Gruppe an der Seite stehend, die „Bürgerbewegung Leipzig 2021“. Sie hätte sich wohl gern ein wenig mehr mit der „Bewegung Leipzig“ zusammengetan, doch die Vereinigung misslang. Am Ende spazierte man getrennt voneinander mit gehörigem Abstand vom Marktplatz durch die Katharinenstraße.

Wer tatsächlich noch zu der Gruppierung gehörte oder nur neugieriger Passant war, ließ sich nicht immer zweifelsfrei sagen. Die Lage blieb, von ein paar Zwischenrufen abgesehen, weitgehend ruhig. Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ hatte explizit auf Gegenprotest vor Ort verzichtet.

Deutlich mehr Zulauf genoss die Kundgebung, die am Samstagnachmittag um 16 Uhr auf der Connewitzer Selneckerstraße begann. Hier waren rund 700 Menschen präsent, die unter dem Motto „Trotz allem – wir bleiben linX“ einen Ermittlungseifer staatlicher Behörden gegen die linke Szene kritisierten.

In den Redebeiträgen ging es unter anderem um die Connewitzer Hausdurchsuchungen im Juni 2020 und April 2021, den Abhörskandal gegen Chemie-Fans vor einigen Jahren, die „Soko LinX“ des sächsischen LKA und das schwebende Verfahren gegen die Studentin Lina E. aus Leipzig, die unter dem Vorwurf linksmotivierter Gewalt in Untersuchungshaft auf ihren Prozess wartet.

Die Polizei hielt sich im Hintergrund. Seitens der Demo-Organisation war explizit dazu aufgerufen, keine Auseinandersetzung mit den Gesetzeshütern zu suchen, sondern eine kritische Betroffenensicht auf staatliche Strafverfolgung zu entwerfen.

Wie nötig das sein kann, zeigt der aktuelle Fall des angeblichen Straftäters Henry A., dessen Geschichte unser Kollege Michael Freitag recherchiert hat.

Bei einem anschließenden Aufzug durch Connewitz wurden mehrere Stationen angesteuert, die in der Vergangenheit von Räumungen oder Hausdurchsuchungen betroffen waren.

Impressionen der Demos am Samstag in Leipzig

Folgen der Hausbesetzung und Klima-Protest auf der Straße

Zudem ertönte am Samstagabend auch der Aufruf zu einer Demonstration als Antwort auf die Besetzung eines leerstehenden Hauses in der Tiefe Straße 3 vom Freitagabend, den 11. Juni. Nachdem es in Leipzig längere Zeit ruhig um das kontroverse Thema geworden war – der letzte Fall in der Ludwigstraße lag schon eine Weile zurück – war nun eine Immobilie im Leipziger Südosten das Ziel.

Nach mehreren Stunden nahm die Polizei in der Nacht zu Samstag zwei junge Hausbesetzer fest, es kam zu Zusammenstößen zwischen Schaulustigen und Sicherheitskräften.

Die Nacht von Samstag auf Sonntag war dann von Verwirrung begleitet, ob und wo es noch zu einer Spontanversammlung wegen der Tiefe Straße kommen könnte. Schließlich setzte sich am Sonntagmorgen nach Mitternacht dann doch noch ein Zug vom Herder-Park über das Connewitzer Kreuz und die Karl-Liebknecht-Straße in Bewegung. Doch die Menge zerstreute sich so rasch, wie sie entstanden war. Die Polizei übte sich erneut in Zurückhaltung.

Und es gab noch eine weitere Demo am Samstag: Zwei Aktivistinnen blockierten in Leipzig an zentralen Stellen gezielt den Straßenverkehr, um ihre Angst vor den Folgen der Klimakrise und dem halbherzigen Gegensteuern der Politik zum Ausdruck zu bringen. Die spektakuläre Aktion war Teil von Protesten in Deutschland und weiteren fünf EU-Staaten unter dem Motto „Rebellion of One“ (Rebellion der Einzelnen), die zeitgleich zum G7-Gipfel in Großbritannien stattfand.

Brennende Autos und Leichenfund: Polizei im Dauereinsatz

Nicht nur die Demo-Einsätze hielten die Leipziger Polizei auf Trab: Am späten Samstagabend standen zwei Autos in Flammen, einmal im Zentrum-Südost und einmal in Reudnitz-Thonberg. In einem Fall brannte der Motorraum des PKW komplett aus. Die Kripo ermittelt in beiden Fällen wegen Brandstiftung.

Am Sonntagvormittag dann wurde per Notruf der Fund eines leblosen Körpers in der Weißen Elster gemeldet. Der Körper habe unterhalb einer Brücke in Großzschocher im Bereich der Brückenstraße gelegen. Nach Medienberichten soll es sich bei der toten Person um eine Frau handeln. Zu den Umständen des Ablebens halten sich die Ermittler derzeit bedeckt – eine Straftat soll aber ausgeschlossen worden sein.

Burkhard Jung bei Precht. Screen: ZDF Mediathek
Burkhard Jung bei Precht. Screen: ZDF Mediathek

Leipzigs OBM im TV-Gespräch bei Precht

Schon einige Tage steht ein Gespräch zwischen David Precht und Burkhard Jung in der Mediathek des ZDF. Zu empfehlen nicht nur wegen des Themas „Innenstädte“, sondern auch, wenn man mal die sogenannten langen Linien Jungs Politikverständnis bei der Stadtentwicklung kennenlernen möchte.

Aus der noch glücklichen Situation Leipzigs heraus geht es zwischen dem Philosophen und dem Städtetags-Präsidenten um bereits von Amazon und dem Onlinehandel ebenso zerstörte Stadtkerne, wie vom Einzug der großen Malls verödeten „Agoras“ früherer Tage.

Wohin sind die Orte, an denen man sich traf, miteinander redete und so den gesellschaftlichen Kitt erneuerte? Und was spielt gegen die Idee, die Stadt wieder den Menschen zurückzugeben?

Jung sieht hier neben den Unternehmen, die zwar wie Amazon den Online- und Versandhandel beherrschen, aber keine Steuern für den Erhalt der Infrastrukturen zahlen, ebenfalls als Problem, wie die falsche Vorstellung von der „autogerechten Stadt“.

Das eine – der Onlinehandel mit seinen kostenfreien Retouren (Jung fordert hier ein Verbot) – eine Erscheinung heutiger Zeit, deren zunehmender Dominanz gegen den Einzelhandel David Precht mit massiven Mehrwertsteueraufschlägen auf die da verkauften Waren bewältigen will.

Und das andere – das Thema Auto? Nun, wenn man Burkhard Jung gut zuhört, kann man leicht erkennen, dass er verstanden hat, wann unsere Städte und damit eben auch Leipzig entstanden sind. Und was da noch nicht zu hunderttausenden Platz nahm … Jedenfalls sieht der Leipziger Oberbürgermeister wieder mehr Feste und Märkte in den Zentren in der Zukunft und verkündet, dass er für weitere Ideen in Leipzig nun einen Citymanager einstellen will.

Das Gespräch zum Nachsehen in der ZDF-Mediathek.

Worüber die LZ am Wochenende sonst noch berichtet hat: Unser Redakteur Ralf Julke erinnert an einen fast vergessenen Verleger aus Leipzig. Außerdem geht es um die Leipziger Energiewende auch beim Heizen, den lebensrettenden Abbiegeassistenten für LKW und darum, wie fatal es sein kann, einen privaten Investor für den Schulbau zu suchen.

Für das Sport-Ressort schreibt Kollege Jan Käfer über die finanziellen Auswirkungen der Pandemie für Sportlerinnen und Sportler. Wer Leipzig mal aus einer ganz anderen Perspektive sehen mag, ist bei dieser Buchbesprechung richtig. Und wer sein Fahrrad liebt, was in Leipzig nicht wenige Menschen betreffen mag, dürfte sich für die Frage interessieren, was in der Messestadt gegen den Dauerbrenner Fahrraddiebstahl zu tun ist.

Was sonst noch wichtig war: Sachsens Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (47, SPD) hat für den Herbst seinen Rückzug vom Amt des Parteichefs bekannt gegeben. Kollege Ralf Julke analysiert für uns mögliche Hintergründe.

Was morgen wichtig wird: Die „Bürgerbewegung Leipzig“ will erneut in der Innenstadt demonstrieren – Gegenprotest ist bereits angekündigt und so dürfte es deutlich weniger ruhig werden als am Samstag. Außerdem: Wegen der stabil geringen COVID-19-Inzidenz treten weitere Lockerungen bei den COVID-19-Maßnahmen in Kraft.

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