Es ist leider Fakt, dass viele Journalisten und Intendanten noch nicht begriffen haben, was für eine Bedrohung die Klimakrise für die Menschheit inzwischen darstellt. Dazu gehören auch einige Intendanten öffentlich-rechtlicher Sender in Deutschland. So brachte es die ARD tatsächlich fertig, den von der Initiative „Klima° vor acht“ an sie herangetragenen Gedanken, eine aktuelle Klima-Sendung fest mit ins Abendprogramm zu bauen, abzuweisen.

Stattdessen gibt es eine solche Sendung – das „Klima Update“ – inzwischen bei RTL. Und es gibt nun auch dieses Buch, in dem 28 renommierte Autor/-innen erklären, warum der Klimawandel eine journalistische Herausforderung ist, und Wege weisen aus dem Kommunikationsdilemma, das auch eine Menge mit der öffentlich kaum wirklich wahrgenommenen Medienkrise zu tun hat.

Eindringlich wird geschildert, dass gerade auch die Medien einen wesentlichen Beitrag leisten müssen, um die Folgen der Erderhitzung zu minimieren und warum sie sich dieser Aufgabe nicht entziehen können.

„Eine besondere Verantwortung haben bei dieser Aufgabe die öffentlich-rechtlichen Sender“, stellt KLIMA° vor acht fest und hat noch im Mai den einzelnen Rundfunkräten der Landesrundfunkanstalten sowie dem Fernsehrat des ZDF Exemplare der Anthologie zugeschickt.

Erste Reaktionen: WDR schickt Bücher zurück, MDR verteilt gerne

Besonders schnell reagierte der WDR: Die komplette Lieferung der Bücher wurde umgehend und unkommentiert an den Verein zurückgeschickt. Nachdem dieses Vorgehen zu heftigen Reaktion in den sozialen Netzwerken geführt hatte, lieferte der WDR-Rundfunkrat die Begründung nach: „Leider verteilen wir grundsätzlich keine Unterlagen von Verbänden an die Mitglieder des Rundfunkrats.“ Die Rücksendung der Exemplare erfolge „nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden“.

Zugewandter reagierte dagegen das Gremienbüro des MDR, wo man den Eingang der Bücher schriftlich bestätigte, die man den Gremienmitgliedern „gern überreichen“ werde.

Manchmal darf man durchaus staunen darüber, dass auf einmal ostdeutsche Gremien mit Aufgeschlossenheit reagieren, während ein westdeutscher Rundfunkrat mit faulen Ausreden reagiert und KLIMA° vor acht wie irgendeinen Wald- und Wiesen-Verband behandelt, als ginge es dem Verein nicht um das zentralste aller Themen, die heute im TV thematisiert werden müssten. Auch und gerade im öffentlich-rechtlichen.

Die Klimakrise gehört ins Abendprogramm

Hätte Rolf Zurbrüggen, der Vorsitzende des WDR-Rundfunkrats, das Buch wenigstens gelesen, bevor er es so zugeknöpft zurückschicken ließ, hätte er merken müssen, dass genau dieses Thema auch auf den Tisch des Rundfunkrates gehört.

Dass es nämlich um falsches Denken und ein falsches Selbstverständnis geht, etwas, was insbesondere der Soziologe Robert Krieg in seinem Beitrag „Klimakrise und öffentlich-rechtlicher Auftrag“ analysiert. Ein Artikel, der im Grunde deutlich macht, warum die großen Rundfunkanstalten so oft versagen, wenn es um wirklich fundierte Berichterstattung gerade bei brisanten Themen geht.

Das Problem ist ihr Schubladendenken, gerne verkappt als Zielgruppenorientiertheit. Wer etwas älter ist, weiß, was das bedeutet und wie wirklich spannende Dokumentar- und Wissenschaftssendungen fast überall aus dem Hauptprogramm verschwunden sind und als Alibi nur noch da und dort im Nachtprogramm überlebt haben. Während selbst die reichweitenstarken Nachrichtensendungen es gründlich vermeiden, die Zuschauer mit Fakten und Zusammenhängen zu behelligen.

Dass gerade der WDR hier ein massives Problem hat, beschreibt Robert Krieg recht ausführlich:

„In vielen Diskussionen des Rundfunkrates, an denen ich teilnahm, ging es der Leitung des WDR als Begründung für den eingeschlagenen Weg immer darum, die jungen Menschen erreichen zu wollen, die nicht mehr die linearen Programme nutzen. Ich halte das für ein vorgeschobenes Argument.

Tatsächlich werden unter dem Einfluss von Unternehmensberater/-innen und Apologet/-innen der Privatwirtschaft die öffentlich-rechtlichen Medien zu einem Produkt umgedacht. Hier liegt der kardinale Fehler. Mit sogenannten Reformen werden Güter des gesellschaftlichen Gemeinwohls auf eine rein marktwirtschaftliche Zukunft getrimmt.

Auf diese Orientierung wird jede Innovation abgeklopft. Eine zukünftige öffentlich-rechtliche Plattform soll der Logik der Aufmerksamkeit folgen. Damit unterscheiden wir uns nicht mehr von dem Geschäftsmodell der ‚Big Five‘ aus dem Silicon Valley. Wir verlieren die Fähigkeit, uns auf das nicht sofort erkennbar Interessante einzulassen, wenn wir die Auswahl der Programme den Algorithmen der Aufmerksamkeitsökonomie überlassen.“

Wenn Medien ihre Rolle als Medien nicht mehr begreifen

Ein Effekt dabei ist, dass gerade auch die großen Medienhäuser ihre eigene Rolle in der Meinungsbildung der Nutzer/-innen nicht mehr verstehen. Vielleicht auch nie verstanden haben. Denn ein Bild von dem, was in der Welt vor sich geht und was davon wichtig ist, erhalten Menschen nun einmal zuallererst aus Medien.

Und so ist es auch mit der Klimakrise, die seit Jahrzehnten nicht die Rolle in den Medien spielt, die sie hätte spielen müssen. Und daran haben nicht einmal die gravierenden Klimafolgen etwas geändert, die in den letzten Jahren die Nachrichten bestimmt haben: brennende Wälder am Mittelmeer und in Australien, Hochwasser in Asien und im Ahrtal, die brennenden Wälder Sibiriens, die riesigen Tropenstürme Amerikas, die Dürre der Jahre 2018 bis 2020 usw. Es hört ja nicht mehr auf.

Was noch vor Jahrzehnten Einzelereignisse dieses dramatischen Ausmaßes waren, sind mittlerweile fast tägliche Bilder. Die aufgeheizte Erdatmosphäre zeigt schon längst, was uns blüht, wenn wir immer weiter CO₂ in riesigen Mengen in die Luft blasen und einen Lebensstil pflegen, der nur mit der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen enden kann.

Etwas, was wir seit Jahrzehnten wissen. Die wissenschaftlichen Fakten liegen auf der Hand. Ein neuer IPCC-Bericht nach dem anderen zeigt, wie dramatisch die Lage ist und wie die Zeit zusammenschrumpft, die uns noch bleibt, umzusteuern.

Doch auch die Senderauswertung von KLIMA° vor acht zeigt, dass die Medien ihre Art der Berichterstattung nicht verändert haben. Das Klima taucht in den Nachrichten nur auf, wenn es entweder neue alarmierende IPCC-Berichte und riesige Klima-Konferenzen gibt. Oder wenn wieder das nächste dramatische Ereignis die Schlagzeilen bestimmt. Dann sind die Zeigerausschläge hoch, thematisieren auch Moderatoren den Klimawandel.

Aber dann braucht es nur wieder das nächste nachrichtentaugliche Ereignis – Zugunglücke, Kriege, Ministerrücktritte, Regierungskrisen usw. – und das Thema verschwindet wieder völlig aus der Berichterstattung.

Dann kommen die nächsten Börsenmeldungen für die reichen Aktienbesitzer. Und dann das Wetter, wo sich die Meteorologen zumindest immer öfter trauen darauf hinzuweisen, dass die immer stärkeren Wetterkapriolen sehr wohl etwas mit den Klimaveränderungen zu tun haben.

Nicht Panik verbreiten, sondern Lösungen zeigen

Hier hätte also nach den Vorstellungen von KLIMA° vor acht längst eine fest eingeplante Klima-Sendung hingehört. Und zwar nicht, um den Zuschauer/-innen noch mehr Angst zu machen. Denn Studien und Umfragen belegen ja, dass die Mehrheit längst weiß, wie dramatisch die Klimaveränderung ist. Und viele Menschen haben längst Angst vor dem, was da auf uns zukommt.

Das Problem ist nur: Sie fühlen sich machtlos. Denn was den dramatischen Berichterstattungen im TV und anderswo fast immer fehlt, ist erstens die wissenschaftliche Analyse zu Ursachen und Hintergründen und zweitens ein Angebot, das den Zuschauenden zeigt, was getan werden könnte.

Denn wenn der IPCC-Bericht eindeutig belegt, dass die Klimaaufheizung menschengemacht ist, dann ist es auch die Menschheit, die etwas dagegen tun kann. Im ersten Schritt natürlich, um die fatalen Folgen zu lindern und mitzuhelfen, wenigstens das in Paris 2015 gesetzte Ziel einer maximalen Erwärmung um 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Level zu schaffen und eine noch höhere Erhitzung zu vermeiden.

Und danach geht es ganz bestimmt darum, mit diesen eh schon extremeren Klimabedingungen zurechtzukommen und vielleicht sogar gemeinsam jene CO₂-Senken zu schaffen, mit denen das Klima wieder etwas abgekühlt werden könnte. Aber das sind natürlich Aufgaben für Generationen und Jahrhunderte.

Jetzt geht es erst einmal um uns – natürlich auch um die Welt der Kinder und Enkel, deren Lebensgrundlagen wir gerade zerstören. Übrigens nicht nur, was das Klima betrifft. Denn gleichzeitig hat die Menschheit (bzw. ihr gierigster und rücksichtslosester Teil) auch noch das sechste (nach neuerer Zählung siebente) Massensterben weltweit ausgelöst.

Nur diesmal sind es keine Vulkane und Meteoriten, die den Großteil des Lebens auf der Erde auslöschen, sondern es ist menschliche Zerstörung sämtlicher Lebensräume – von den Meeren bis zu den Tropenwäldern, von der Tundra bis zu den europäischen Landwirtschaftswüsten, wo mit Überdüngung und massivem Pestizideinsatz die Vielfalt der heimischen Fauna zerstört wird.

Die faule Ausrede vom „Markt“

Es sind ja auch die von der Preisdumping-Politik der großen Konzerne getriebenen Bauern, die dastehen und sagen, sie könnten nicht anders. Sie wären für den „Markt“ gezwungen, derart rücksichtslos mit dem kostbaren Gut Boden umzugehen. Auch sie kennen nicht wirklich die Zusammenhänge, in denen sie gezwungen sind, so zu handeln.

Und das hat alles mit Medien zu tun und mit dem Versagen von Medien und Journalisten vor der größten Herausforderung, die je in der Geschichte vor der Menschheit stand. In mehreren Beiträgen im Buch werden diese Engsichten und die strukturellen Probleme geschildert, die dazu führen, dass Journalisten dem Thema seit Jahren ausgewichen sind.

Da geht es um Ressorts, die nicht miteinander kommunizieren, um zusammengesparte Redaktionen, denen dann meistens zuerst die Wissenschaftsjournalisten und Spezialisten zum Opfer gefallen sind, und um den enormen Druck, den auch die entfesselten Internet-Plattformen erzeugen, sodass die Zeitspanne, in der jemand die Aufmerksamkeit des Publikums mit einem Thema besetzen kann, immer mehr zusammengeschrumpft ist.

Von Tagen auf Stunden, von Stunden auf Minuten – inzwischen auf Sekunden. Eine Entwicklung, in der die meisten Medien ausgerechnet das über Bord geschmissen haben, was guten Journalismus ausmacht: Gründlichkeit, Einordnung, Tiefenrecherche. Es muss immer schneller gehen. Journalisten werden zu „Newsmakern“, die das aussichtslose Rennen gegen die Internet-Plattformen trotzdem schon lange verloren haben.

Und was KLIMA° vor acht den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland zu Recht vorwirft, ist natürlich, dass sie diese wilde Hatz mitgemacht haben, obwohl sie wirtschaftlich abgesichert sind und genug Redakteure und Sendezeit haben, um – auch und gerade im linearen Programm – dagegenzuhalten.

Ohne diese Hysterie, die die News-Berichterstattung mittlerweile so gnadenlos bestimmt, dass die Nutzer/-innen immer öfter ausschalten, weil sie von dieser ganzen Panikmache genug haben und überfordert sind.

Und weil sie darin keine Orientierung bekommen. Nicht einmal an der Stelle, an der stets der Vorwurf mitschwingt, dass eigentlich jeder Einzelne etwas tun kann. Manchmal offen geäußert, manchmal versteckt. Was dann meist dazu führt, dass Menschen sich in eine „Ich kann ja doch nichts ändern“-Haltung flüchten.

Die Möglichkeiten des Handelns zeigen

Dabei stimmt es ja: Natürlich kann jeder etwas machen. Und jeder kann mitwirken an der Umgestaltung der Gesellschaft – hin zu einer Gesellschaft, die sich darum sorgt, dass auch für die künftigen Generationen die Lebensgrundlagen erhalten bleiben.

Natürlich muss man dazu wissen, wer da eigentlich alles redet und öffentlich Einfluss nimmt. Mehrere Beiträge beschäftigen sich mit dem enormen Einfluss, den z. B. schwerreiche Ölkonzerne und Think Tanks nicht nur auf die Politik, sondern auch auf die Medien genommen haben, um zu verhindern, dass die Menschen ein realistisches Bild von der Welt, den Folgen eines entfesselten Raubbaus an der Natur und eines völlig entgrenzten fossilen Energieverbrauchs bekommen.

Bis in die Politik hinein haben sie sich Gehör und Stimmen gekauft. Und jahrelang haben auch große deutsche Sender das faule Spiel mitgespielt und den „Klimawandelskeptikern“ breiten Raum gegeben, ihnen gar den Kontra-Part zugebilligt, all das, was seriöse Klimaforscher belegen können, rundweg infrage zu stellen.

Es hat sogar verdammt lange gebraucht, den Senderverantwortlichen klarzumachen, dass das mit ausgewogener Berichterstattung überhaupt nichts zu tun hat. Stattdessen hat es Generationen von Fernsehzuschauern das Bild vermittelt, dass der Klimawandel eigentlich nur eine Meinungssache unter Wissenschaftlern wäre.

Und sowieso so umstritten, dass man eigentlich nichts tun muss. Das Ergebnis sind 50 verlorene Jahre. 50 Jahre, in denen gerade die reichen Nationen im globalen Norden längst ihre Wirtschaft klimaneutral hätten umbauen können.

Von den 16 Jahren Merkel-Regierung ganz zu schweigen, die so ziemlich alle guten Ansätze, die noch unter den Schröder-Regierungen zustande kamen, ausbremsten. Logisch, dass einige Autor/-innen auch mit Kritik an der „Klima-Kanzlerin“ (die eine solche niemals war) nicht sparen.

Die institutionalisierte Angst vor Veränderungen

Aber auch das gehört natürlich hierher. Denn natürlich stehen konservative Regierungen in Deutschland immer für ein „Weiter so“. Den alten Slogan „Keine Experimente“ haben nicht nur konservative Politiker verinnerlicht, sondern auch Millionen Wähler, die davon ausgehen, dass die da in Berlin schon alles deichseln würden und Politik gar kein Recht hat, ihren Bürgern Zumutungen und Veränderungen aufs Auge zu drücken. Mit Angst-Wahlkämpfen kann man in Deutschland Wahlen gewinnen. Das ist fatal.

Aber es zeigt auch, was an der üblichen Klima-Berichterstattung falsch läuft. Denn Angstmacher gibt es genug. Angst aber lähmt. Sie verstellt den Blick darauf, was man als Mensch eigentlich tun kann. Angst löst sich erst dann, wenn Menschen eine Vorstellung davon haben, was sie ganz persönlich tun können, um die drohende Gefahr zu bändigen.

Das beginnt mit ganz simplen Veränderungen im eigenen Verhalten, geht über Wahlentscheidungen weiter bis hin zum ganz konkreten Engagement in Vereinen und Initiativen, am Arbeitsplatz oder in der Regionalpolitik. Denn wenn man eine Ahnung davon hat, was man tun kann, dann fällt es leichter zu handeln.

Weshalb sich dann etliche Beiträge auch mit Dingen wie Konstruktivem und Transformativem Journalismus beschäftigen. Einem Journalismus, den es viel zu selten gibt – zumindest im Bereich der Klimaberichterstattung.

Denn wenn es um Geldanlagen, neue Autos, Mode oder Fernsehserien geht, schaffen es aufgeplusterte Journalisten sehr wohl, den Leuten immer neue Tipps und Ratschläge zu geben. Nur wenn es in den Bereich von Politik und Wissenschaft geht, kommen auf einmal die Märchenerzähler aus ihren Löchern und reden von einem „objektiven“ oder „neutralen“ Journalismus. Gut möglich, dass der Quatsch auch an Journalistik-Lehrstühlen gelehrt wird.

Obwohl jeder, der sich wirklich mit der Polis und ihren Erscheinungen beschäftigt, weiß, dass es so etwas gar nicht gibt.

Die fatale Haltung des „alles ist gleich“

Die Journalistin Friederike Mayer thematisierte das im Interview mit Jürgen Döschner in ihrem Beitrag „Der neutrale, objektive Journalismus ist eine Fata Morgana“. Wer sich auch nur ein bisschen mit der Rolle der „vierten Gewalt“ in der Demokratie beschäftigt hat, weiß, dass Journalisten ohne ein eigenes Wertegerüst überhaupt nicht arbeiten können.

Wer nicht versteht, was eine pluralistische, demokratische und freie Gesellschaft ist, wird nicht in ihrem Sinne berichten können. Genauso wenig wie ohne moralische Maßstäbe. Ganz zu schweigen davon, dass auch Journalisten ihre Berichte „framen“, ihnen einen Rahmen geben, und dass es ganz und gar nichts mit Aktivismus zu tun hat, wenn sie Dinge wie Menschlichkeit, Weltoffenheit oder Hochachtung vor der lebendigen Natur zum Maßstab ihrer Berichterstattung machen.

Im Gegenteil: Wer solche Maßstäbe nicht anwendet, richtet Schaden an, verstärkt das allgegenwärtige Gefühl der Beliebigkeit und der Gleichgültigkeit. Als wäre alles, was geschieht, völlig egal, der Mensch sowieso machtlos und unfähig, die (mysteriösen) Vorgänge in der Welt zu verstehen. Genau das ist der Humus, auf dem Verschwörungstheorien ihre Deutungsmacht erlangen.

Natürlich ist das dann ein gefälliger Journalismus, der vor allem jenen nicht wehtut, die von der Zerstörung der Welt profitieren. Da eckt man nicht an und macht sich nicht die Menge Ärger als Journalist, wenn man Ross und Reiter nennt.

Denn zur Wahrheit gehört nun einmal auch, dass von der Aufheizung des Klimas und der Zerstörung der Artenvielfalt gerade die Reichen und Superreichen in der Welt massiv profitieren. Leute, die sogar verinnerlicht haben, dass sie sich für das Gemeinwohl überhaupt nicht interessieren und engagieren müssen, die ihre Macht dazu ausnutzen, ihre Steuern kleinzurechnen und die Reichtümer in „Steuerparadiese“ zu verschieben.

Was das nächste Problem heutiger Medien beleuchtet: Dass sie eigentlich immer international agierenden Netzwerken gegenüberstehen, wenn es um die richtig großen Schweinereien geht – man denke nur an die Panama-Papers und ähnliche Vorgänge, die dann auch von international agierenden Recherche-Teams aufgeklärt werden mussten. Diese Kraft haben nicht alle Medien. Journalisten arbeiten viel zu oft ohne Rückhalt und großen Medienkonzern im Hintergrund.

Die Misere des Lokaljournalismus

Und so wird auch thematisiert, dass es gerade da besonders schlecht aussieht, wo die Klimakrise für die Menschen tatsächlich konkret wird: im Lokaljournalismus.

Das wird dann zwar festgestellt, aber leider kommen am Ende tatsächlich die Kommunikationswissenschaftler zu Wort, die dann ganze Listen von Qualitätskriterien für den Klimajournalismus aufstellen, so richtige Elfenbeinturmlisten von Leuten, die überhaupt nicht wissen, unter welchen Bedingungen Lokaljournalismus heute stattfindet.

Die Listen sind eine doppelte Zumutung – einerseits, weil sie unterstellen, die Journalisten wüssten das alles nicht. Und zum zweiten, weil sie eine materielle und personelle Ausstattung imaginieren, die es heute in keiner einzigen Lokalredaktion mehr gibt.

In den TV-Sendern schon. Da wäre das alles richtig adressiert. Und es war fahrlässig und ignorant, dass der WDR-Rundfunkrat die Bücher einfach zurückgeschickt hat. Denn in den Sendeanstalten kann man noch reagieren. Und es wäre die leichteste Übung, ein regelmäßiges Format „Klima° vor acht“ (oder auch nach acht) aufzusetzen. Wissenschaftsjournalistinnen wie Mai Thi Nguyen-Kim zeigen schon lange, wie es gehen könnte.

Putin und die Grüne Energie

Und auch, wie man auch Themen, die auf den ersten Blick gar nichts mit Klima zu tun haben, einordnen kann. Man sehe nur ihren letzten Clip zu Putins Krieg, der mit enorme Schäden für Klima und Umwelt verursacht. Ein ganz wichtiger Aspekt, den mehrere Autor/-innen im Buch ansprechen, dass Klima eben schon lange kein Nischenthema mehr ist und eigentlich auch nie war.

Das ausgeglichene Klima der vergangenen 11.000 Jahre war und ist die Grundlage für die ganze menschliche Zivilisation. Eine solche Aufheizung wie in den vergangenen Jahren hat es in der ganzen Zeit nicht gegeben. Es müsste die Aufgabe aller Menschen und Regierungen sein, dieses Klima zu bewahren, damit die Menschheit auf der Erde überleben kann.

Und so spielt fast alles, was wir tun, da hinein: unser Konsum, unsere Mobilität, unsere Wirtschaftsweise, unser Städtebau, die Hochwasserpolitik, unser Medienkonsum, unser häuslicher Maschinenpark, unserer Urlaubsverhalten, unsere Bildung, unsere Berufswahl …

Man kann die Liste immer länger machen. Und man merkt bald, wie viel davon mit lokalem Journalismus zu tun hat. Und von vielen Lokalzeitungen nicht mal im Nebensatz erwähnt wird.

Es gibt kein wichtigeres Thema

Und anders als der beratungsresistente WDR-Rundfunkrat haben wir uns das Buch natürlich schicken lassen. Denn natürlich ist es vor allem für Journalist/-innen und Medienmacher geschrieben, die noch nicht wirklich verstehen, dass es in ihrer Arbeit kein umfassenderes Thema gibt als das Klima und die zunehmende Klimakrise, die eben auch unsere schönen deutschen Provinzen nicht verschonen wird.

Schon lange nicht verschont. Nichts ist da wichtiger als möglichst umfassendes Klimawissen, das man sich im journalistischen Alltag sehr wohl erarbeiten kann. Dazu gibt es überall kompetente Ansprechpartner, die man auch mal aus ihrer wissenschaftlichen Abgeschiedenheit herausreißen kann, damit sie öffentlich erzählen, was da los ist mit unserem Klima und unseren immer mehr verstummenden Landschaften.

Und die lokalen Parlamente, Stadt- und Gemeinderäte darf man damit ebenso nicht verschonen. Selbst das kleinste Stadtparlament hat sich mit dem Klima und den Folgen der Klimaerhitzung zu beschäftigen, sonst hat es seine ureigenste Aufgabe verdaddelt: sich um die Grundlagen des Lebens der Menschen zu sorgen, die sie gewählt haben.

Das nur so am Rande. Das Buch kann sich auch sonst jeder kaufen, der einen kleinen Eindruck davon bekommen möchte, warum die Klimakrise auch sehr viel mit der heutigen Medienkrise zu tun hat.

Klima° vor acht e.V. (Hrsg.) Medien in der Klimakrise Oekom Verlag, München 2022, 19 Euro.

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Es gibt 3 Kommentare

@Berkant Yilmazsays: Wenn die Bevölkerung von Deutschland an der Weltbevölkerung einen Anteil von gerade einmal 1,1% einnimmt, dann bedeutet der Anteil von 2% am globalen Ausstoß von Treibhausgaben nicht nur, dass wir doppelt so viel ausstoßen, wie der Durchschnitt, sondern auch, dass faktisch sehr viele Länder geben muss, die weit aus weniger als der Durchschnitt ausstoßen. So ganz unschuldig ist Deutschland also schon mal nicht.

Andererseits behauptet aber auch niemand, dass Deutschland die drohende Klimakatastrophe (die Formulierung halte ich für richtig) allein zu verantworten hat. Je nachdem, wie man schaut, ist Deutschland auf Platz 6 der größten Emittenten oder auf Platz 36 von über 200 Ländern beim pro-Kopf-Ausstoß. Wir sind also nicht auf Platz 1, das behauptet niemand und klar ist immer, dass es bei allen Forderungen an die Regierungen in Bund und Ländern darum geht den eigenen Anteil am globalen Treibhausgasausstoß zu mindern und zwar nicht erst irgendwann, sondern so schnell wie es nur irgendwie geht.

Hey … und ja, fahren sie mal mehr Fahrrad, das ist auch durchaus sehr gesund für Körper und Geist. 😉

Ich sehe das anders. Medial wird uns eher eine Klimakatastrophe vermittelt und das Deutschland schuld daran ist. Der Anteil von Deutschland beträgt ca. 2%. Ich frage mich dann immer, was passiert, wenn diese 2% mal 0% sind. Ist dann das Klima gerettet? Hoffentlich ist keiner überrascht, daß da nichts mit 2% gerettet wird.
Die, die am lautesten schreien, die haben keine echte Lösungen! Die wollen eh nur, daß die “Anderen” z.B. mit Fahrad fahren sollen.

Mitte des 19. Jahrhunderts brachten ein anhaltender bestialischer Gestank und Tausende Cholera-Tote die Londoner Stadtführung endlich dazu, eine aufwendige Kanalisation der Abwässer installieren zu lassen. Möglicherweise müssen uns die Folgen des Klimawandels erst in einer ähnlichen Weise anhaltend penetrieren, damit wir den Klimawandel dauerhaft als existenzielle Gefahr wahrnehmen und seinetwegen bereit sind, einschneidende Veränderungen vor- und hinzunehmen.

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