Wie werden unsere Kinder in 20 oder 30 Jahren auf die heutige Zeit zurückblicken? Unsere Teenager werden dann so alt sein, wie wir heute, und sie werden auf eine Zeit zurückschauen, so wie wir heute auf 30 Jahre in unsere Vergangenheit blicken können.

Unsere Geschichten werden sich gravierend unterscheiden, aber mit Blick auf die fortschreitende, durch den Menschen verursachte Erwärmung der Erdtemperatur, nicht nur im Detail und bei den Protagonist/-innen, sondern vor allem auch im großen Bild. Trotz aller Schwierigkeiten, die sich bei einzelnen in den vergangenen 20, 30 Jahren aufgetürmt haben mögen – das, was wir unseren Nachkommen mit der Klimakrise bewusst zumuten, hört sich erschreckend an.

Die heutigen Meldungen über schneelose Skigebiete im Winter oder vertrocknete und kahle Nadelwald-Plantagen in unseren Breiten scheinen wir zwar mit Sorge, aber irgendwie ohne tatsächliche Reaktion darauf hinzunehmen. Doch es ist nur der blasse Anfang von dem, was auf uns und erst recht auf die Jüngeren zukommen wird.

In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?

Hand hoch, wer lieber die guten Geschichten hört, statt davon erzählt zu bekommen, wie immer alles schwieriger und schlechter wird! Die Frage ist rhetorisch, denn es liegt in unserem Wesen, sich mit den schöneren Dingen zu beschäftigen.

Die Hand ist also schnell gehoben. Was uns aber auch klar werden muss: Es fällt uns auch deswegen so leicht, uns die besseren Geschichten vor Augen zu führen und uns für diese zu entscheiden, weil es sie gab und gibt und wir uns diese besseren Geschichten nicht nur aus fiktiven Romanen herausglauben müssen.

2008 und 2009, also mittlerweile schon wieder vor rund 15 Jahren, nahm der Podcaster Tim Pritlove eine Reihe Interviews mit Menschen auf, in denen sie erzählten, wie genau sie sich in ihren Gruppen und Verbänden für eine bessere Welt einsetzen. Es sind Geschichten der großen Organisationen, wie dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, Oxfam, Amnestie International, Foodwatch oder „Mehr Demokratie“. Es sind Geschichten voller Mut. Menschen, die sich zusammentun, um für Gerechtigkeit zu kämpfen und die Welt zu einer besseren zu machen. Ganz faktische Dinge also und keine Science Fiction.

Mit dem Kohlebagger an der eigenen Geschichte

Ob uns diese realen Geschichten in 30 oder 50 Jahren am Ende doch wieder wie Fantasy-Erzählungen vorkommen werden? Die Szenarien, die uns die Wissenschaften bei ungebremster Erhitzung der Erde von drei oder vier Grad vorlegen, sind erdrückend und wirken eben genau so: vollkommen unreal.

Dabei ist es doch gar nicht so schwer zu verstehen. Nichts ist unabhängig von einer halbwegs intakten Umwelt denkbar. Und intakt ist in einer vier Grad heißeren Welt überhaupt nichts mehr. Um es nur einmal an einem Beispiel anzureißen: Wenn es so weit kommt, dass wir von einem Verlust ganzer Ökosysteme und einem – gegenüber heute – noch sehr viel stärkeren Verlust der Artenvielfalt sprechen, dann reden wir von einem Zusammenbruch von Nahrungskreisläufen, von globalen Ernteausfällen und weltweiten Hungersnöten.

Zudem, der Mensch ist schon rein vom Körper her nicht für diese heiße Erde gemacht, die uns droht. Wer schon einmal Dr. Eckart von Hirschhausen über die Klimakrise hat sprechen hören, kennt dessen Beispiel des Fieberthermometers, das immer bei 42 Grad endet, weil das Messen einer Körpertemperatur von über 42 Grad keinen Sinn mehr ergibt. Das Eiweiß, ein nicht unwesentlicher Bestandteil unseres Gehirns, gerinnt, der Mensch ist dann tot.

Ganze Teile der Erde, die sich bei einer global vier Grad heißeren Erde regelmäßig auf bis zu 50 Grad erhitzen, werden damit unbewohnbar. Was daraus folgt, sind nicht nur neue Konfliktfelder durch noch stärkere Migrationsbewegungen, sondern auch das Größerwerden aller bereits vorhandenen Probleme, für die wir, wie in den oben genannten Interviews aufgezeigt, angefangen hatten, uns die schöneren Geschichten von Lösungen und Verbesserungen zu erzählen.

Die Kohlebagger vor Lützerath, im Tagebau Vereinigtes Schleenhain oder vor Mühlrose in der Lausitz graben nicht „nur“ Kohle, sondern auch an unseren positiven Geschichten. Nicht an irgendwelchen, sondern an unseren. Das, worauf wir heute blicken, wenn wir auf die Zeit während unserer Lebenszeit zurückblicken, wird mit pulverisiert und verbrannt, es ist Zeit für uns, uns zu entscheiden.

Auf der Zeitskala der Menschheitsgeschichte SIND wir die letzte Generation, die noch verhindern kann, dass wir Menschen den für uns einzigen vorhandenen Planeten unumkehrbar in ein drei oder vier Grad heißeres Zeitalter schicken. Um das zu verhindern, müssen weltweit fossile Rohstoffe dort bleiben, wo sie jetzt noch sind, auch die 280 Millionen Tonnen Braunkohle unter Lützerath. Wir und erst recht unsere Kinder haben keinen zweiten Versuch.

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