Eigentlich wirkte es wie ein Aufbruch in eine vernünftige Zukunft, als im Dezember 2013 das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz in Betrieb genommen wurde. Doch bis heute kann es seine Wirkung nicht voll entfalten. Mal fehlt es an Zugmaterial und die Fahrgäste stauen sich wie Sardinen. Mal fehlt für die Aktivierung neuer Strecken das Geld. Und zwei Haltepunkte drohen ab 2026 völlig abgehängt zu werden.

Das machte Axel Kalteich, Vorsitzender im Bürgerverein Sellerhausen-Stünz, zum Inhalt einer Einwohneranfrage. Im Grunde geht es hier gar nicht um das S-Bahn-Netz, denn seit Eröffnung des City-Tunnels umfahren die S-Bahnen in großem Bogen diesen Streckenabschnitt zwischen Hauptbahnhof und Paunsdorf, an dem die beiden Haltepunkte Sellerhausen und Paunsdorf liegen. Insbesondere Sellerhausen wird nur von Regionalbahnen angefahren.

„Stimmt es, dass die Bahn-Haltepunkte Sellerhausen und Paunsdorf 2025 endgültig geschlossen werden sollen und es damit auf Jahrzehnte im Stadtteil selbst gar keinen Bahnanschluss mehr gäbe – nicht einmal mehr in Richtung Grimma und Döbeln?“, fragte Kalteich und spickte seine Frage noch mit Unterfragen.

Elektrisch nach Grimma und Döbeln

2025 ist dabei noch nicht das endgültige Jahr. „lm Jahresfahrplan 2025 wird es nach derzeitigem Planungsstand keine Veränderungen in der Bedienung der beiden angefragten Bahnstationen geben“, teilte Leipzigs Verwaltung mit. Trotzdem hatte sich Kalteich nicht geirrt. Denn die Änderung war tatsächlich schon für 2025 vorgesehen. Aber der Zweckverband für den Nahverkehr Leipzig (ZVNL) musste die Ausschreibung für den Betrieb des S-Bahn-Netzes um ein Jahr verschieben.

Die RB 110 am Haltepunkt Sellerhausen. Foto: Sabine Eicker
Die RB 110 am Haltepunkt Leipzig-Sellerhausen. Foto: Sabine Eicker

„Die geplanten Veränderungen im S-Bahn-Netz durch Leistungsneuvergaben im Rahmen des Verfahrens MDSB2025plus wurden von Ende 2025 auf Ende 2026 verschoben“, erläuterte die Verwaltung. „Nach derzeitigem Planungsstand wird ab Ende 2026 die derzeitige RB 110 (Leipzig — Döbeln) zur S 1 aufgewertet und im Leipziger Stadtgebiet durch den City-Tunnel verkehren. Dadurch können die Stationen Leipzig-Sellerhausen und Leipzig-Paunsdorf nicht mehr durch diese SPNV-Linie bedient werden.“

Die Antwort der Stadt zu den Haltepunkten Sellerhausen und Paunsdorf.

Dann sollen nämlich auf dieser Strecke batteriebetriebene Züge zum Einsatz kommen, sodass der Zug dann auch durch den City-Tunnel fahren darf. Für alle Nutzer aus Döbeln, Grimma usw. ist das natürlich eine Aufwertung der Strecke. Dann werden auch sie endlich Teil des S-Bahn-Netzes, was bislang aufgrund der fehlenden Elektrifizierung nicht möglich war.

Aber für die Nutzer der Haltepunkte in Paunsdorf und Sellerhausen ist das der Verlust dieser Zughalte. Derzeit kommt die RB 110 hier tagsüber alle halbe Stunde vorbei und man ist sehr flott am Hauptbahnhof – deutlich flotter als mit der Straßenbahn.

Nur noch der Geithainer in Sellerhausen?

Aber so richtig klar ist noch nicht, wie es hier 2026 weiter gehen soll. Das bestätigte auch Baubürgermeister Thomas Dienberg. Denn was dann tatsächlich ab 2026 gefahren werden kann, muss innerhalb des ZVNL geklärt werden, in dem Leipzig zwar Mitglied ist. Aber die zugewiesenen Regionalisierungsmittel sind jedes Mal denkbar knapp. Weshalb das S-Bahn-Netz jedes Mal nur in kleinen Schritten wächst (zuletzt die Taktverdichtung nach Grünau), aber viele Kommunen im Leipziger Umland noch Jahre darauf warten müssen, bis sie endlich einen S-Bahn-Anschluss an Leipzig bekommen.

Was dann eben auch Auswirkungen auf Haltepunkte im Stadtgebiet hat. Denn ohne RB 110 wird es dünn an den Haltepunkten Sellerhausen und Paunsdorf.

„Die Bedienung der Verkehrsstation Leipzig-Paunsdorf durch die Linie RB 113 wird nicht verändert und bleibt bestehen“, erklärte die Stadt in ihrer Antwort. „Für die Bedienung der Verkehrsstation Leipzig-Sellerhausen wird aktuell durch den ZVNL geprüft, ob die RB 113 ab diesem Zeitpunkt dort durch die Schaffung eines Interimsbahnsteigs halten kann. Prinzipiell wird die SPNV-Erschließung für die Haltepunkte Leipzig-Sellerhausen und Leipzig-Paunsdorf dadurch etwas schlechter, dafür wird aber der Haltepunkt Anger-Crottendorf aufgewertet.“

Die RB 113 ist der sogenannte Geithainer, der von Leipzig-Hauptbahnhof über Großpösna und Bad Lausick nach Geithain fährt, aber in wesentlich größeren Abständen. Von S-Bahn-Takten kann hier keine Rede sein.

Verbindung zum Bahnbogen Ost

So ganz nebenbei ging die Antwort aus dem Verkehrsdezernat auch darauf ein, dass der Haltepunkt Sellerhausen eigentlich perspektivisch auch an den Parkbogen Ost angeschlossen werden soll. Der soll ja nicht in Sellerhausen enden.

Aufgang zu den Bahnsteigen des Haltepunktes Sellerhausen. Foto: Sabine Eicker
Aufgang zu den Bahnsteigen des Haltepunktes Sellerhausen. Foto: Sabine Eicker

„Der Anschluss des ‚Parkbogen Ost‘ über Treppen an den Haltepunkt Sellerhausen ist ebenfalls zu prüfen und bereits Gegenstand verwaltungsinterner Abstimmungen. Allerdings müsste man den bestehenden, dann nicht mehr angedienten Bahnsteig nutzen können, um über diesen den Interimsbahnsteig erreichen zu können“, heißt es in der Antwort der Verwaltung.

„Auch dieser Aspekt ist zu klären. Mit dem geplanten Streckenausbau Leipzig-Chemnitz sollte dann eine langfristig tragbare Lösung für diese Verkehrsstation gefunden werden.“

Doch bis die Strecke Leipzig-Chemnitz elektrifiziert ist, wird es mindestens noch bis 2028 dauern. Und ob dann tatsächlich auch in Paunsdorf und Sellerhausen gehalten wird, ist noch offen. Bislang fährt der Regionalzug hier noch durch. Im Video ist er zu sehen.

Die Entscheidungen müssen im ZVNL fallen und genau dort muss sich Leipzig dafür starkmachen, wenn die Stadt wirklich sinnvolle Zughalte in Sellerhausen und Paunsdorf haben will.

Aber Leipzigs Verkehrsdezernat gibt sich zuversichtlich: „Prinzipiell zuständig für die Planung, Organisation, Bestellung und Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) im Gebiet der Stadt Leipzig, des Landkreises Leipzig und des Landkreises Nordsachsen ist der ZVNL. Für die Einrichtung und den Betrieb von Bahnstationen ist prinzipiell die DB Station & Service AG zuständig. Ein dauerhafter Erhalt der beiden Stationen ist hierbei das angestrebte Ziel der Stadt sowie des ZVNL.“

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“Prinzipiell wird die SPNV-Erschließung für die Haltepunkte Leipzig-Sellerhausen und Leipzig-Paunsdorf dadurch etwas schlechter, dafür wird aber der Haltepunkt Anger-Crottendorf aufgewertet.“

Das ist eine bösartige und fast zynische Begründung.
Der bestehende S-Bahn-Halt Anger-Crottendorf wird dann besser, und dieser Komfort wird durch den Wegfall der 1.5km entfernten Station Sellerhausen erkauft.
Jene Stationen aber nicht das Anfang und Ende einer Straße darstellen, sondern zwei verschiedene Wohngebiete!
Die Sellerhäuser Bürger dürfen sich also völlig veralbert vorkommen.

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