Im Juni schrieben mehrere Leipziger/-innen und die Initiative Stadtnatur einen Offenen Brief an alle Stadtratsfraktionen, den OBM und die Bürgermeister. Sie thematisierten darin die Zukunft der Deponie Seehausen, die sich nach ihrer Außerbetriebnahme zu einem bewaldeten Hügel im Leipziger Norden entwickelt hat. Doch nun soll ein Teil der Bepflanzung wieder weichen, weil der Deponieberg zum Energieberg werden soll.

16 Jahre Stillstand in der deutschen Energiewende haben ihren Preis. Da brauchte es nicht einmal den von Putin entfesselten Ukraine-Kreieg, um auch den in den Kommunen Verantwortlichen vor Augen zu führen, dass die wertvollen Jahre völlig ungenutzt geblieben sind, um die Basis für eine nachhaltige Energieversorgung zu schaffen.

Selbst Paris 2015 wurde von der deutschen Politik nicht wirklich als Alarmsignal verstanden, jetzt den Tanker wirklich umzusteuern und für den Ausbau der Erneuerbaren Energien den Weg freizumachen. Im Gegenteil: Die Gesetze aus dieser Zeit blockieren den Ausbau bis heute.

Sodass Kommunen und Stadtwerke schon mit einiger Bedrängnis nach Wegen suchen, doch noch irgendwie eine eigene Energiebasis auf die Beine zu stellen. Seit 2020 ist klar, dass das auch den Aufbau einer richtig großen Photovoltaikanlage auf dem Deponieberg Seehausen einschließt. Im Stadtrat gibt es seitdem immer neue Anfragen und Petitionen.

Denn für die Seehausener ist aus der alten belastenden Deponie im Lauf der vergangenen 20 Jahre tatsächlich ein wichtiges grünes Kleinod geworden, das für den von Straßen eingehegten Ortsteil auch ein wenig Natur vor der eigenen Haustür bedeutet.

Hier prallt also der nur zu berechtigte Wunsch nach dem Erhalt eines erst neu geschaffenen Stückchens Natur auf den dringenden Bedarf der Stadt Leipzig, sich eigene Energieanlagen zur Erzeugung von Strom zu schaffen.

Die Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen hat auf den Offenen Brief nun als erste Fraktion auch mit einem eigenen Offenen Brief geantwortet, der das Dilemma, in dem auch die Stadtratsfraktionen stecken, beschreibt.

Der Offene Brief

Ihre Anfrage zur Deponie Leipzig-Seehausen vom 12. Juni 2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihren Offenen Brief und Ihr Engagement. Wir werden versuchen, Ihre Fragen so weit es geht zu beantworten, erinnern aber auch an den bereits seit Februar 2022 mit Ihnen geführten Dialog im Rahmen der Begehungen auf dem Deponieberg und den Videokonferenzen. Diesen Dialog werden wir weiterführen.

Zunächst benötigt auch Leipzig einen deutlich schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien als bislang geplant. Vor diesem Hintergrund setzen wir uns für einen beschleunigten Ausbau ein, wobei zunächst die Flächen genutzt werden sollen, die bereits versiegelt sind.

Entsprechend haben wir einen „Solar-Booster“-Antrag (Solar-Booster für bestehende Gewerbeflächen in Leipzig) gestellt, der am 18. Mai 2022 beschlossen wurde. Auch von der Modernisierung des Leipziger Solardachkatasters, welche wir beantragt haben, erhoffen wir uns eine Beschleunigung des Solarausbaus in Leipzig.

Ärgerlich ist dabei vor allen Dingen, dass eine Reihe von in Betracht kommenden Dachflächen etwa von Gewerbebauten nicht genutzt werden können, da dies die vorhandene Statik nicht zulässt. Umso mehr gilt es allerdings, vorhandene und teils bebaute Flächen, wie etwa Parkplätze sowie die Ertüchtigung von Dächern und die Nutzung von Fassaden zu prüfen. Dabei sollte die Stadt auch auf externen Sachverstand zurückgreifen.

Zudem sind auch Freiflächen ins Auge zu fassen und zu beplanen, so etwa mit der neuen Solarthermieanlage in Lausen. Auch für die Förderung von Agrivoltaik auf städtischen Landwirtschaftsflächen setzen wir uns etwa im Rahmen des in Erarbeitung befindlichen Landwirtschaftskonzepts der Stadt Leipzig ein.

Wichtig ist uns dabei, dass der ökologische Wert der Fläche dabei erhöht und nicht herabgesetzt werden soll. Naturschutz und der Ausbau der Erneuerbaren Energien müssen gleichzeitig im Auge behalten und je nach Standort Lösungen gesucht werden.

Auf dem durch die Fraktion mit verhandelten Antrag der Mitgliederversammlung unseres Kreisverbandes haben wir die Grundzüge dazu festgehalten.

Aus diesem Beschluss ergibt sich, dass die Schutzwürdigkeit des Deponie-Geländes zu prüfen ist und eine Variantenprüfung durchgeführt werden soll, was die Inanspruchnahme der Waldfläche bedeuten würde.

Erst, wenn diese Fragen geklärt sind, können weitere Maßnahmen angegangen werden.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass nach dem derzeitigen Stand die Voraussetzungen zur Unterschutzstellung des Geländes wahrscheinlich nicht vorliegen. Der Bundesgesetzgeber hat nach den einschlägigen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes enge Regeln gesetzt (vgl. dazu Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages).

Dies bedeutet, dass wir Ihnen, auch wenn wir Ihr Anliegen verstehen, keine falschen Hoffnungen machen wollen. Wir werden uns für die Prüfung einsetzen.

Wir erkennen, das von den Seehausener/-innen erlebte positive Naturempfinden, das vom Deponieberg in seinem jetzigen Zustand ausgeht, an und wissen um den schmerzlichen Verlust auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Gewerbe- und Industrieansiedlungen in der Seehausener Umgebung.

Ein Verlust von Wegebeziehungen um das Deponie-Gelände herum steht nach unserem Kenntnisstand nicht zur Debatte. Wir setzen uns dafür ein, dass vorhandene Vegetation entlang der Wege erhalten bleibt. Bislang hatten wir keine Mitsprachemöglichkeit bei der Suche nach Flächen für Ausgleichsmaßnahmen und werden uns beim zuständigen Bürgermeister dafür einsetzen, dass notwendige Ausgleichsmaßnahmen ortsnah stattfinden.

Weiterhin besteht auch das Problem, dass die Deponie noch in der Nachsorgephase ist und eine endgültige Entlassung aus der Nachsorgephase nach geltendem Recht frühestens in den 2050er Jahren erfolgen kann, was bedeutet, dass erst ab Entlassung aus der Nachsorge überhaupt die Möglichkeit besteht, das Gelände für die Allgemeinheit zu öffnen.

Sollten Sie noch Rückfragen haben, können Sie sich gerne melden.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Kasek, umwelt- und klimaschutzpolitischer Sprecher der Fraktion
Martin Biederstedt, Stadtrat für Leipzig Nord

im Auftrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen

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Es gibt 3 Kommentare

@ Ellen: In meinem Kommentar ging es nicht um die Fakten, was die Schutzwürdigkeit der ehemaligen Deponie für Fauna, Flora und Biodiversität, und damit auch für den Klimaschutz, angeht. Das ist bereits ausführlich dokumentiert und dies werde ich zukünfitig auch weiterhin tun.
Ich verstehe ja ein wenig Deine Vorbehalte gegen Golf, auch wenn damit desöfteren ein wenig Sozialneid einhergeht (Golfplätze können sogar auch naturnahe Elemente beinhalten, aber in der Realität siehts oft anders aus, und klar, die Wasserproblematik kann durchschlagen…), kann ich ein wenig nachvollziehen. Aber was die Begehbarkeit der ehemaligen Deponie angeht, wird es sicherlich mehrere Zukunftsoptionen geben.
Die fehlende fachliche Kompetenz der Unterzeichner ist jedoch Fakt, sorry, das ist so, ich kenne mich in der Materie durchaus aus, und das ist mit vielen Beiträgen in der Öffentlichkeit auch hinreichend dokumentiert (da muss ich jetzt nicht auf Details eingehen). Wenige Wissen, viel Gesinnung…
In meinem Kommentar ist tatsächlich etwas Polemik enthalten, und das war auch so beabsichtigt. Ich denke, das ist aber auch so angemessen angesichts der Ignoranz und des blanken Zynismus, die die Grünen gegenüber den Seehäusener Bürger/-innen an den Tag legen.

Nun, zur Versachlichung könnte mann sich z.B. die aktuelle Googlekarte anschauen:
https://www.google.com/maps/@51.4124956,12.4005303,2934m/data=!3m1!1e3

Westlich vom OT Seehausen sieht man die “Bahnen” des privaten Golfplatzes.
Ob dieses “satte Grün” diese GRK Charity rechtfertigt, sei jetzt so mal dahingestellt:
wev-sachsen.de/aktuell/newsansicht?tx_ttnews%5Btt_news%5D=80&cHash=835364e2a42d9780dd0b3937951e76af

Wenn man dann über 1000€ benötigt, um als Seehausener von der DDR-Altdeponie, als Golfplatz, aus, die hier in Frage stehende “Neudeponie” zu begutachten –
hätte ich andere Fragen.

Ansonsten muss man wohl von seinem Einfamilienhaus mit grünem Garten wohl mindestens 1000m um den Golfplatz (mit Müll-Berg 1) laufen, um zum geplanten “Photovoltaikpark Seehausen” zu kommen.
(Findet man hier auch eine Einwohner-Anfrage eines Ortschaftsratsmitgliedes. Nur falls sich jemand über den Ton wundert: ratsinformation.leipzig.de/allris_leipzig_public/vo020?VOLFDNR=1018510&refresh=false).

Also, ich finde es gut, wenn da oberhalb der südlich unten angepflanzten(?) Bäume die Fläche für erneuerbare Energien genutzt wird. Windradprüfung fände ich auch interessant.
Auf dem westlichen Berg.
Wobei auf so einem Golfplatz – wäre natürlich auch sehr viel besser.
Als neue, dem Gemeinwohl dienende Nutzung.
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PS: Was die “Scherbelberge” betrifft.
Da geht es zuerst einmal ums Rosenthal, in den Jahren 1887 bis 1896 wurden hier 120.000 m³ (60.000 Pferdefuhren) Hausmüll zum 20 m hohen Rosentalhügel, genannt „Scherbelberg“ aufgeschüttet.
Also tönernes Geschirr, Terrakotta-Vasen, Konservendosen, verrostete Metall-Haushaltsgegenstände und Regenschirme, die durch ihre Spieksigkeit das Nachtlager unerträglich machten:

Leibzcher Schärwelbärch-Schbuk von Lene Voigt:
Am Schärwelbärch* zur Geisterschtunde

Wälch ä Gerassel in dr Runde!
Das tobd un schlittert, gracht un glärrt.
Wie wenn dr Deifel Gätten zerrt.

Schon frieh belährde mich mei Vader:
Das sin de Bichsen drin im Grader.
Die gomm, wenn zwälf de Glogge schläächt,
Zum Danze ausn Bärch gefäächt.

Un weh dem Wandrer, där gerade
Voriebersoggt. Um dän is schade
Där läbt am nächsten Daach nich mähr,
Gabuttgehaun vom Schärwelhäär.

Bruch – bochtn änne Hummerdose
´ne Beile an dn Gobb, ´ne große,
Un änne Därragoddavase
Zerschmeißtn greilich seine Nase.

Um seine Ärme, seine Hände
Da schlingt sich Wärtschaftsgeechenstände.
Reibeisen, rostzerfrässne Siebe,
Die wärbeln rum zum Angriffshiebe.

Sogar zerschlissne alde Schärme
Born sich däm Wandrer ins Gedärme.
Drum nachts den Bärch dr Genner,

Un ringsum schläft gee eenzcher Benner.

Quelle: leipzig-lese.de/streifzuege-durch-leipzig/mundartliches/leibzcher-schaerwelbaerch-schbuk/
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Dann gäbe es noch den Focke-Berg, in der Leipziger Südvorstadt, der mit Leipziger Kriegsschutt aufgeschüttet wurde:
de.wikipedia.org/wiki/Fockeberg
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Der Nahle-Müll-Berg befindet sich in Möckern. Da gehts um DDR-Müll (Plaste-Tuben etc.), die mit Plasteplanen abgedeckt, Steine beschwert und erdüberhäufelt, für mehrere Millionen gesichert sein sollten. Dass das nicht so ist, konnte man* in der L-IZ/LZ ausführlich nachlesen. Dank Michael Billig hier z.B.:
l-iz.de/Topposts/2018/11/Experte-der-HTWK-wundert-sich-ueber-sanierte-Deponie-Leipzig-Moeckern-Das-duerfte-nicht-so-sein-Video-243435

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Also, lieber Robin, wenn du etwas positiv bewirken willst, würde ich mal sagen, Faktenfreiheit und persönliche Anfeindungen sind da eher kontraproduktiv.

Und Dankeschön den Grünen und den anderen Demokraten in Stadtrat und Verwaltung, dass sie sich in den “alten Filz” reinkramen.
Und dass, auch trotz der Unsachlichkeit manch Einzelner.
Weil, geht ja ums lebenswerte Überleben aller.

Typisch Jürgen Kasek, typisch Fraktion der Grünen.
Mit dem offenen Brief zeigen sie überdeutlich – natürlich verpackt in heuchlerischen Formulierungen, die die Grünen perfekt beherrschen -, dass sie sich in keinster Weise um den Erhalt der Natur auf der ehemaligen Deponie Seehausen einsetzen werden.
Sie gehen schon jetzt davon aus, dass eine NSG-Schutzwürdigkeit der Flächen (von Naturschützer/innen wird eine einstweilige Sicherstellung als NSG beantragt) nicht zu konstatieren sein wird. Ich frage mich mit welchem Sachverstand…, der ist bei den Unterzeichnern ja bekanntermaßen gar nicht vorhanden (besonders Herr Kasek zeigt das regelmäßig und eindrücklich)…
Davon machen sie auch abhängig, ob ein Erhalt des Waldes und der nachgewiesenrmaßen artenreichen (Halb)Offenlandschaften mit zahlreichen geschützten und Artren der Roten Listen für sie überhaupt in Frage kommen könnte; heißt, wenn die NSG-Würdigkeit nicht erkannt wird, werden sie die Zerstörung der Natur dort unterstützen…
Und wer wird das prüfen? Wohl die untere Naturschutzbehörde, die dann entsprechend unter Druck gesetzt werden wird und sicherlich zum politisch gewollten Ergebnis kommen wird…
Die Fraktion der Grünen will sich laut offenem Brief für den Erhalt von Vegetation entlang von Wegen einsetzen…, sprich den Wert der Komplexität der Natur haben sie nicht mal im Ansatz verstanden bzw. wollen das einfach nicht. Lieber ein wenig Augenwischerei betreiben… Natur(schutz)basierter Klimaschutz, für die Grünen – in Leipzig und bundesweit (s. Habecks Naturzerstörungsoffensiven) – ein Fremdwort.
Sie wollen sich laut offenem Brief für ortsnahe Ausgleichsmaßnahmen einsatzen. Zeigt, sie gehen sowieso schon von der Zerstörung der Natur dort aus… Und verstehen natürlich auch nicht das Wort Ausgleich.
Außerdem werde das Gebiet nicht vor 2050 für die Öffentlichkeit freigegeben. Damit versuchen sie Motivation und Engagement der Bürger/-innen zu untergraben. Man sehe sich z.B. die ehemaligen Deponien an der Neuen Luppe in Leutzsch (“Scherbelberg”) und in Böhlitz-Ehrenberg… oh Wunder, dort laufen Menschen herum…
Ich hoffe doch sehr stark, dass sich die Seehäusener/-innen sich von einem solchen Pseudosympathiebekundungsbrief nicht veräppeln lassen und erkennen (bzw. schon erkannt haben!), dass sie von der Fraktion der Grünen keinerlei Unterstützung erhalten werden, im krassen Gegenteil…

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